Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → BEDROHTE VÖLKER

NAHOST/093: Irak - Massengrab mit 500 Toten entdeckt


Presseerklärung vom 7. August 2008

Irak: Massengrab mit 500 Toten entdeckt


Im Irak ist nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ein neues Massengrab mit etwa 500 Toten entdeckt worden. Es befindet sich nicht weit von Tallafa, rund 60 Kilometer westlich von Mossul. Erste Untersuchungen hätten ergeben, dass es sich bei den Opfern um Kurden handele. Sie seien entweder während der sogenannten Anfal-Offensive unter Saddam Hussein 1987/88 ermordet worden, oder es seien Opfer des Barzan-Massakers 1983, teilte der Leiter eines Exhumierungskomitees in Irakisch-Kurdistan der GfbV telefonisch mit. Die Gebeine sollen nun exhumiert und in Zusammenarbeit mit Vertretern der Regierung in Bagdad von Experten aus Kurdistan mit Hilfe von DNA-Tests identifiziert werden.

"Leider werden die Exhumierungen unter schwierigsten Bedingungen stattfinden müssen, denn das Massengrab liegt in einer Region, in der islamistische Terrorgruppen die Oberhand haben", berichtete der GfbV-Mitarbeiter Masud Siany aus Arbil, der Hauptstadt des nordirakischen autonomen Bundesstaates Kurdistan. Dort ist die GfbV mit einer Sektion vertreten.

Die Anfal-Offensive wurde unter der Leitung von Saddam Husseins Cousin Ali Hassan Al Majid (besser bekannt unter dem Namen "Chemie Ali") durchgeführt. Bis zu 182.000 Kurden - unter ihnen auch christliche Assyro-Chaldäer-Aramäer - wurden während acht Angriffswellen der irakischen Armee im Norden des Landes zwischen Februar und Anfang September 1988 getötet. Dabei wurden auch chemische und biologische Waffen eingesetzt. Gezielt ermordet wurden insbesondere arbeitsfähige Männer und Jungen im Alter von elf bis 50 Jahren, um aktive Gegenwehr oder spätere Racheakte zu verhindern.

Im Barzan-Tal verloren die Kurden an nur einem Tag, dem 30. Juli 1983, fast ihre gesamt männliche Bevölkerung. 8.000 Männer und Jungen wurden vom irakischen Militär auf Lastwagen verladen und deportiert, als "Agenten des internationalen Imperialismus und Zionismus" durch Bagdad getrieben und im Fernsehen zur Schau gestellt. Die Verschleppten tauchten nie wieder auf. Erst Jahre später wurde bekannt, dass sie erschossen worden waren. Der Genozid an den Kurden wurde von der irakischen Verwaltung, von der Armee und den Einsatzgruppen Saddams in allen Einzelheiten akribisch registriert. Doch bisher konnten erst 503 der Mordopfer aus dem Barzan-Tal und die Gebeine von 258 Toten aus dem Kurdengebiet Doli Jafayati gefunden, exhumiert, identifiziert und nach Kurdistan überführt werden.


*


Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 7. August 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-0, Fax: 0551/58028
E-Mail: info@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2008