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BERICHT/095: Klimacamp im Rheinland - auch Fleisch und Milch und Eier ... (1) (SB)


It was porkmaking by machinery, porkmaking by applied mathematics. And yet somehow the most matter-of-fact person could not help thinking of the hogs; they were so innocent, they came so very trustingly; and they were so very human in their protests-and so perfectly within their rights! They had done nothing to deserve it; and it was adding insult to injury, as the thing was done here, swinging them up in this cold-blooded, impersonal way, without a pretense of apology, without the homage of a tear.
Upton Sinclair - The Jungle (1906) [1]


Transparent 'Schluß mit der Gewalt! stoppt Tierfabriken' an Fahrrad - Foto: © 2017 by Schattenblick

Foto: © 2017 by Schattenblick

Die Relevanz einer auf umfassender Bewirtschaftung tierischer Lebewesen basierenden Nahrungsmittelproduktion für die Veränderung des Weltklimas ist unbestritten. Das bedeutet keineswegs, daß angemessene Schritte zur Einschränkung der klimaschädlichen Auswirkungen einer Landwirtschaft vollzogen würden, deren pflanzliche Erzeugnisse zu einem Großteil in die Futtertröge des sogenannten Nutzviehs wandern. Einem Naturprinzip gleich erscheint der Konsum von Fleisch, Milch und Eiern sakrosankt. Die biblische Aufforderung, der Mensch mache sich die Erde untertan, hebt die Erfordernisse seines Stoffwechsels auf die Ebene eines göttlichen Gesetzes, an dem nichts falsch sein kann, hat es der Herr doch so geboten. Aller zivilisatorischen Mutmaßung zuwider findet sich das menschliche Tier beim Verzehr anderer Lebewesen genau dort ein, wo es meint, sich als Krone der Schöpfung grundsätzlich von der Naturgebundenheit animalischen Daseins zu unterscheiden.

So nimmt der Verbrauch aus Tierproduktion stammender Nahrungsmittel, den immer noch hohen Wachstumsraten in den Schwellenstaaten des globalen Südens adäquat, weltweit zu. Die hochproduktive Agrarindustrie der Bundesrepublik findet für ihre - gemessen am nationalen Bedarf - Überproduktion an Fleisch, Milch und Eiern genügend Märkte, auf denen sie weniger produktive Akteure niederkonkurrieren kann. Die Folgen für die kleinbäuerliche Landwirtschaft etwa in Afrika sind bekannt - wenn trotz langer Transportwege und einem höheren Lohnniveau ein Joghurt aus deutscher Produktion in einem nigerianischen Supermarkt billiger angeboten werden kann als einheimische Produkte, dann werden deren Erzeuger in den Ruin getrieben.

Die auf dem Weltmarkt etablierten Preise, denen Länder mit völlig unterschiedlichen Produktivitätsniveaus zu entsprechen haben, sind das Ergebnis eines monopolistischen Kapitalismus, der die gewachsene Vielfalt kleinbäuerlicher Produktionsweisen zugunsten einer standardisierten Warenpalette einebnet und selbst die Subsistenz vom Land in den Mund lebender Menschen über die Eigentumsrechte der transnationalen Agroindustrie an den genetischen Bauplänen von Feldfrüchten und die systematische Durchsetzung ihrer Herbizide und Düngemittel zerstört. Hinzu kommt die Aneignung landwirtschaftlich nutzbarer Flächen großen Stils. Die Vertreibung der Bauern von ihren Feldern in die Slums der urbanen Zentren, die in Europa als ursprüngliche Akkumulation vor 250 Jahren erfolgte, ist in den Ländern des Südens in vollem Gange, nur daß die dort erfolgende Proletarisierung auf immer weniger angemessen bezahlte Lohnarbeit in Industrie und Dienstleistung trifft.

Im unbedachten Verbrauch durch Tierverbrauch erzeugter Nahrungsmittel die Ursache nitratbelasteten Trinkwassers, durch Feinstaub kontaminierter Atemluft, durch Ammoniak versauerter Böden und der Emission von Treibhausgasen zu verorten ist bestenfalls Teil des Problems. Die vielzitierte Massentierhaltung mit all ihren desaströsen Folgen ist nicht nur Ergebnis blanken Profitinteresses und der individuellen Gier nach mehr derjenigen, die sie betreiben. Sie ist materieller Ausdruck einer Kapitalakkumulation, an der nur partizipieren kann, wer sich den Bedingungen der Produktivkraftentwicklung und des dadurch bestimmten Wettbewerbs unterwirft. Die Monopolisierung der Nahrungsmittelerzeugung im Weltmaßstab ist Ergebnis einer auf Mehrwertabschöpfung ausgerichteten Verwertungslogik, die beständig darauf aus ist, die Kosten der Produktion insbesondere im Bereich der Lohnarbeit, aber auch durch die Externalisierung ökologischer Kosten zu senken, um in dieser Konkurrenz erfolgreich bestehen zu können.

