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NAHOST/179: Ägypten - Übergriffe auf Christinnen geben Anlass zur Sorge


Presseerklärung vom 12. November 2012

Ägypten: Einschränkung von Frauenrechten befürchtet

Übergriffe auf Christinnen beunruhigen Menschenrechtler



Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt vor einer Einschränkung von Frauenrechten in Ägypten. "Radikal-islamische Salafisten drängen auf eine stärkere Islamisierung der ägyptischen Gesellschaft", berichtete der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Montag in Göttingen. "Sie schaffen damit ein frauenfeindliches Klima, unter dem vor allem Koptinnen leiden." In den vergangenen Tagen war es zu mehreren Übergriffen auf unverschleierte Christinnen in Kairo gekommen. Dort haben am Sonntag in der U-Bahn zwei verschleierte Frauen einer 28 Jahre alten Koptin gewaltsam die langen Haare abgeschnitten. Einem 13-Jährigen koptischen Mädchen waren bereits am vergangenen Mittwoch ebenfalls in der U-Bahn von einer verschleierten Frau die Haare abgetrennt worden. Auch eine koptische Schülerin der fünften Klasse des Saray el Koba-Gymnasiums in Kairo wurde in der vergangenen Woche Opfer eines ähnlichen Übergriffs.

"Wir sind sehr besorgt über die zunehmende Zahl von Übergriffen auf Christinnen. Dies sind nicht nur massive Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht und Körperverletzungen, sondern auch alarmierende Verletzungen der Glaubensfreiheit religiöser Minderheiten", erklärte Delius. Zwar sei eine Lehrerin in Luxor (Ober-Ägypten) im Oktober von einem Gericht zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden, weil sie zwei zwölf Jahre alten Mädchen, die sich weigerten ihren Kopf zu verschleiern, gegen ihren Willen die Haare geschnitten hatte. Doch so ein Hassverbrechen nur mit milden Strafen zu belegen, reiche bei weitem nicht aus. "Ägyptens Christen warten auf ein deutliches Signal von Staatspräsident Mohamed Morsi, den wachsenden Einfluss radikal-islamischer Salafisten im öffentlichen Leben einzudämmen. Übergriffe auf unverschleierte Schülerinnen und junge Frauen müssen mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden, damit Angehörige religiöser Minderheiten nicht um ihre Sicherheit fürchten müssen." Morsi müsse sich in einer öffentlichen Erklärung zu einem multireligiösen Staat bekennen und so die Angehörigen der religiösen Minderheiten in Schutz nehmen.

Leider habe der Staatspräsident in den vergangenen Monaten dem wachsenden Druck der Salafisten jedoch immer mehr nachgegeben. So hatte er vor seiner Wahl zum Staatspräsidenten im Juni 2012 zwar angekündigt, eine Frau und einen Kopten zu Vizepräsidenten zu ernennen, sein Versprechen dann jedoch nicht eingehalten. Erst am vergangenen Freitag hatten zehntausende Salafisten auf dem Tahrir-Platz in Kairo für die Einführung der Scharia als einzige Grundlage der Gesetzgebung in der neuen Verfassung demonstriert. Liberale Muslime und Kopten warnen vor einer Einführung der Scharia-Prinzipien, da dies zu einem Exodus von Christen und moderaten Muslimen aus Ägypten führen würde.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 12. November 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2012