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NAHOST/278: Nordirak - Unabhängigkeit Kurdistans unterstützen


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 15. September 2017

Volksentscheid in Irakisch-Kurdistan (25.09.):
Bundesregierung soll den Wunsch der Kurden nach Unabhängigkeit vom Irak unterstützen


Anlässlich des bevorstehenden Referendums über eine Unabhängigkeit Irakisch-Kurdistans appelliert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) an die deutsche Bundesregierung, den Wunsch der Kurden nach der Bildung eines eigenen Staates im Nordirak zu unterstützen. "Verschiedene Regierungen in Bagdad ließen Irakisch-Kurdistan immer wieder, auch mit geächteten Waffen wie Giftgas, angreifen. Die Kurden und andere Minderheiten waren in den 1970er und 1980er Jahren sogar Völkermord und gezielten gewaltsamen Vertreibungen aus Erdöl-reichen Gebieten ausgesetzt. Diesen Verbrechen sind Hunderttausende zum Opfer gefallen und ihr Leid ist unvergessen. Wenn Kurden jetzt ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen möchten, ist das nur allzu verständlich", erklärte der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido am Freitag in Göttingen.

"Darüber hinaus leistet Irakisch-Kurdistan auch mit Unterstützung Deutschlands seit 2014 einen enormen Beitrag im Kampf gegen die Terrormilizen des Islamischen Staates (IS). Das verdient großen Respekt und Anerkennung und rechtfertigt auch ihre Hoffnung, dass Deutschland ihr Recht auf Selbstbestimmung trotz der ablehnenden Haltung Bagdads unterstützt", betonte Sido. "Sehr wichtig ist dabei jedoch, auch die Yeziden, Assyrer/Chaldäer/Aramäer, Turkmenen und Shabak nicht zu vergessen. Ihre Rechte müssen verfassungsmäßig anerkannt werden. Zudem müssen mehr Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit gewährleistet sein."

Obwohl das irakische Parlament den Volksentscheid der Kurden abgelehnt hat und auch andere Länder - darunter die USA - von einem Referendum abraten, soll es nach dem Willen der Regionalregierung des autonomen Kurdistans am 25. September stattfinden. Auch die Einwohner der ölreichen Region um Kirkuk, die offiziell nicht zum autonomen Kurdengebiet gehört, sollen abstimmen dürfen.

Nach Angaben der GfbV befürworten die allermeisten irakischen Kurden die Unabhängigkeit. Die Opposition in Kurdistan macht jedoch immer wieder auf Demokratiedefizite aufmerksam und fordert schon jetzt Rechtsstaatlichkeit, mehr Presse- und Meinungsfreiheit. Auch die bestehenden Konflikte um die zukünftige Staatsform, die Stellung des Parlaments sowie die Einführung von föderalen Strukturen im zukünftigen Staat müssen gelöst werden. Auch die GfbV warnt angesichts des furchtbaren Bürgerkriegs im Südsudan, der kurz nach der Unabhängigkeit ausbrach, vor verheerenden Folgen, sollten diese Probleme totgeschwiegen werden. Es müsse unbedingt eine Einigung mit Vertretern der yezidischen, der christlichen und der turkmenischen Bevölkerung Kurdistans über eine Autonomie oder Selbstverwaltung für die Gebiete geben, in denen die Angehörige dieser Volksgruppen die Mehrheit bilden.

In Irakisch-Kurdistan, das mit den umstrittenen Gebieten etwa 79.000 Quadratkilometer umfasst, leben etwa sechs Millionen Menschen, mindestens zwei Millionen von ihnen sind Flüchtlinge.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 15. September 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2017

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