Die Menschen in der Klimagerechtigkeitsbewegung sind sich sehr bewußt, daß der Reichtum der Metropolengesellschaften Westeuropas und Nordamerikas neben allen anderen kolonialistischen Praktiken dem massiven Verbrauch fossilistischer Energieträger geschuldet ist. In einem globalen System mit finalen Parametern kann es keine nationale Lösung des Problems des Klimawandels geben. Die Bringschuld liegt vor allem bei denjenigen, die ihren Entwicklungsvorsprung durch den Verbrauch fossiler Energien in einem Ausmaß erwirtschaftet haben, daß ihre Emissionen nun epochale Stürme, Dürren und Überschwemmungen in tropischen und subtropischen Breiten auslösen. Analog dazu wird im Bereich der Tierproduktion versucht, diese Entwicklung durch Produktivitätsfortschritte biotechnologischer Art, durch Kapitalexport zur Aneignung fruchtbaren Landes, landwirtschaftlicher Betriebe und billiger Lohnarbeit, durch die Externalisierung von Produktionskosten in ökologische Senken und die weitere Konzentration der globalen Agrarwirtschaft auf immer weniger korporatistische Akteure neokolonialistisch zu steigern. Um so mehr gilt das Motto "System Change, not Climate Change", etwa indem die Eigentumsfrage von unten gestellt wird.


Transparent 'Tierproduktion stoppen! Klima retten!' - Foto: © 2017 by Schattenblick

Foto: © 2017 by Schattenblick

Klimagerechtigkeitsbewegung untersucht Tierausbeutung

So macht es allemal Sinn, im Klimacamp im Rheinischen Braunkohlerevier auch über die Frage der Ernährung nachzudenken, und das nicht nur in bezug auf den Klimawandel. Im Connecting Movements Camp, das der Verknüpfung verschiedener Kämpfe und Bewegungen mit der Klimagerechtigkeitsbewegung gewidmet war, wurde ein Barrio zu Ernährungssouveränität abgehalten. Diskutiert wurde unter anderem über die Notwendigkeit einer radikalen Bewegung in der Landwirtschaft, über Eigentumsverhältnisse und Zugang zu Land und Saatgut, über nichtkommerzielle Landwirtschaft und die Abschaffung der Tierproduktion. Dieser Prozeß mündete zu Beginn der Aktionstage am 24. August in eine Fahraddemo, die unter dem Motto "Tierproduktion heißt: Klimawandel, Raubbau, Ausbeutung" zu mehreren Stationen landwirtschaftlicher Tierproduktion führte.

Maßgeblich organisiert von der Initiative Animal Climate Action zogen rund 75 Aktivistinnen und Aktivisten vom Klimacamp am Lahey Park los, um im Rahmen einer angemeldeten Demonstration einigen landwirtschaftlichen Betrieben der Region einen Besuch abzustatten. Querfeldein über Wege, die ansonsten nur von Spaziergängern und Treckern benutzt werden, aber auch im breiten Pulk Landstraßen entlang, auf denen sich Radfahrer ansonsten an den Rand quetschen müssen, um nicht überfahren zu werden, ging es bei bestem Wetter durch die niederrheinische Landschaft. Nicht anders als in anderen Regionen der Bundesrepublik wird diese agroindustriell bewirtschaftet, so daß sich die Freude an der Natur in den engen Grenzen geometrisch angelegter und monokulturell bewirtschafteter Felder hält.


