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APPELL/045: Die Flüchtlinge aus Idomeni jetzt in Europa aufnehmen! (Grundrechtekomitee)


Komitee für Grundrechte und Demokratie - 23. März 2016

Die Flüchtlinge aus Idomeni jetzt in Europa aufnehmen!

Appell an die Bundesregierung


Mit diesem öffentlichen Appell fordert das Komitee für Grundrechte und Demokratie von der Bundesregierung, sofort eine europaweite Initiative für die Flüchtlinge in Idomeni zu starten, damit diese in Europa aufgenommen werden können. Die Flüchtlinge, die unter erbärmlichen Bedingungen vor der mazedonischen Grenze hausen, müssen nach Deutschland oder ein europäisches Land ihrer Wahl gebracht werden! Alle diese Menschen auf der Flucht sind in dem menschenrechtswidrigen Deal der EU mit der Türkei zur künftigen Flüchtlingsabwehr übergangen worden, obwohl sie aktuell zu den Notleidendsten gehören. Man lässt sie europäisch in Idomeni im Dreck stecken. Sie flohen vor westlich mitverursachten Kriegen sowie sozialen Verwerfungen und harren nun unter menschenunwürdigen Umständen vor europäischen Grenzzäunen aus.

Der neue eiserne Stacheldrahtvorhang um Europa ist eine Schande. Er widerlegt alle Sonntagsreden über europäische Werte. Der Abschottungspakt der EU mit der Türkei zur militarisierten Flüchtlingsabwehr ist an Zynismus nicht zu überbieten: Nur wenn ein Flüchtling sein Leben in der NATO-bewachten Ägäis riskiert und es bis Griechenland schafft, darf ein anderer Flüchtling das schon früher zugesagte Aufnahme-Kontingent in Anspruch nehmen. Eine solche Abmachung wird gewöhnlich als "Menschenhandel" bezeichnet. Und selbst das gilt nur für Flüchtlinge aus Syrien. Alle anderen vor Krieg und Not Fliehenden werden vor den geschlossenen Grenzen Europas festgesetzt und in bewachten Lagern interniert.

Die türkische Regierung wird mit 6 Milliarden Euro gefügig gemacht, um die Flüchtlinge von EU-Europa zurückzuhalten. Dabei lässt die türkische Regierung selbst Flüchtlinge menschenrechtswidrig zurückschieben, wehrt Flüchtlinge unter Waffeneinsatz an der Grenze ab, trägt selbst zu Fluchtursachen durch Verfolgung und Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung bei. Die türkische Regierung hat die Genfer Flüchtlingskonvention nur eingeschränkt anerkannt. Unter solchen Umständen zwingt Europa Griechenland, die Türkei als "sicheren Drittstaat" anzuerkennen. Das individuell geltende Menschenrecht auf Asyl wird damit abgeschafft. Schnellverfahren an den Außengrenzen sind kein Ersatz für eine individuelle und faire Überprüfung eines Asylgesuchs.

Die Schutzsuchenden werden sich neue Wege suchen. Und so wird das Sterben im Mittelmeer weitergehen, während die EU-Regierungen zuschauen und sich militärisch weiter abschotten. Wir brauchen eine ganz andere Flüchtlingspolitik. Wenn Europa noch glaubwürdig von Menschenrechten reden will, muss es jetzt legale Fluchtwege für alle Flüchtlinge öffnen. Ein sich selbst einzäunendes Europa ist nicht unser Europa.

Wir fordern die Bundesregierung auf, die Flüchtlinge aus Idomeni jetzt passieren zu lassen und in Europa aufzunehmen. Ansonsten bliebe die Willkommenskultur nur eine leere Worthülse. Im Falle von Krieg, Verfolgung und Flucht verbietet es sich, über Obergrenzen zu debattieren. Wenigstens das sollten wir aus der deutschen Geschichte gelernt haben. Daran erinnert zumindest die Konferenz von Évian 1938.

Martin Singe, Komitee für Grundrechte und Demokratie

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Quelle:
Komitee für Grundrechte und Demokratie
Aquinostr. 7 -11, 50670 Köln
Telefon 0221 97269 -30; Fax -31
E-Mail: info@grundrechtekomitee.de
Internet: www.grundrechtekomitee.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. März 2016

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