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OFFENER BRIEF/107: An Bremische Bundestags-Abgeordnete - Widersetzen Sie sich dem Kauf von 45 F-18-Jets (Bremer Friedensforum)


Bremer Friedensforum - Presseinformation 5. Mai 2020

Offener Brief an Bremische Bundestags-Abgeordnete:

Widersetzen Sie sich dem Kauf von 45 F-18-Jets


Bremen. Im Auftrag des Bremer Friedensforums, der IALANA Bremen, der IPPNW Bremen, der DFG-VK Bremen und für #aufstehen Bremen hat der Bremer Anwalt Volkert Ohm einen Offenen Brief an die Bremischen Bundestagsabgeordneten Achelwilm, Ryglewski, Schmidt, Motschmann, Kappert-Gonther und Magnitz geschickt.

In diesem Schreiben werden die Abgeordneten gebeten, sich dem Kauf von 45 F-18-Jets für die nukleare Teilhabe im Rahmen künftiger Haushaltsberatungen zu widersetzen, im Bundestag erneut auf eine Umsetzung des Beschlusses vom 23. März 2010 zum Abzug der US-Atomwaffen von deutschem Boden zu drängen und sich in ihrer Fraktion und auch interfraktionell für einen Beitritt Deutschlands zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag einzusetzen.

Die Bremer Organisationen sehen ihren Brief als Unterstützung für die bereits von ICAN (Friedensnobelpreis 2017) eingeleiteten Aktivitäten wegen der geplanten Bomberbeschaffung.


Offener Brief an die Bremischen Bundestagsabgeordneten

Bremer Friedensforum
IALANA-Bremen, International Association of Lawyers Against Nuclear Arms - Deutsche Sektion - Vereinigung für Friedensrecht
IPPNW Gruppe Bremen - Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges
DFG-VK Bremen
aufstehen Bremen

Bremen, den 03.05.2020

Sehr geehrte Damen und Herren

Vor 10 Jahren diskutierte der Bundestag intensiv über die "nukleare Teilhabe Deutschlands" und forderte in einem interfraktionellen Beschluss die Bundesregierung auf, sich mit Nachdruck für den Abzug der 20 US-Atombomben aus Büchel einzusetzen. Diese sollen von deutschen Piloten im Kriegsfall mit Tornadoflugzeugen auf Ziele in Osteuropa abgeworfen werden, jeweils mit einer Sprengkraft größer als der in Hiroshima und Nagasaki verwendeten Bomben.

Gegen solche Art Beteiligung an einem nuklearen Inferno, 1958 von der CDU unter Adenauer durchgesetzt, gab es von Anfang an heftigen Widerstand. Eine klare Mehrheit der deutschen Bevölkerung will keinen Krieg und keine Atomwaffen, sondern Abrüstung dieser verheerenden Massenvernichtungswaffen, die die Welt seit Jahrzehnten bedrohen. In einer aktuellen repräsentativen Umfrage von YouGov aus April 2020 lehnen 61 Prozent der Befragten den Kauf neuer atomwaffenfähiger Kampfjets ab, nur 18 Prozent befürworten die Ausgaben, 21 Prozent haben keine Meinung. Bei den Wählern aller Bundestagsfraktionen gibt es eine Mehrheit gegen die Atombomber, am höchsten ist die Ablehnung bei den Linken und Grünen (jeweils 82 %).

Die vollständige Abrüstung aller Nuklearwaffen ist auch vertragliche Pflicht aller Staaten, die den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet haben. Deutschland hat darin auf jegliche Verfügungsgewalt über Atomwaffen verzichtet und hat diesen Verzicht mit dem 2+4-Vertrag bekräftigt. Der Atomwaffen-Einsatz mit Hilfe deutscher Tornados ist damit illegal. Die praktizierte "nukleare Teilhabe" mehrerer NATO-Staaten wird von vielen anderen Staaten zu Recht als Verstoß gegen den Atomwaffen-Sperrvertrag angeprangert.

