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SCHULE/046: Beste Praxis gegen PISA-Schock (idw)


Universität zu Köln - 15.02.2011

Beste Praxis gegen PISA-Schock

ADORE-Projekt ermittelt europäische "Best practice" in der Leseförderung


Das Resultat auch der neuesten PISA-Studie zeigt: Jeder fünfte deutsche Jugendliche erfüllt nicht die Mindestanforderungen im Lesen. Eine Bildungskatastrophe, die sich unsere Industriegesellschaft nicht leisten kann. Was läuft falsch beim Thema "Lesen lernen"? Die Leseforscherin Christine Garbe vom Institut für Deutsche Sprache und Literatur II hat mit ihrem von der EU geförderten Projekt "ADORE - Teaching Struggling Adolescent Readers. A Comparative Study of Good Practices in European Countries" nach Mitteln zur Abhilfe gesucht. Sie untersuchte zusammen mit ihren europäischen Kollegen die besten schulischen Ansätze zur Leseförderung in elf europäischen Ländern. Die Wissenschaftler haben nun ihre Antwort auf das Problem vorgelegt: Das deutsche Schulsystem fördert leseschwache Schüler nicht. Im Gegenteil: Durch die Vergabe schlechter Noten werden gerade die Risikogruppen hierzulande demotiviert, richtig Lesen zu lernen. Für die Verbesserung des Leseunterrichts an Schulen schlagen die Wissenschaftler ein Unterrichtsmodell vor, das dem traditionellen entgegengesetzt ist: Der "Reading Instruction Cycle" setzt auf die Mitwirkung der Schüler an der Gestaltung des Unterrichts und setzt bei den Fähigkeiten des Einzelnen an.

Die Studie fand im Rahmen des SOCRATES-Programmes der Europäischen Kommission statt. In Ländern wie Norwegen und Finnland, Österreich, Italien und Deutschland, aber auch Ungarn, Polen und Rumänien wurden Modellprojekte zur Leseförderung an Schulen untersucht. Das Resultat: Gut funktionieren Modelle, in denen die individuellen Lesekompetenzen der Schüler berücksichtigt und sie an der Gestaltung des Unterrichts beteiligt werden. So entwickeln sie Selbstvertrauen. Das traditionelle Unterrichtsmodell, in dem der Lehrer Lesestoffe, Methoden und Lernziele vorgibt, fördert das Selbstvertrauen dagegen nicht. Die Wissenschaftler schlagen ein zirkuläres Unterrichtsmodell vor: den Reading Instruction Cycle. "Unser Modell beginnt mit der Diagnose: Wo stehen die Schüler eigentlich? Alle Schritte, die darauf folgen: Die Ziele, die Auswahl von Lesestoffen und -methoden bis hin zum Training von Lesestrategien und die Überprüfung der Leistungen - das muss alles sehr stark in der Kooperation mit Schülern passieren", so Garbe. Schritt für Schritt werden die leseschwachen Schüler an kleine Erfolgserlebnisse herangeführt. Ihre Selbsteinschätzung wandelt sich dadurch ins Positive. "Man muss die Schülerpersönlichkeit erreichen. Die Tatsache, dass die sich selbst nichts zutrauen: Das muss man aufbrechen."

Das Aussieben der Schüler mittels Noten stehe dem Lernerfolg im Wege, so Professor Garbe. Die "Misserfolgskarrieren" der leseschwachen Schüler müssten rückgängig gemacht werden, indem man alle Lernenden in die Gestaltung des Unterrichts involviere: "Das Hauptziel für uns ist die Veränderung der Leser- und Lerner-Selbstkonzepte dieser Schüler." Wenn die Schüler sich mehr zutrauten, gelinge auch das Lernen besser.

Das ADORE-Projekt hat ein "Adolescent Literacy Network" aufgebaut, das in Zukunft als Internet-Plattform für Information und Service sowie als Dach für weitere Projekte fungieren will. Dort sind genauere Informationen zum ADORE-Projekt abrufbar: www.alinet.eu

Internet:
http://www.uni-koeln.de/phil-fak/deutsch/lehrende/garbe/

Verantwortlich: Dr. Patrick Honecker


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität zu Köln, Gabriele Rutzen, 15.02.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2011