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FRAGEN/046: David Swanson - Große Pläne für eine beispiellose Friedensbewegung seit acht Jahren (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

David Swanson: Große Pläne für eine beispiellose Friedensbewegung seit acht Jahren

Von Anna Polo, 28. November 2016



Foto: By Frank Schulenburg (Own work) [CC0], via Wikimedia Commons [https://creativecommons.org/share-your-work/public-domain/cc0/]

Plakat mit dem Aufruf zu einer Anti-Trump-Demonstration. Mission District, San Francisco, in der Woche nach der Präsidentenwahl.
Foto: By Frank Schulenburg (Own work) [CC0], via Wikimedia Commons
[https://creativecommons.org/share-your-work/public-domain/cc0/]

Anna Polo: Was halten Sie von den Protesten, die in den Vereinigten Staaten nach der Wahl von Donald Trump zunehmen?

David Swanson: Ich habe gemischte Gefühle.

Ein paar Dutzend junger Menschen marschierten am Samstagabend in der Innenstadt von Charlottesville, Virginia, auf und ab und schrien: "Liebe statt Hass!" und "Kein Mensch ist illegal!" und "Das Leben von Schwarzen zählt!" und ähnliche gegen Trump gerichtete Parolen. Weder verteilten sie Flyer, noch interagierten sie mit anderen Menschen, doch ich jubelte ihnen zu.

Inzwischen guckten sich einige Leute in meinem Alter das Ganze an und gaben verächtliche, herablassende Kommentare dahingehend ab, dass die Wahl nun vorbei wäre und diese Dummköpfe darüber hinwegkommen sollten. Und ein betrunkener Mann, zurückgehalten von seiner Frau oder Freundin, verkündete: "Das Leben von Schwarzen ist einen Sch... wert!"

Meine Antwort ist anders, wenn auch vielleicht genauso zynisch. Ich wünsche mir, dass alle Idioten, die nicht marschieren und protestieren, erkennen, dass der Traum von der Selbstregierung vorüber ist, und dass sie darüber hinwegkommen. Ich wünschte, dass sie alle schon letzten Monat oder im vergangenen Jahr oder im letzten Jahrzehnt über diesen Traum hinweggekommen wären.

Ich mag es, wenn Leute aufmarschieren und dabei "Liebe statt Hass!" schreien. Und die Tatsache, dass sich jemand dieser Aussage widersetzt, sollte auch den apathischsten Wähler / Konsumenten / Zuschauer zutiefst aufwühlen. Tatsächlich habe ich gerade dazu beigetragen, eine Petition zu verfassen, die lautet: "Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie Hass und Gewalt durch unseren designierten Präsidenten gefördert werden. Rassismus und Intoleranz in unserem Land wurden durch Kriege angeheizt, die die USA im Ausland führen, machen es aber auch leichter, noch mehr solcher Kriege zu beginnen. Wir verpflichten uns, gewaltlos gegen hasserfüllte Angriffe auf unsere Mitmenschen, wo auch immer sie leben, vorzugehen."

Ich liebe auch den neuen Trend des Tragens einer Sicherheitsnadel, den ich selbst praktiziere, um jedem, der sich über irgendeine Form von Intoleranz Sorgen machen könnte, anzuzeigen, dass man eine ungefährliche und fürsorgliche Person ist.

Aber hier werde ich ein bisschen zynisch. Hillary Clinton erzählte einem Raum voller Goldman Sachs-Banker, dass die Schaffung einer Flugverbotszone in Syrien den Tod vieler Syrer erfordern würde. Und sie erzählte der Öffentlichkeit, sie wolle diese Flugverbotszone schaffen. Und wenn sie zur Siegerin der Wahl erklärt worden wäre, kann ich Ihnen garantieren, dass niemand in meiner Straße auf und ab gegangen wäre und "Liebe statt Hass" geschrien hätte.

Ich mache mir also Sorgen, dass auch diejenigen, die Wert auf Freundlichkeit gegenüber anderen legen, dies nur für die 4 % der Menschheit in den Vereinigten Staaten tun, aber nicht so sehr für die restlichen 96 %. Oder sie schätzen Freundlichkeit nur insoweit, wie es die weniger hetzerische der beiden großen politischen Parteien vorschreibt.

Bürgermeister von mehreren Großstädten wie New York und Seattle haben erklärt, dass sie Trumps Versprechen, Millionen von Einwanderern ohne Papiere zu deportieren, nicht unterstützen werden, und Netzwerke gegen Deportation erscheinen auf der Bildfläche. Was kann getan werden, um diesen Widerstand gegen Rassismus und Diskriminierung zu verstärken und alle zu schützen (Einwanderer, Muslime, LGBTQ-Menschen, Frauen, etc.), die von der neuen Regierung verfolgt werden könnten?

Das ist ermutigend, auch wenn ich die gleichen gemischten Gefühle in Bezug auf Parteilichkeit habe. Wir brauchen auch die Medien. Einige Top-Fernsehnachrichtenleser und Medienbetreiber haben offen gesagt, dass sie denken, Trump sei schlecht für die Welt, aber gut für die Einschaltquoten.

Wir müssen auch herausfinden, welche Möglichkeiten Nichtmuslime haben, Muslime zu unterstützen. Als ich vorgeschlagen habe, dass wir uns alle als Muslime registrieren, um das System zu überlasten, haben die Muslime behauptet, ich würde ihre Religion beleidigen - was natürlich nicht meine Absicht war.

Zufluchtsorte bieten, gegen Missbrauch protestieren, Allianzen bilden: Wir müssen sehr öffentlich und sehr klar darüber sein.

Glauben Sie, dass diese schockierende Situation das Wachstum einer echten progressiven Bewegung unterstützen könnte?

Ja, das hat es bereits. Obwohl das natürlich und vollkommen offensichtlich NICHT bedeutet, man hätte sich das freiwillig ausgesucht, muss man dies aber doch noch einmal betonen. Aber jetzt, wo es soweit ist, gibt es Grund zu hoffen. Die Menschen in Vicenza und Napoli und Sardinien und Sizilien und Roma und Aviano sollten verstehen, dass die US- und NATO-Stützpunkte ein Zeichen für Donald Trumps Verachtung ihnen gegenüber sind. Vertreiben Sie diese Stützpunkte Ihrer Selbstachtung zuliebe und zum Wohle von uns allen! Hier in den USA werden seit dem Tag nach der Wahl große Pläne für eine Friedensbewegung geschmiedet, wie es seit acht Jahren keine gab.


Übersetzung aus dem Englischen von Christelle Tchana und lektoriert von Marietta Winkler von Mohrenfels [1] via Trommons [2]


Anmerkungen:
[1] https://trommons.org/15876/profile/
[2] https://trommons.org/


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Johanna Heuveling
E-Mail: johanna.heuveling@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2016

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