Fahrradkorso mit Polizeimotorrad zwischen Feldern - Foto: © 2017 by Schattenblick

Querfeldein ...
Foto: © 2017 by Schattenblick

An einer Wegkreuzung Richtung Immerath wurde der Blick auf diese Felder mit einem kurzen Vortrag über Feldfrüchte erweitert, die vor allem als Futtermittel in Mastanlagen Verwendung finden. Einmal abgesehen davon, daß rund 15 Prozent der in der Bundesrepublik bewirtschafteten Ackerfläche auf Energiepflanzen entfällt und so von vornherein der Nahrungsmittelerzeugung entzogen ist, werden rund 60 Prozent der verfügbaren Ackerfläche für Futtermittel verwendet. Der Ertrag aus der sogenannten Nutztierhaltung an tierischem Protein beträgt bei Rindern jedoch wenig mehr als ein Zehntel pflanzlich nutzbaren Eiweisses. Dessen Verfütterung an Schweine und Hühner bringt zwar einen höheren Ertrag an Proteinen, doch auch hier läuft die Verwertung pflanzlicher Nahrung zur Produktion tierischer Nahrungsmittel auf ein Minus an Eiweiß im Verhältnis dazu hinaus, was Feldfrüchte bei direktem Verbrauch an Proteinen für die menschliche Ernährung zur Verfügung stellen.


Polizeifahrzeuge am Ende der Fahraddemo - Foto: © 2017 by Schattenblick

... mit Begleitschutz
Foto: © 2017 by Schattenblick

Trotz des hohen Anteils an Ackerfläche, der der Erzeugung tierischer Nahrungsmittel dient, werden etwa 80 Prozent der Futtermittel für die europäische Massentierhaltung importiert, insbesondere in Form von Sojaprodukten. Ein Großteil der in Brasilien und in anderen Ländern des Südens vorhandenen Ackerfläche wird für den Konsum in der EU bewirtschaftet, obschon es dort genügend hungernde Menschen und landlose Kleinbauern gibt, die diese Felder für die eigene Subsistenzproduktion nutzen könnten. Das Kalkül besserer Investitionsmöglichkeiten und Kapitaleffizienz befindet darüber, daß für Menschen taugliche Nahrungsmittel um die halbe Welt geschifft werden, um am Zielort als Tierfutter zu enden. Der physischen Nachfrage der Menschen im globalen Süden stehen nicht genügend Finanzmittel zur Verfügung, um als zahlungsfähige Nachfrage in Erscheinung zu treten, während diese häufig unterhalb der Renditeerwartung bleibt, mit der an den Getreidebörsen hantiert wird.

Die für den extensiven Futtermittelanbau gerodeten Wälder verschärfen die Klimaproblematik ebenso wie der Ausstoß klimaschädlicher Gase wie CO2, Methan, Stickoxid und Ammoniak bei der Tierproduktion, zum einen beim Anbau der Futtermittel, zum andern bei deren Verdauung und der anschließend wieder ausgebrachten Gülle. Hinzu kommt die Zerstörung der Böden und Belastung der Luft durch Überdüngung, die Kontamination des Wassers bis ins Meer hinein durch übergroße Stickstoffeinträge und die Verödung der Landschaft durch ihre intensive Bewirtschaftung mit Ackerpflanzen wie Mais, die am meisten Verdienst versprechen. Die Bindung der Tierproduktion an die vorhandene Fläche für Beweidung und Futtermittelanbau ist denn auch eine zentrale Forderung nicht nur prinzipieller Gegner der Tierausbeutung, sondern auch ökologisch bewußter Bäuerinnen und Verbraucher.


Feld, Menschenmenge, Gebäude - Foto: © 2017 by Schattenblick

Kundgebung vor Rinderzuchtbetrieb
Foto: © 2017 by Schattenblick

7,5 Milliarden Menschen, 1,5 Milliarden Rinder ...

Weiter geht es zu einem auch Milch erzeugenden Rinderzuchtbetrieb bei Lövenich. Sein Vorarbeiter, der den Hof gerade mit dem Trecker verlassen wollte, beklagt sich bitter bei der Polizei darüber, daß die nun stattfindende Kundgebung den Betrieb unterbricht. Das auch bei anderen Protesten, die mit der Blockade von Produktionsprozessen einhergehen, immer wieder zu vernehmende Argument, damit würde nicht nur den Profiteuren geschadet, sondern auch den Belegschaften das Leben schwer gemacht, zu berücksichtigen hätte zur Folge, gerade auf diejenigen Protestformen zu verzichten, die aufgrund derartiger Eingriffe weit mehr Aufmerksamkeit erzeugen als das Abklicken von Petitionen im Internet. Zudem haben sich die Kritikerinnen der Tierausbeutung längst dem Problem zugewandt, daß die Profitabilität der Schlachtindustrie wesentlich von der intensiven Ausbeutung des dort beschäftigten Personals abhängt.

