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LITERATURBETRIEB/002: Profil 1 (SB)


Joseph Breitbach - ein Stifter stiftet Verwirrung

Joseph Breitbach, Schriftsteller und Mäzen (1903 - 1980)


Joseph Breitbach hat von 1903 bis 1980 gelebt. Er war Mäzen und Schriftsteller mit einem größeren Vermögen, das er kurz vor seinem Tod in eine Liechtensteiner Stiftung eingebracht hatte. 1998, 18 Jahre nach seinem Tod, lobte diese Stiftung unerwartet den höchst dotierten Literaturpreis in Deutschland aus, den Joseph-Breitbach-Preis. - Das sind in Kurzfassung die Fakten, die in der Öffentlichkeit über J. Breitbach zusammengetragen worden sind, wenn man die vielen Spekulationen und Interpretationen über ihn ausschließen will.

Große Teile seines Lebens bleiben rätselhaft. Er zog es vor, seine Gesprächspartner mit immer neuen Variationen seiner Biographie zu überraschen und Verwirrung zu stiften. "Meine Biographie ist total uninteressant", daran hielt er fest. Eine Biographie von ihm werde es nicht geben. "Nach meinem Tod könnt ihr schreiben, was ihr wollt."

Es bleiben Aussagen von Zeitzeugen, die ihn charakterisieren. Er sei ein "Mann der Verbindlichkeit und der Verbindung, der hinter den Kulissen wirkt" (Alfred Grosser) und "im Gegensatz zu den meisten deutschen Schriftstellern verstand er sehr viel von Politik und vom Geld und von den vielfachen Beziehungen zwischen beiden." (Herbert Heckmann)

Bekannt ist, daß Joseph Breitbach am 20. September 1903 in Ehrenbreitstein bei Koblenz geboren wurde. Sein Vater war Schulleiter.

Ostern 1921 verließ er das Kgl. Kaiserin-Augusta-Gymnasium in Koblenz nach der Unterprima und absolvierte von April 1921 bis März 1923 eine Lehrzeit bei der "Rheinischen Rundschau", einer Tageszeitung in Koblenz.

Von April 1924 bis August 1925 arbeitete er in der Buch- und Musikalien-Abteilung des Kaufhauses Tietz in Koblenz. Überall wurde er mit größtem Lob weiterempfohlen.

Schon früh begann Breitbach selbst zu schreiben und von Koblenz aus Kontakt mit den namhaftesten Schriftstellern und Künstlern seiner Zeit zu pflegen. Er reiste viel, nach Berlin, München, Prag und Paris. Er sympathisierte auch mit der kommunistischen Partei, wurde Mitglied mit 17 Jahren und verließ sie nach neuen Jahren. Seine "Desillusionierung" verarbeitete er in den 1928 erschienenen ersten Erzählungen ("Rot gegen Rot", "Ein Schuß im Tiergarten"), politisch motivierte Texte, die allerdings zum Bruch mit dem Kommunismus führten.

1931 zog Breitbach nach Paris, wo er engen Kontakt mit den dortigen Künstlerkreisen hatte und weiter Reisen durch ganz Europa unternahm. Er trat großzügig auf, unterstützte weniger bemittelte Künstler und bot Kollegen Quartier.

Sein 1932 erschienener Roman "Die Wandlung der Susanne
Dasseldorf" wurde in Deutschland verboten.

Als der Zweite Weltkrieg begann, meldete er sich freiwillig zum französischen Militär, wo er der Auslandsaufklärung zugeteilt und in der Schweiz eingesetzt wurde. Dokumente belegen, daß er seine Tätigkeit für den französischen Nachrichtendienst aus eigener Tasche finanzierte. Er schloß sich der Résistance an. Teilweise lebte er in Paris und Marseille versteckt als Staatenloser und unter falschem Namen.

Nach Ende des Krieges setzte er sich für die deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich und die Aussöhnung der ehemaligen Kriegsgegner ein.

Von 1948 bis 1951 war er Frankreich-Korrespondent der Zeit. Gleichzeitig beriet er den ersten deutschen Botschafter in Paris. Später erhielt er für dieses Engagement die höchsten zivilen Orden, er wurde Ritter der Ehrenlegion und mit dem großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Ab 1955 nahm Breitbach seine literarische Arbeit wieder auf. 1962, ein Jahr nach seinem Umzug nach München, erschien sein Roman "Bericht über Bruno", der sich ein Jahr lang auf der Spiegel-Bestsellerliste hielt und in sieben Sprachen übersetzt wurde. Er fand auch bei der Kritik ein positives Echo. Dieser Erfolg blieb jedoch die Ausnahme. In seinen späteren Werken, überwiegend Theaterstücke, kritisierte er den Kommunismus ebenso wie die Kirche. Er schrieb jedoch auch weiter Erzählungen und Romane ("Das blaue Bidet"). Die Kritik lobte ihn als makellosen Stilisten und nüchternen Schreiber. Eine Pariser Bühne brachte 1975 sein letztes Theaterstück zur Uraufführung ("Genosse Veygond"), eine Geschichte über die Doppelmoral von Religion und Politik.

Joseph Breitbach widmete sein Leben der Literatur. Er war Schriftsteller, Weltreisender, Börsenspekulant, denn er war nicht nur im Umgang mit Menschen, sondern auch mit Geld sehr geschickt. Seine Wohnung barg eine umfangreiche Bibliothek. Er las alles, war hochgebildet und kannte die Werke seiner Gäste. Wer ihn besuchte, erhielt Buchgeschenke und gleichzeitig Anweisungen zur Lektüre. Breitbachs Tür stand jedem offen. Künstler in Not konnten sich an ihn wenden, er half immer. Unermüdlich ließ er sich für Menschen, Literatur, Malerei und Musik unermüdlich begeistern. Zudem war Breitbach ein Mensch, der gegen den Strom schwamm. Er ließ sich nicht unter den Druck der öffentlichen Meinung setzen, erwies sich stets als verbindlich und diskret, war gleichzeitig klug, geschickt und erfolgreich. Seine Lebensphilosophie: "Ein wahrer, ein makelloser Held ist aber nur der, der weiß, daß von den Beweggründen seines Tuns niemand etwas erfährt. Zeugen, Mitwisser wirken wie ein Elixier auf uns oder wie ein Zwang." (aus dem Theaterstück "Zweierlei Helden" von J. Breitbach)

1980 starb er zurückgezogen in München.


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"Niemand habe es schwerer in jenem Bereich sich durchzusetzen, den man so allgemein mit "Kulturbetrieb" bezeichnet, als der Mann, der "es gar nicht nötig hat", bemerkte einmal unter Freunden Adorno." (aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 20.9.78, zu Breitbachs 75. Geburtstag) Die BRILLE-Redaktion beabsichtigt, mit diesem Profil den bedeutenden Stellenwert zu unterstreichen, den Joseph Breitbach hinter den Kulissen für die deutsche Literaturgeschichte unzweifelhaft eingenommen hat. Sein Einfluß kann nicht unberücksichtigt bleiben, will man sich mit der Publizität der Autoren der Nachkriegszeit befassen.


Erstveröffentlichung am 31. Juli 2000

29. Dezember 2006