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MELDUNG/412: Friedensbewegung zieht positive Bilanz der Ostermärsche (Friedensratschlag)


Bundesausschusses Friedensratschlag - Pressemitteilung vom 21. April 2014

Talsohle durchschritten:
Friedensbewegung zieht positive Bilanz der Ostermärsche

- Ukraine im Mittelpunkt - Aber viele andere Themen auf der Agenda
- Mehr Ostermärsche als in den vergangenen Jahren



Kassel, 21. April 2014 - Zum Abschluss der diesjährigen Ostermärsche zog der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag eine erste Bilanz:

Wochenlang wurde die Friedensbewegung von Medienvertretern mit der Frage konfrontiert: Wo bleibt denn die Friedensbewegung in der Ukraine Frage? Was sagt sie denn zu der Annexion der Krim? Wo ist denn ihre Kritik an Russland?

Und immer dann, wenn die Friedensbewegung sich dazu äußerte, Kommentare abgab oder ausführlichere Stellungnahmen veröffentlichte, wurden sie entweder gar nicht zur Kenntnis genommen oder es tauchten individuelle Äußerungen in Leserbriefen oder Blogs auf.

Die Ostermärsche 2014 legten beredt Zeugnis davon ab, dass die Friedensbewegung zur Ukraine etwas zu sagen hat und darüber hinaus noch jede Menge gute Vorschläge zu anderen Themen hat.

Wir haben bei über 80 Ostermärschen, die durch ca. 100 Orte führten, mehr als 230 Redebeiträge gezählt, die sich mit der Agenda der Friedenbewegung befasst haben. Zur Ukraine ist das Fazit im Detail durchaus bunt, in der zentralen Aussage aber eindeutig: Der Hauptverursacher der politischen und militärischen Krise in und um Ukraine ist nicht Russland, sondern der Westen. Die EU-Osterweiterung und das Heranrücken der NATO an die russischen Grenzen konnten nicht unbeantwortet bleiben. Ein Land, das sich militärisch umzingelt wähnt, muss Gegenmaßnahmen ergreifen - zumal wenn dessen Einkreisung den vom Westen gegebenen Garantien nach dem Ende der Blockkonfrontation eklatant widerspricht. Man muss nicht russophil oder ein Freund Putins sein, um zu dem Schluss zu kommen, dass es besser ist, "ein Russlandversteher zu sein als ein Kriegsflüsterer", wie es Peter Strutynski auf der Schlusskundgebung in Nürnberg am Ostermontag ausdrückte.

Im Übrigen lag den Ostermärschen eine gemeinsame Stellungnahme des "Bundesausschusses Friedensratschlag" und der "Kooperation für den Frieden", den beiden großen Netzwerken der deutschen Friedensbewegung, vor, worin der differenzierte Standpunkt der Friedensbewegung zum Ausdruck gebracht wurde. Er wurde an vielen Orten verlesen oder als Erklärung verteilt und stieß auf allgemeine Zustimmung der Ostermarschierer.

Ein anderes Thema der Ostermärsche waren die Auslandseinsätze. Es gibt weder in der Bevölkerung (das zeigen zahlreiche Umfragen) noch in der Friedensbewegung irgendein Verständnis für Bundeswehreinsätze - sei's in Afghanistan, sei's in Afrika -, noch gibt es Verständnis für die Bereitschaft der Bundesregierung und des Bundespräsidenten, "mehr militärische Verantwortung in der Welt" wahrzunehmen. Dem vor 20 Jahren gestarteten 100-Miliarden-Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung zeigte die Friedensbewegung genauso die rote Karte wie den politisch und ethisch inakzeptablen Rüstungsexporten. Lühr Henken [1] (Bundesausschuss Friedensratschlag) forderte am Ostermontag bei der Schlusskundgebung in Hamburg: "Rüstungsexporte steigern die Kriegsgefahr. Rüstungsexporte müssen verboten werden!"

Vor den Rüstungsexporten steht die Rüstungsproduktion. Anne Rieger [2], ehem. Bevollmächtigte der IG Metall, sprach auf der Schlusskundgebung in Kassel und forderte - sozusagen im Angesicht der in dieser Stadt ansässigen Panzerschmieden Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall - die "Konversion" der Rüstungsindustrie, d.h. die Umwandlung der Rüstungsproduktion in die Herstellung ziviler Güter. Das für die Umrüstung erforderliche Geld müsse "aus den Rüstungshaushalten abgezweigt werden".

Ein besonderer Skandal war Thema auf der Kundgebung am US-Atomaffenstandort Büchel, dem letzten Atomwaffenstützpunkt auf deutschem Boden. Der Jurist Bernd Hahnfeld [3] machte in seiner Rede eindringlich darauf aufmerksam, dass die Bundesrepublik "laut Atomwaffensperrvertrag verpflichtet" sei, "ihre Atomwaffen vollständig abzurüsten". Sie tut das aber nicht, sondern duldet die US-Atomwaffen gegen jegliche Rechtsgrundlage. Es liegt an uns, ob die US-Regierung nicht doch gezwungen werden kann, ihre Atomwaffen "umgehend und endgültig aus Deutschland abzutransportieren".

Großen Raum nahm bei den Ostermärschen die durchgesickerte Absicht des Verteidigungsministeriums ein, Killerdrohnen für die Bundeswehr anzuschaffen. Damit würde eine neue Rüstungsspirale in Gang gesetzt, die Schwelle zur Kriegführung gesenkt, der Anreiz zu "extralegalen Tötungen" erhöht und der weiteren Automatisierung der Kriegführung Vorschub geleistet. Die Friedensbewegung hat bei allen Ostermärschen für ihren Appell gegen Kampfdrohnen Unterschriften gesammelt.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag bewertet die diesjährigen Ostermärsche - ungeachtet einer detaillierten Auswertung durch das zentrale Ostermarschbüro in Frankfurt a.M. - als wichtigen Schritt nach vorn. Zwar seien keine spektakulären Zuwächse bei den Teilnehmerzahlen zu verzeichnen. Feststellbar seien aber eine leichte Zunahme in den traditionellen Ostermarsch-Orten sowie die Wiederbelebung von Ostermärschen in Städten, die seit Jahren keine eigenen Aktionen mehr durchgeführt haben (z.B. Fulda und Marburg). "Die Talsohle, in der sich die Friedensbewegung befand, ist überschritten", lautet das Fazit aus Kassel.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)


Anmerkungen:
[1] http://www.ag-friedensforschung.de/bewegung1/ostermarsch2014/henken.html
[2] http://www.ag-friedensforschung.de/bewegung1/ostermarsch2014/rieger.html
[3] http://www.ag-friedensforschung.de/bewegung1/ostermarsch2014/hahnfeld.html

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Quelle:
Pressemitteilung vom 21. April 2014
AG Friedensforschung und Bundesausschuss Friedensratschlag
Germaniastr. 14, 34119 Kassel
Telefon: (0561) 93717974
E-Mail: Bundesausschuss.Friedensratschlag@gmx.net
Internet: www.ag-friedensforschung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2014