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FRAGEN/019: Blockupy-Aktionen in Frankfurt - "Die deutsche Linke hinkt hinterher" (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 7 vom 13. Februar 2015
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

"Die deutsche Linke hinkt hinterher"
Blockupy-Aktionen 18. März Frankfurt/Main

Interview mit Mischa Aschmoneit von Markus Bernhardt


UZ: Am 18. März sollen erneut Blockupy-Aktionen in Frankfurt am Main stattfinden. Was genau ist diesmal geplant?

Mischa Aschmoneit: Anlass der Aktionen ist die Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank. Wir werden mit tausenden Aktivistinnen und Aktivisten sowie Betroffenen der Troikapolitik aus ganz Europa den Arbeitsalltag in diesem Gebäude blockieren, sowie die dort geplante Feier mit Protesten begleiten. Das ist eine große Herausforderung für die politische Linke in Deutschland, da die Aktionen an einem Mittwochmorgen stattfinden müssen. Und die biederen Deutschen, viele Linke inbegriffen, protestieren ja höchstens am Samstag, sind aber nicht bereit, auch in der Woche Zeit und Energie für Aktionen aufzubringen. Wir haben u. a. deshalb eine Kampagne gestartet unter dem Motto "18 Null-Drei - ich nehm mir frei!" Schauen wir mal, was die Demonstrantinnen und Demonstranten aus den anderen Ländern für einen Eindruck von der deutschen Linken mit nach Hause nehmen werden.

UZ: Tatsächlich heißt es, dass es im Vorbereitungskreis Differenzen gegeben habe, inwiefern Blockadeaktionen und ziviler Ungehorsam einer Großdemonstration vorzuziehen seien. Was ist Ihre Position?

Mischa Aschmoneit: Wir haben gemeinsam und solidarisch verschiedene Szenarien diskutiert. Dabei stellte sich heraus, dass die übergroße Mehrheit der Aktivistinnen und Aktivisten nicht einfach "nur" an einem Samstag bei einer Großdemonstration mitlaufen, sondern selbst im Rahmen von Aktionen des Zivilen Ungehorsams mitten in der Woche aktiv werden wollte. Das galt sowohl für die Delegationen aus den anderen europäischen Ländern als auch für die aus der BRD. Wir haben uns also darauf geeinigt, dass es am Mittwoch, den 18. März, sowohl morgens die Blockadeaktionen und anderes gibt als auch am Nachmittag eine Demonstration. Ich finde das eine kluge Entscheidung.

UZ: Welche Rolle wird der Regierungswechsel in Griechenland bei Ihren Protesten spielen?

Mischa Aschmoneit: Die Abwahl der troika-hörigen Regierung in Griechenland hat sehr viele Menschen in ganz Europa darin bestärkt, den Kampf gegen das Krisenregime zu verstärken. Viele haben gesagt: "Da wurde auch Merkel abgewählt". Insofern verfolgen sehr viele Menschen im Blockupy-Spektrum die neue griechische Regierung mit viel Sympathie und Hoffnungen. Inwiefern diese Hoffnungen berechtigt sind, wird sich zeigen. Unabhängig davon, ob die griechische Regierung als sozialistische Linksregierung oder als sozialdemokratischreformistisch begriffen wird, gilt es jedoch, alle ihre positiven Maßnahmen gegen die chauvinistische Hetze in Deutschland und anderswo zu verteidigen.

UZ: Wird es eine größere Beteiligung linker AktivistInnen und Organisationen aus anderen europäischen Ländern an Blockupy geben?

Mischa Aschmoneit: Ja, davon gehe ich aus. Seit Monaten arbeiten wir eng in der Vorbereitung mit Freundinnen, Freunden, Genossinnen und Genossen aus zahlreichen Ländern zusammen, wir werden sicherlich über tausend internationale AktivistInnen zu begrüßen haben. Es gibt mit Ausnahme der anstehenden G7-Proteste in Bayern derzeit kein vergleichbares internationalistisches Projekt in Deutschland - deshalb wird es besonders interessant sein, zu sehen, wie stark sich die deutsche Linke beteiligt.

UZ: Sehen Sie Möglichkeiten, die Zusammenarbeit mit Antikapitalisten aus den anderen Ländern zu verstärken und auszubauen?

Mischa Aschmoneit: Blockupy ist Teil eines europaweiten Netzwerks vielfältiger Bewegungen, Gewerkschaften, Parteien und Flüchtlingsinitiativen aus Italien, Spanien, Griechenland, Belgien, den Niederlanden, Dänemark, Frankreich und anderen Ländern, die Widerstand gegen das europäische Krisenregime leisten. Die Zusammenarbeit intensiviert sich seit Jahren, das ist gut. Zugleich hinkt die Linke in Deutschland den Bewegungen in anderen Ländern hinterher. Zwar gibt es mit der Linkspartei eine parlamentarisch gut aufgestellte Struktur, das macht sich jedoch nur selten in einer außerparlamentarischen Dynamik bemerkbar. Und auch die Kräfte links von der Linkspartei sind nicht so aufgestellt, dass sie die in der Bevölkerung derzeit eben grade nicht spontan entstehenden sozialen Kämpfe initiieren könnten.

UZ: Und wie soll es mit Blockupy nach dem Aktionstag am 18. März weitergehen?

Mischa Aschmoneit: Das werden wir nach dem 18. März entscheiden. Wir haben als Bündnis über Jahre hinweg gut und handlungsorientiert zusammengearbeitet. Wir haben auf Kongressen kontrovers debattiert, wir haben erfolgreiche Aktionen gemacht, wir haben gemeinsam der Repression getrotzt und uns nicht spalten lassen - das alles ist sehr viel wert! Darauf wollen und können wir aufbauen, denn der Kampf geht ja weiter, für die Sache, die so einfach, aber schwer zu machen ist.

UZ: Sie sehen also optimistisch in die Zukunft?

Mischa Aschmoneit: Naja. Ich sehe Möglichkeiten für unseren Widerstand, das ist weit weg von der eigentlich notwendigen Offensive. In Deutschland befinden wir uns weiterhin in der Phase der langanhaltenden Defensive. Um da rauszukommen, bedarf es nicht nur der schlauen Papiere, sondern der konkreten Tätigkeit der Linken. Dazu gehört die alltägliche Kleinarbeit im Betrieb, im Wohnviertel, in den (Hoch-)Schulen - aber auch die Leuchtturmaktionen, beispielsweise eben Blockupy. Dort schimmert - ähnlich wie bei einem Streik - für einen kurzen Moment auf, dass wir gar nicht so ganz wenige und so ganz hilflos sind. Wer die oftmals apathische Stimmung im Land, nicht zuletzt bei der Klasse der Lohnabhängigen ändern will, muss den Nachweis bringen, dass er über einen Vorschlag für einen gangbaren Ausweg aus der bestehenden Misere verfügt. Lenin schreibt dazu: "Es genügt nicht, sich 'Avantgarde', Vortrupp zu nennen - man muss auch so handeln, dass alle übrigen Trupps erkennen und gezwungen sind anzuerkennen, dass wir an der Spitze marschieren. Und wir fragen den Leser: Sind denn die Vertreter der übrigen 'Trupps' solche Dummköpfe, dass sie uns die 'Avantgarde' aufs Wort glauben?" (Lenin, "Was tun?")

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 47. Jahrgang, Nr. 7 vom 13. Februar 2015, Seite 9
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2015

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