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MUMIA/798: Ein überraschender Erfolg (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 06.01.2017

Etappensieg für Mumia Abu-Jamal:
Richter ordnet Behandlung von Hepatitis-C-Infektion an

Von Jürgen Heiser


In den USA hat der politische Gefangene Mumia Abu-Jamal im juristischen Kampf um seine dringend notwendige medizinische Behandlung einen wichtigen Etappensieg errungen. Wie Rechtsanwalt Bret Grote vom »Abolitionist Law Center« in Pittsburgh am Dienstag abend mitteilte, hat Bundesbezirksrichter Robert Mariani im Klageverfahren Abu-Jamals gegen die Gefängnisbehörde von Pennsylvania eine einstweilige Verfügung erlassen. Dadurch werde die Behörde angewiesen, Abu-Jamal »innerhalb von 21 Tagen die unmittelbar wirkenden antiviralen Medikamente« gegen seine Hepatitis-C-Infektion verabreichen zu lassen, so Grote. Diese Medikamente weisen eine Heilungsrate von 95 Prozent aus, werden erkrankten Häftlingen bislang aber nur verabreicht, wenn sie sich in einem lebensbedrohlichen Zustand befinden. Grund sind die hohen Kosten der Therapie, die der Staat Pennsylvania nicht tragen will.

Bereits während der gerichtlichen Anhörung im Dezember 2015 hatte sich nach Angaben des Anwalts gezeigt, dass sein Mandant seit 18 Monaten unter einer »chronischen Hepatitis-C-Infektion leidet, die schrittweise seine Leber angreift und einen juckenden und schmerzhaften Hautausschlag erzeugt«. Richter Marianis Bescheid wurde für den Kläger Abu-Jamal nun aber erst im zweiten Anlauf zum Erfolg, da der erste Antrag Ende August 2016 aus formalen Gründen abgelehnt worden war. Der nunmehr anderthalb Jahre dauernde Rechtsstreit endete am Dienstag somit mit einem überraschenden Sieg.

jW-Kolumnist Abu-Jamal zeigte sich am Mittwoch in einem Telefongespräch mit Noelle Hanrahan von Prison Radio hoch erfreut über die Entscheidung Marianis. Sie passe dem Staat Pennsylvania nicht, weil so öffentlich werde, »dass sie die medizinische Versorgung von Gefangenen verfassungswidrig praktizieren«. Hanrahan erklärte ihrerseits, nach Abu-Jamals »Krankenhausaufenthalt wegen Lebensgefahr und seiner qualvollen chronischen Erkrankung« hätten sich die Anwälte Bret Grote und Robert Boyle sowie Tausende Aktivisten nun »Seite an Seite mit Mumia« durchgesetzt. Dies sei auch ein Erfolg der internationalen Solidaritätsbewegung. Vor beinahe zwei Jahren, als Mumia einen diabetischen Schock erlitt und in Lebensgefahr schwebte, habe diese Bewegung durch eine Vielzahl von Telefonanrufen bei den Verantwortlichen und durch die Verbreitung von Aktionsaufrufen, einen »kontinuierlichen Kampf um Mumias Leben, die Stabilisierung seiner Gesundheit und für seine medizinische Behandlung«, geführt, so Hanrahan.

Abu-Jamals Anwalt, Robert J. Bo, erklärte indes in einem Schreiben am Dienstag abend, er und sein Kollegen Grote seien dem Richter Mariani für seine Entscheidung dankbar, da die Behandlung ihres Mandanten nun »ohne weiteren Verzug« beginnen könne. Grote ergänzte, dies sei »der erste Fall im Land, in dem eine Bundesgericht die Gefängnisbehörde anweist, einem inhaftierten Patienten mit der neuen Medikation zu versorgen, die 2013 auf den Markt kam«.

Eine einstweilige Anordnung bei Gericht durchzusetzen, sei ein »höchst komplexes Unterfangen«, da vom Kläger der Nachweis erbracht werden müsse, dass der ausbleibende Vollzug einer Anordnung »irreversible Schäden« zur Folge hätte, so Grote. Deshalb sei der Erlass durch Richter Mariani »ein gewaltiger Sieg«. Er ebne nun den Weg für alle Inhaftierten in Pennsylvania, die sich um eine Hepatitis-C-Behandlung bemühen. 5.400 Gefangene sind allein in diesem US-Bundesstaat mit chronischer Hepatitis C infiziert, von denen laut Grote »mehr als 99 Prozent« keine Behandlung erhalten.

Laut des Philadelphia Inquirer äußerte Susan McNaughton, Sprecherin der Gefängnisbehörde, zu der für ihr Amt nachteiligen Gerichtsentscheidung, man sei dabei, diese zu prüfen, könne sie aber nicht weiter kommentieren. Da seitens der Behörde ein juristischer Einspruch als sicher gilt, appellierte Noelle Hanrahan am Mittwoch, dass es nun mehr den je notwendig sei, den Druck auf die Verantwortlichen zu erhöhen. Dabei zitierte sie Anwalt Boyle mit den Worten: der Kampf sei »noch lange nicht vorbei!«

https://www.jungewelt.de/2017/01-06/025.php

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Quelle:
junge Welt vom 06.01.2017, Seite 6
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2017

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