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OFFENER BRIEF/044: Friedensorganisationen rufen SPD auf, Modernisierung von Atomwaffen abzulehnen (IPPNW)


IPPNW-Pressemitteilung vom 16. Juni 2014
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland

Friedensorganisationen rufen SPD auf, Modernisierung von Atomwaffen abzulehnen

Offener Brief an den SPD-Fraktionsvorstand



Die deutsche IPPNW-Sektion, die Kampagnen "atomwaffenfrei.jetzt", ICAN und "Atomwaffen - ein Bombengeschäft" sowie das Netzwerk "Kooperation für den Frieden" haben heute einen offenen Brief an den SPD-Fraktionsvorstand veröffentlicht. Darin wird die SPD aufgerufen, "dezidiert Stellung zu beziehen gegen die Stationierung neuer Atombomben in Deutschland".

Am 27. Mai 2014 zitierte die Rheinische Post die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Laut Plenarprotokoll vom 2. April 2014 erklärte der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe, dass die Bundesregierung keine Verhandlungen führt über das Modernisierungsvorhaben der US-Atombomben, die in Deutschland im Rahmen der technischen nuklearen Teilhabe der NATO stationiert sind. Die Bundesregierung vertritt die Ansicht, die Entscheidung über die Modernisierung sei allein Sache der US-Regierung.

Die AutorInnen des Briefes halten dagegen: "In unseren Augen darf diese Entscheidung nicht nur von der US-Regierung gefällt werden. Die Bundesregierung muss dieser Stationierung zustimmen oder sie ablehnen. Wegen der politischen Brisanz einer Zustimmung, die gegen den mehrheitlichen Willen der deutschen Bevölkerung verstößt, sollte mindestens der Bundestag zu dieser Frage konsultiert werden."

Der US-Kongressabgeordnete Mike Quigley aus Illinois hat am 10. Juni 2014 die NATO-Bündnispartner aufgerufen, sich an den Kosten von ca. 100 Millionen US-Dollar für die Erhaltung der Atombomben in Europa zu beteiligen. "Es sollte nicht von US-amerikanischen Steuerzahlern erwartet werden, dass sie die komplette Rechnung für ein Atomwaffenarsenal in Europa übernehmen, das aufgebaut wurde zur Führung eines Kalten Kriegs, den es nicht mehr gibt", (American taxpayers shouldn?t be expected to pay the entire bill for a nuclear weapon arsenal in Europe designed to fight a Cold War that no longer exists) sagt Quigley. Er argumentiert allerdings darüber hinaus, dass die Atombomben ohnehin keinen militärischen Zweck mehr erfüllen.

Xanthe Hall, Abrüstungsreferentin der IPPNW und Sprecherin der Kampagne "atomwaffenfrei.jetzt", sagt: "Die zwiespältige Haltung der Bundesregierung zu den letzten 20 Atomwaffen in Büchel ist inakzeptabel. Mal ist sie für den Abzug, mal lässt sie neue, verbesserte Atombomben zu. Wir erwarten von der SPD, dass ihr explizites Eintreten für die Abrüstung in der Vergangenheit zu einer klaren Ablehnung einer Modernisierung dieser Bomben und ihrer künftigen Stationierung führt."

Im November 2012 hatte die SPD-Bundesfraktion einen Antrag an den Bundestag gestellt, in dem sie die Bundesregierung aufrief, sich "verstärkt und intensiv" für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland und Europa einzusetzen, sowie "deutlich klar zu stellen, dass die Bundesregierung gegen die Stationierung modernisierter B61 in Deutschland und Europa ist".

