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STANDPUNKT/461: Drohende Attacken machen keinen Frieden (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

Drohende Attacken machen keinen Frieden

Von Onno Oncken, 6. Mai 2020


Unsere Sicherheit wird uns weitere Milliarden kosten, während Entwicklungshilfe gerade in Krisen wie die, die der Covid-19 Virus ausgelöst hat, hintenüberfällt. Um das zu erkennen, braucht man momentan noch nicht einmal in ein Entwicklungsland schauen sondern nach Europa (Griechenland).

In Deutschland kümmert sich die Regierung derzeit um ein Rüstungsgeschäft, bei dem es um die nukleare Teilhabe im Rahmen des NATO Paktes geht und man gefragt werden möchte, ob jetzt die neue Atombombe eingesetzt wird, um es einmal zu zuspitzen.

Es ist mittlerweile weithin bekannt, wo in Deutschland die Amerikaner ihre Bomben stationiert haben und modernisieren wollen. Dass es laut Umfragen eine große Mehrheit der Bevölkerung in der Bundesrepublik ablehnt und es seit 2010 einen Beschluss zur Abrüstung jener Flugkörper gibt, sollte man Frau Karrenbauer und Herrn Maaß vielleicht noch einmal sagen!

Nukleare Teilhabe kostet die westliche Welt mehr als nur Geld: Waffen kosten den Geist der Wissenschaftler und rauben den Kindern die Hoffnung. Es kommen Friedensaktivisten hinter Gitter obwohl allein die Androhung von Atomwaffen laut Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag seit 1996 völkerrechtswidrig ist ...

Der Abbau von Uran ist der Anfang vom Ende, in den USA leiden beispielsweise die Diné (Navaro) seit Jahrzehnten darunter, da die Sicherheitsvorkehrungen der Minen und Mühlen nicht ausreichen und das Trinkwasser kontaminieren. Auch in Europa, nämlich in Stráz pod Ralzkem in Tschechien, wurde in den 70ern für 15.000 Tonnen Uran ein riesiges Reservoir mit rund 400.000.000 Kubikmeter Wasser teils radioaktiv verseucht, zusätzlich wurden dafür Millionen von Tonnen an Chemikalien in den Untergrund gepumpt. Indizien dieser Altlasten der 70er Jahre sind dort auch an der Oberfläche noch zu sehen, die verseuchten Pumpen und Maschinen stehen weiterhin dort auf gesperrtem Gebiet herum; Die Anti-Atom-Bewegung Nuclear Heritage [1] besuchte die Menschen vor Ort mehrmals und auch ich bin einmal mitgefahren, um mir ein Bild davon zu machen.

Die Zusammenkunft der Mayors for Peace dieses Jahr dürfte einer Depression ähneln, da ihre "Vision 2020" einen Großteil der Staaten scheinbar unbeeindruckt lässt und man das Ziel einer atomwaffenfreien Welt zwar verbal unterstützt, es aber auch zu oft in die fernere Zukunft verfrachtet. In einer Antwort auf meine Anfrage zu den neuen Kampfflugzeugen, die angeschafft werden sollen, meint Gisela Manderla, MdB CDU: "Die Bereitschaft und Fähigkeit, gemeinsam militärisch zu handeln bilden den Markenkern der Nato, der uns mit der europäischen Integration seit 70 Jahren Frieden in Europa ermöglicht."

Weil sich die sicherheitspolitische Lage angeblich zuspitzt, kann Deutschland sich sein Mitspracherecht hier vermeintlich nur durch die US-Atomwaffen-Modernisierung in Deutschland sichern. Die SPD brüstet sich in dieser Frage nur mit einem noch schnell hingelegten Papier und besteht auf eine gewissenhafte Diskussion, während die Medien scheinbar schon hochkochen, welch schwierige Entscheidung die Verteidigungsministerin nun treffen muss.

Aktuell schrieb der Deutschlandfunk dazu, dass die Sozialdemokraten am Wochenende den Abzug forderten, es jedoch auch Widerspruch aus den eigenen Reihen gab. Die CDU bezeichnet die Position als naiv obwohl, wie schon erwähnt, 2010 alle Parteien zusammen genau das beschlossen haben und: "Der SPD-Vorstoß folgt auf eine Debatte innerhalb der Großen Koalition über den Ersatz für die überalterte Tornado-Flotte der Luftwaffe." (DLF).

Die NATO scheint in der Diskussion hierbei als Feigenblatt für die seit Trump etwas angespannteren Internationalen Handelsbeziehungen gebraucht zu werden. Tatsache ist aber, dass andere Staaten innerhalb der Nato auf Atomwaffen verzichten, während ihre Mitgliedschaft nicht in Frage gestellt wird.

