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INTERNATIONAL/002: Jemen - Protestbewegung bereichert Straßenverkäufer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. März 2011

Jemen:
'Friedenstee' auf Platz des Wandels - Protestbewegung bereichert Straßenverkäufer

Von Yazeed Kamaldien


Sanaa, 22. März (IPS) - Auf dem Vorplatz der Universität in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa finden Popcorn, Erdnüsse, Poster, Tee und Flaggen reißenden Absatz. Hier, am 'Hauptquartier' der Massenbewegung, die den Rücktritt von Staatspräsident Ali Abdullah Saleh fordert, geht's nicht nur um Politik, sondern auch ums Geschäft.

Besonders augenfällig sind die vielen fliegenden Händler, die nach Ausbruch der Unruhen Ende Januar rasch zur Stelle waren, um die Demonstranten zu versorgen. Der 13-jährige Gassiem al-Shi'ri verkauft Sticker, auf denen die Staatsflagge abgebildet ist. Die Jemeniten mögen zwar mit ihren politischen Entscheidungsträgern unzufrieden sein. Doch das bedeutet nicht, dass sie für das Land selbst nichts mehr übrig haben.

"Ich komme seit dem Ausbruch der Proteste her und verdiene am Tag zwischen 1.000 und 2.000 Jemenitische Rial (vier bis acht US-Dollar)", gibt der Junge bereitwillig Auskunft. Das ist ein anständiger Tagesverdienst im ärmsten der arabischen Länder. 40 Prozent der 24 Millionen Jemeniten leben in Armut. Auch das soll sich ändern, wenn sich die Hoffnungen der Demonstranten erfüllen und Saleh nach 32 Jahren von der Macht verschwindet. "So Gott will, wird der Präsident das Land verlassen", antwortet Shi'ri auf die Frage, zu was die Proteste führen sollen.

Auch andere Händler sind auf dem 'Platz des Wandels', um ihre Waren an die Demonstranten zu bringen. Einige verkaufen jemenitische Flaggen in allen Größen und Formaten, andere Papierbögen mit Anti-Saleh-Sprüchen. Doch der absolute Bestseller ist Tee. Jemeniten lieben die Kombination aus Tee und Gesprächen. Diese Vorliebe hat sich ein kluger Geschäftsmann zunutze gemacht, der seinen Kunden mit der Marke 'Friedenstee' den Mund wässrig macht.


Flexibilität zahlt sich aus

Khaled Khaderi hat für den Teestand sogar seinen Schuhladen geschlossen. "Das ist der Geschmack der Freiheit", sagt er jedes Mal, wenn er die gefüllten Becher an seine Kunden weiterreicht. Der Ausstieg aus dem Schuhgeschäft hat sich offenbar gelohnt. "Die Leute kommen nicht hierher, um Kleidung und Schuhwerk zu kaufen", sagt er pragmatisch. "Sie wollen Tee."

Doch auch Ahmed Saleh ist ein gefragter Mann. Er repartiert Schuhe und verdient nach eigenen Angaben deutlich mehr als vor den Protesten. Najeeb al-Badri und Shayf Bin Ali konnten ihre Einkünfte ebenfalls steigern. Sie verkaufen das Rauschmittel Khat, das sich im Jemen großer Beliebtheit erfreut.

Doch den größten Reibach macht Dhayfallah al-Sirma. Er hat seinen Popcornwagen aus der Altstadt von Sanaa auf den Platz des Wandels geschoben. Jede Tüte geht für umgerechnet 20 US-Cent weg. Seine Einnahmen, bestätigt er, sind um 80 Prozent gestiegen. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2011