Antrag der SPD-Fraktion "Keine Modernisierung der US-Nuklearwaffen in Europa und Deutschland" 17/11323:
dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/113/1711323.pdf

Offener Brief an den SPD-Fraktionsvorstand siehe unten und:
www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomwaffen/2014_Fraktionsvorstand_SPD.pdf

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Offener Brief

An den Fraktionsvorstand der SPD
z.Hd. Herrn Dr. Rolf Mützenich,
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender
SPD-Bundestagsfraktion
Platz der Republik 1
11011 Berlin

16.06.2014

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Rheinische Post zitiert in ihrem Artikel "Neue Atomwaffen in Deutschland" vom 27.05.2014 die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Laut Plenarprotokoll vom 2.4.2014 erklärte der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe, dass die Bundesregierung keine Verhandlungen führt über das Modernisierungsvorhaben der US-Atombomben, die in Deutschland im Rahmen der technischen nuklearen Teilhabe der NATO stationiert sind. Heute appellieren wir an Sie als Mitglied des Fraktionsvorstands einer der regierenden Parteien, dezidiert Stellung gegen die Stationierung neuer Atombomben in Deutschland zu beziehen.

Die Bundesregierung vertritt die Ansicht, dass die Modernisierung der B61-Atombombe der "Sicherheit und Zuverlässigkeit" diene, ohne neue militärische Fähigkeiten zu erhalten. Die Federation of American Scientists und das BITS haben wiederholt Belege publiziert, die diesen Aussagen widersprechen. Da die B61-12 eine digitale, lenkbare Präzisionswaffe werden soll - mit Gesamtkosten von ca. 11 Milliarden US-Dollar - werden die USA Atomwaffen mit neuen Fähigkeiten in Deutschland stationieren, wenn sich die Bundesregierung dem nicht entgegen stellt.

In unseren Augen darf diese Entscheidung nicht nur von der US-Regierung gefällt werden. Die Bundesregierung muss der Stationierung einer qualitativ neuen Waffe zustimmen oder sie ablehnen. Wegen der politischen Brisanz einer Zustimmung, die gegen den mehrheitlichen Willen der deutschen Bevölkerung verstößt, sollte mindestens der Bundestag zu dieser Frage konsultiert werden.

Die SPD-Fraktion hat sich in den letzten Jahren explizit für atomare Abrüstung ausgesprochen, eine Zielsetzung, die auch in der Ablehnung einer Modernisierung der B61-Atombomben zum Ausdruck kam. Wir unterstützen diese Haltung ausdrücklich.

Unsere Fragen an Sie:

  • Würde die SPD in der Regierung und im Bundestag der Stationierung einer neuen modernisierten Atombombe in Deutschland zustimmen?
  • Bei einer eventuellen Zustimmung: wie würden Sie diese rechtfertigen?

Wir würden uns über eine baldige Antwort freuen und verbleiben mit freundlichen Grüßen

Roland Blach
Geschäftsführer DFG-VK, Koordinator der Kampagne "atomwaffenfrei.jetzt

Dr. Matthias-W. Engelke
Pfarrer, Vorsitzender des deutschen Zweiges des Internationalen Versöhnungsbundes

Susanne Grabenhorst
Vorsitzende der deutschen IPPNW

Xanthe Hall
Abrüstungsreferentin der deutschen IPPNW, Sprecherin der Kampagne "atomwaffenfrei.jetzt

Philipp Ingenleuf
Netzwerk Friedenskooperative, Koordinator der Kampagne "Atomwaffen - ein Bombengeschäft und Sprecher der Kooperation für den Frieden

Sascha Hach
Sprecher der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) Deutschland

Kampagnenrat "atomwaffenfrei.jetzt"
Roland Blach, Koordinator
Werastr. 10, 70182 Stuttgart


Die IPPNW ist eine berufsbezogene, friedenspolitische Organisation, die 1981 von einer Gruppe von Ärzten aus den USA und Russland gegründet wurde. Ihre Überzeugung: Als Arzt hat man eine besondere Verpfl ichtung zu sozialer Verantwortung. Daraus entstand eine weltweite Bewegung, die 1984 den UNESCO-Friedenspreis und 1985 den Friedensnobelpreis erhielt. Heute setzen sich Mediziner und Medizinerinnen der IPPNW in über 60 Ländern auf allen fünf Kontinenten für eine friedliche, atomtechnologiefreie und menschenwürdige Welt ein.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 16. Juni 2014
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel. 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2014