Vielleicht ist die regelmäßige Zuspitzung in der Frage um Nordkorea nach den Kriegen in Afghanistan und dem Irak gemeint. Wenn man sich allerdings vor Augen hält, wie stark die militärischen Aktivitäten dieses Staates überwacht werden und man den Raketen-Müll dort ins Meer gehen sieht, dann ist es trotzdem schändlich und bedrohlich, dass in Japan heute die US-Atomwaffen stationiert, bzw. zwischengelagert sind. Warum nicht mit gutem Beispiel vorangehen und die Ächtung der Atomwaffen durch die UN vorantreiben? Schließlich ist der Atomwaffenverbotsvertrag bereits von 36 Staaten ratifiziert worden,

Klar es geht um die Sicherheit. Büchel ist mit Sicherheit ein mögliches Angriffsziel, denn wo Atomwaffen stationiert sind, blinken seit dem Kalten Krieg die Satelliten über ihnen auf. Stanislaw Petrov hat die Welt vor einem 3. Weltkrieg bewahrt und konnte sich dabei nicht auf die Überwachung durch Computer und ein von Sonnenspiegelungen gestörtes Frühwarnsystem verlassen. Das Radar als letzte Kontrollinstanz ließ ihn zögern, sonst wäre 1983 der Atomkrieg ausgebrochen [2].

Mit neuen Atomwaffen tauchen neue Probleme auf, wie zum Beispiel, das "discrimination problem". Die Amerikaner können die Trident U-Boote sowohl mit taktischen als auch strategischen Raketen oder mit beiden bestücken. Diese sind für den Gegner vor dem Einschlag nicht unterscheidbar [3].

Das bringt uns zu den Menschen, denen durch Haft der Mund verboten wird, in Deutschland wurden Amerikaner wiederholt nicht belangt, wenn sie auf einen deutsch-amerikanischen Atomwaffenstützpunkt eindringen. Anders hingegen die Strafen in den USA, dort wirft man zum Beispiel Martha Hennessy, einer Urenkelin der von der Stadt New York geehrten Dorothy Day und eine der Kings Bay 7 [4], vor, sich verschworen zu haben um in die Trident-Basis eindringen zu können um dort gewaltfreie, aber sehr symbolstarke Protestaktionen im Geiste von Martin Luther King gegen Atomwaffen durchzuführen. Ihnen drohen bis zu 20 Jahre Haft, das nächste Verfahren wird Ende Mai geführt!


Drohende Attacken machen keinen Frieden

In Deutschland kommen dieses Jahr noch sechs weitere Fälle gegen Friedensaktivisten vor Gericht. Insgesamt laufen noch 38 Strafverfahren, eines dieser Verfahren brachte die junge Clara T. wegen "Go-In-Aktion" für eine Woche ins Gefängnis (Pressenza: Atomwaffengegnerin 7 Tage in Haft [5]).

Die Anklagen lauten Eindringen in einen militärischen Sperrbezirk, Fotografieren der Anlage, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Nichtbefolgen von Auflagen der Demonstration.

Von BUND, Greenpeace, ICAN, IPPNW, Medico International, Nuclear Free Future Foundation und dem Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen gibt es einen offenen Brief an Frau Merkel im Netz [6].

In diesem Appell für die Abrüstung und gegen die Neuanschaffung von kompatiblen Trägersystemen in Form von Kampfjets wird auch die russische Seite kritisiert, aber wer die Rüstungsspirale zuerst in Gang gesetzt hat, möchte ich hier jetzt nicht erörtern. Wir erinnern uns, dass es bei dieser Problematik vor allem um die Nichterneuerung des INF (Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty) ging. Kritisch ist auch die neue Ausrichtung der Strategie des Nato-Oberbefehlshabers zu sehen, der die neuen Bomben nicht nur als Abschreckung versteht, was auch im Brief erwähnt wurde. Verträge wie das New-Start- und das Open Skies-Abkommen wanken.

Deutschland wurde auf der Sicherheitskonferenz in München schon vorgeführt, als gäbe es das von uns so hochgehaltene Mitspracherecht nicht. Wenn es um Sicherheit geht, braucht es verlässliche Partner und ob die NATO als Nachkriegsorganisation, in der Deutschland immer schon kritisch beäugt wurde, heute noch unseren Erwartungen von Demokratie entspricht, ist fraglich. Frau Merkel sollte sich in diesem Sinne noch einmal die Umfragen zu Atomwaffen ansehen. Deutschland wird mit Sicherheit nicht aus der NATO rausgeschmissen, egal wie wir uns entscheiden. Nicht egal sind unsere Milliarden und ob wir den Weg Richtung Frieden einschlagen.

Petitionen zum Thema:

Atombomber? Nein Danke! [7]

Sign Global Petition to Dismiss Charges Against Anti-Nuclear Plowshares Activists Facing 25 Years [8]


Über den Autor

Onno Oncken, ehrenamtlicher Umweltschützer und Friedensaktivist aus Ostfriesland, geboren 1981.


Anmerkungen:
[1] http://nuclear-heritage.net/
[2] https://www.spiegel.de/geschichte/stanislaw-petrow-der-mann-der-die-welt-rettete-ist-tot-a-1168721.html
[3] https://nukewatch.org/new-and-updated-item/the-low-yield-nuclear-warhead-a-dangerous-weapon-based-on-bad-strategic-thinking/).
[4] https://kingsbayplowshares7.org/
[5] https://www.pressenza.com/de/2019/03/atomwaffengegnerin-7-tage-in-haft/
[6] https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/offener_brief_nukleare_abruestung.pdf
[7] https://weact.campact.de/petitions/atombomber-nein-danke
[8] https://actionnetwork.org/petitions/sign-global-petition-to-dismiss-charges-against-anti-nuclear-plowshares-activists-facing-25-years?source=direct_link&


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Reto Thumiger
E-Mail: redaktion.berlin@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2020

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