Daß die Bedeutung kapitalistischer Lohnarbeit für die Zerstörung der Natur und die Entfremdung der Menschen ihren eigenen Interessen gegenüber wie denen aller anderen Lebewesen in der Klimagerechtigkeitsbewegung mehr Gehör findet, trägt wesentlich dazu bei, die verschiedenen Proteste und Kämpfe auf die Ebene grundsätzlicher Gesellschaftskritik zu heben. Nur dadurch, daß der gesetzliche Mindestlohn häufig mit Tricks aller Art oder durch Werkverträge weit unterschritten wird, konnte die Branche ihren Umsatz von 21,6 Mrd. Euro in 2001 auf 40,8 Mrd. Euro in 2013 fast verdoppeln [2]. Der Aktivist, der nun einen Vortrag über "Das Fleischsystem Deutschland" [3] hält und das Lohndumping in der Bundesrepublik als Ursache der sozialökologisch verheerenden Folgen der Massentierhaltung anprangert, hätte den Beifall auch der Beschäftigten dieses Betriebes verdient, deren Ausfallszeit nun demonstrationsbedingt negativ zu Buche schlägt.

An empirischen Daten, die die immense Bedeutung der industriellen Tierproduktion für die weltweiten Emissionen klimawirksamer Gase belegen, herrscht ohnehin kein Mangel. Schon das Mengenverhältnis von 7,5 Milliarden Menschen und 1,5 Milliarden Rindern läßt ahnen, mit welchen Folgewirkungen die Produktion von Fleisch und Milch durch sogenannte Nutztiere belastet ist, die in besonders hohem Ausmaß klimaschädliche Gase emittieren. Da ausgewachsene weibliche Rinder zwischen 500 und 800, männliche Rinder zwischen 1000 bis 1200 Kilogramm auf die Waage bringen, ist leicht ersichtlich, daß die weltweite Rinderbevölkerung stoffwechseltechnisch etwa der menschlichen Population des Planeten entspricht. Deren Zahl nimmt nicht ab. Auch wenn in Deutschland 2016 3,6 Millionen Rinder geschlachtet wurden, sorgt schon die Milchproduktion mit der alljährlichen Zwangsschwangerschaft, der weibliche Rinder unterzogen werden, dafür, daß stets ein Überschuß an nicht benötigten Kälbern zur Welt kommt.


Transparent 'Milch trinken tötet Eisbären' an Fahrrad - Foto: © 2017 by Schattenblick

Foto: © 2017 by Schattenblick

Rund 600 Millionen Masthühner, 60 Millionen Schweine, dazu diverse "Kleinposten" wie 31 Millionen ausgelaugte Legehennen, die als "Suppenhühner" über die Theke gehen, 37,5 Millionen Puten, 18,6 Millionen Enten, 590.000 Gänse, über eine Million Schafe, Lämmer, Ziegen und Pferde - die Zahl der 2016 in der Bundesrepublik geschlachteten Tiere [4] ist so abstrakt wie das schmerzerfüllte Einzelschicksal konkret. Für die Klimadebatte ist sie insofern von Belang, als bei Einbeziehung aller Voraussetzungen und Folgewirkungen der Produktion von Fleisch, Milch und Eiern der entsprechende Faktor nicht nur bei einem Sechstel aller Treibhausgasemissionen liegt, wie häufig zu vernehmen ist, sondern eher bei der Hälfte des Outputs klimawirksamer Gase. Zu berücksichtigen sind über die direkten, von sogenannten Nutztieren ausgehenden Emissionen hinaus die zur Futtermittelproduktion erfolgende Entwaldung, die Herstellung synthetischer Düngemittel, der Verbrauch fossiler Energien für Transport, Verarbeitung und Verpackung, der Betrieb durchgängiger Kühlketten, die Entsorgung verdorbener Tierprodukte, die aufwendiger zu konservieren sind als pflanzliche Äquivalente, und die Bewältigung der Folgewirkungen des Gülleintrages [5].