Sie ist nach dem Völkerstrafgesetzbuch sogar kriminell, denn Atomwaffen sind völkerrechtlich geächtet. Es gibt also keinen legitimen Grund, diese Waffen einzusetzen oder damit zu drohen. Das hat der Internationale Gerichtshof im Jahre 1996 entschieden - gegen den massiven Widerstand der Atomwaffenstaaten. Selbst wenn die Existenz eines Staates gefährdet ist, gilt das humanitäre Kriegsvölkerrecht. Dieses verbietet den Einsatz von Waffen, die nicht unterscheiden zwischen Soldaten und Zivilpersonen, von Waffen, deren Wirkung nicht an Staatsgrenzen haltmacht, und von Waffen, die unnötige Leiden und Qualen verursachen. Unter diese Kriterien fallen sowohl die jetzt in Büchel lagernden B 61-Bomben, als auch die vorgesehenen Nachfolgemodelle. In dem mit ihnen bewirkten atomaren Inferno würde zwangsläufig auch Zivilbevölkerung in ungeheurer Zahl den Tod finden.

Die Vereinigten Staaten haben unter Trump mit mehreren Tabus gebrochen: nach der Nuclear Posture Review von 2018 sollen ihre Atomwaffen nicht abgerüstet werden und nicht mehr nur der Abschreckung dienen, sondern in bewaffneten Konflikten auch eingesetzt werden. Auf den Ersteinsatz gegenüber Russland und China wird nicht mehr verzichtet. Alle nuklearen Rüstungsbegrenzungsabkommen (INF, New-START und Open-Sky) wurden gekündigt bzw. werden nicht verlängert. Die strategischen Raketen der USA werden nicht mehr in die NATO-Planung eingebracht. Taktische nukleare "Mini-Nukes" mit Sprengkraft von 7000 to (60 % der Hiroshima-Bombe) sind bereits mit Raketen auf Atom-U-Booten stationiert und könnten - ohne Rücksicht oder Absprache mit Verbündeten - z.B. in Osteuropa zum Einsatz gebracht werden. Die Gefechtsfeldkommandeure sollen bestimmen, welche atomare Sprengkraft in welcher Explosionshöhe sie für nötig halten, je nachdem, wie schnell sie mit Bodentruppen das Gefechtsfeld wieder betreten wollen Behauptet wird dabei ungeheuerlicher Weise, die Genfer Konventionen erlaubten solche Einsätze. (vgl. Joint Chiefs of Staff (JCS) "Nuclear Operations" vom 11.6.2019 - Joint Publication 3-72 cap.5 - abrufbar unter https://fas.org/irp/doddir/dod/jp3_72.pdf). Vor wenigen Wochen erklärte der Oberkommandierende der US-Streitkräfte General Wolters im US-Senat gerade heraus: "Ich bin ein Befürworter des flexiblen Ersteinsatzes von Atomwaffen."

Wenn aus Sicht der Planer im Pentagon ein "begrenzter" Atomschlag in Europa möglich ist, kann man nicht ansatzweise verstehen, dass Deutschland an solchen Völkerrechtsverbrechen sogar noch mitwirken will. Otfried Nassauer spricht von der nuklearen Teilhabe als einem "überholten Konzept ohne Funktion" (O. Nassauer , April 2020 - https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/012933.html).

Wir protestieren dagegen, dass Europa in den strategischen Planungen der USA zum atomaren Schlachtfeld gemacht wird. Wir fordern nukleare Abrüstung und kollektive Sicherheit unter Einschluss aller europäischen Staaten. Wir fordern eine Beendigung der nuklearen Teilhabe und den Abzug der US-Atombomben aus Büchel, und wir fordern im Einklang mit einer 2/3 Mehrheit der deutschen Bevölkerung, dass Deutschland dem Atomwaffenverbotsvertrag beitritt.

Wir, die unterzeichnenden Organisationen, bitten Sie, als Abgeordnete des Bundestags

  1. sich dem Kauf von 45 F-18-Jets für die nukleare Teilhabe im Rahmen künftiger Haushaltsberatungen zu widersetzen;
  2. im Bundestag erneut auf eine Umsetzung des Beschlusses vom 26.3.2010 zu drängen und
  3. sich in ihren Fraktionen und auch interfraktionell dafür einzusetzen, dass Deutschland umgehend dem Atomwaffenverbotsvertrag beitritt.

Im Auftrage
des Bremer Friedensforums
Barbara Heller
der IALANA
Gerhard Baisch und Volkert Ohm
der IPPNW Bremen
Ursula Haun und Dr. Lars Pohlmeier
der DFG-VK Bremen
Klaus Schiesewitz
für aufstehen Bremen
Dieter Götzel

*

Quelle:
Bremer Friedensforum
Villa Ichon, Goetheplatz 4 - 28203 Bremen
Telefon: 0049 - (0) 421-3 96 18 92
E-Mail: info@bremerfriedensforum.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2020

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