Unter den stofflichen Problemen der Tierproduktion sticht vor allem der Verbrauch trinkbaren Wassers hervor, das in vielen Regionen des Globalen Südens bereits Mangelware ist. Wie beim Output klimaschädlicher Emissionen führt auch hier das Rind die Liste des virtuellen Wassers an, schlagen doch durchschnittlich 16.500 Liter Wasser zur Herstellung eines Kilogramms Rindfleisches zu Buche. Weitere Tierprodukte folgen mit über 5000 Litern für ein Kilo Schweinefleisch oder Käse, mit 4000 Litern für ein Kilo Hühnerfleisch und 3500 Litern für ein Kilo Eier. Erst dann kommen die besonders wasserintensiven Sojabohnen mit 2500 Litern, Weizen mit 1400 Litern, und Kartoffeln verbrauchen sogar nur 130 Liter auf ein Kilo. Die Erzeugung von Milch, die für viele Menschen, die sie konsumieren, ein Getränk wie jedes andere darstellt, bedarf ihrerseits zwischen 700 und 1000 Liter pro Liter der trächtigen Kühen abgezapften Flüssigkeit, die eigentlich für ihren Nachwuchs gedacht ist. Der Verbrauch von Trinkwasser, dessen Kontamination rückgängig zu machen langer Zeitzyklen bedarf, wirkt sich auf das Klima negativ aus, wenn pflanzliches Wachstum aufgrund von Wassermangel ausbleibt.


Flagge an Fahrrad 'Animal Liberation Human Liberation' - Foto: © 2017 by Schattenblick

Kampfansage
Foto: © 2017 by Schattenblick

Nun verliest ein Aktivist einen Text über Upton Sinclairs Buch "The Jungle". In diesem epochalen Werk wird der zur Jahrhundertwende größte Schlachthof der Welt in Chicago zum Schauplatz zeitgeschichtlicher Sozialkämpfe. Der Roman ist nicht nur das erste literarische Werk zur Massentierhaltung, er bietet auch einen Einblick in jene gigantische Fabrik, in der die industrielle Produktionsweise des Fließbandes erstmals in großem Stil etabliert und zum Vorbild der Assembly Lines in den Fabriken des Namensgebers des Fordismus, Henry Ford, wurde. In diesem Klassiker der Kapitalismuskritik, der Bertolt Brecht zu seinem Drama "Die heilige Johanna der Schlachthöfe" inspirierte, kommen auch Sozialisten und Anarchistinnen zu Wort, war Chicago doch ein Zentrum linksradikaler Bewegungen. So schließt der verlesene Text mit der 110 Jahre später aufgestellten und doch immer noch radikal wirkenden Forderung:

"Eine fortschrittliche sozialistische Bewegung darf damit heute nicht mehr nur die Menschen meinen, die unter dem Kapitalismus leiden - sie muss auch für die Tiere sprechen, die in diesem System ausgebeutet werden. Sie muss den Weg weisen in eine wahrhaft menschliche Gesellschaft, in der endlich Schluss gemacht wird mit dem großen Schlachten."[6]

(wird fortgesetzt)


Fahrradkorso auf Landstraße - Foto: © 2017 by Schattenblick

Die Straßen den Fahrrädern
Foto: © 2017 by Schattenblick


Fußnoten:


[1] https://wwnorton.com/college/history/america-essential-learning/docs/USinclair-%20The_Jungle-1906.pdf

Es war Schlachten per Fließband, Schweinefleischgewinnung mittels angewandter Mathematik. Dennoch konnte selbst der unsentimentalste Mensch nicht umhin, an die Tiere zu denken. Sie waren so arglos, trotteten so vertrauensselig herbei, wirkten in ihrem Protest so menschlich - und waren mit ihm so im Recht! Sie hatten nichts verbrochen, womit sie das verdient hätten, und zu dem Unrecht kam noch die Demütigung, die kaltblütige, unpersönliche Weise, wie man sie hier ins Jenseits beförderte, ohne auch nur die Vorspiegelung einer Abbitte, ohne Opferung einer einzigen Träne.
Upton Sinclair: Der Dschungel. Aus dem Amerikanischen von Otto Wilck, Reinbek bei Hamburg 1985

[2] http://www.sozialismus.de/kommentare_analysen/detail/artikel/perfides-system-der-ausbeutung/

[3] https://www.robinwood.de/sites/default/files/133-2-2017-komplett-pdf.pdf

[4] https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/schlachtzahlen-2016

[5] https://aseed.net/pdfs/ASEED-klima-lebensmittelsystem-brochure-deutsch.pdf

[6] "Das große Schlachten: Upton Sinclairs 'The Jungle'"
http://asatue.blogsport.de/2017/02/27/das-grosse-schlachten-upton-sinclairs-the-jungle/


19. September 2017


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