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MARKT/126: Alarmierende Zahlen am Milchmarkt - Milchpreis deckt nur 65% der Erzeugungskosten (EMB)


European Milk Board - Pressemitteilung vom 15. Januar 2016

Alarmierende Zahlen am Milchmarkt: Milchpreis deckt nur 65 % der Erzeugungskosten

Deutsche Erzeuger fahren wie ihre europäischen Kollegen herbe Verluste ein - Milchmenge muss gedrosselt werden


(Brüssel 15. Januar 2016) Die aktuellen Zahlen, die kürzlich zu den Kosten der deutschen Milcherzeugung vom Büro für Agrarsoziologie (BAL) veröffentlicht wurden, lassen keinen Zweifel an einer akuten Krisensituation auf dem Milchmarkt. Für Oktober 2015 betragen die Erzeugungskosten eines Kilogramm Milch im Durchschnitt 44,37 Cent. Zur gleichen Zeit lag der Milchauszahlungspreis in Deutschland jedoch bei nur 29,01 Cent.

Erzeugungskosten aufgeschlüsselt nach Regionen

Die vom BAL zusammen mit der Milcherzeugergemeinschaft Milch Board sowie dem European Milk Board (EMB) herausgebrachte Kostenstudie zeigt neben dem deutschlandweiten Durchschnitt die Erzeugungskosten auch aufgeschlüsselt für die Regionen Ost-, Nord- und Süddeutschland auf.[1] Somit kostete die Produktion im Oktober in der Region Ost 39,98 Cent, im Norden 39,06 und im Süden 47,79 Cent je Kilogramm Milch. Damit waren die Kosten in allen drei Regionen im Vergleich zum Vorquartal leicht zurückgegangen.

Preis-Kosten-Ratio zeigt starke Unterdeckung der Kosten

Die Preis-Kosten-Ratio, die die Deckung der Produktionskosten durch den Milchpreis anzeigt, weist für Oktober einen Wert von 0,65 auf. Demnach wer den die Kosten nur zu 65 Prozent vom Milchauszahlungspreis gedeckt. Es wird für die Betriebe unter diesen Bedingungen immer schwieriger, Reparaturen oder dringend benötigte Ersatzinvestitionen zu tätigen. Selbst Löhne können nicht ausreichend erwirtschaftet werden.

Nicht nur in Deutschland werden keine kostendeckenden Preise gezahlt. Auch in den anderen europäischen Ländern liegen die Preise unter der 30 Cent Marke. So bekommen beispielsweise in Dänemark und den Niederlanden Erzeuger nur 29 Cent und in Belgien bewegt sich der Preis schon seit Monaten um den 25 Cent Bereich. In Litauen lag er Ende 2015 sogar nur bei 20, für einige Erzeuger nur bei 10 Cent je Kilogramm Milch.

Da sich der Trend einer zu hohen Milchmenge am Markt im Vergleich zur Nachfrage auch seit Oktober weiter fortgesetzt hat, werden sich die Milchpreise mittel- und höchstwahrscheinlich auch langfristig nicht erholen. Romuald Schaber, Präsident des EMB, sieht angesichts der aktuellen EU-Milchpolitik keine Chance auf Besserung: "Die Defizitsituation wird weiter bestehen bleiben und nur die Schulden und Anzahl der schließenden Höfe nach oben treiben, nicht aber die dringend benötigten Investitionen auf den Betrieben."

Weniger melken für einen stabilen Preis

Ziel für viele Milcherzeuger europaweit ist daher eine Drosselung der Menge. Da in kritischen Preissituationen der einzelne Erzeuger jedoch eher gezwungen ist, mehr zu produzieren, um die Stückkosten zu reduzieren, ist ein gemeinsam für alle Erzeuger geltender Rahmen auf EU-Ebene notwendig. Kernstück einer solchen Rahmenregelung könnte ein an positive Anreize gekoppelter freiwilliger Lieferverzicht sein. Für eine reduzierte Produktion wird interessierten Milchviehhaltern EU-weit ein Bonus gezahlt; der Mengendruck am Markt wird dadurch verringert. Mit einem Bonussystem zur Mengenreduzierung arbeitet aktuell auch Friesland Campina - eine der größten europäischen Molkereien. Denn die Abwesenheit passender Marktinstrumente macht nicht nur Erzeugern, sondern letztlich auch der Milchindustrie zu schaffen.

Mit dem Marktverantwortungsprogramm (MVP) liegt bereits ein gutes Rahmenkonzept, inklusive freiwilligem Lieferverzicht, für den Milchsektor vor. Das EMB fordert von der EU-Politik nun, dieses Konzept anzuwenden und den Stabilisierungsprozess auf dem Milchmarkt endlich einzuleiten.


Hintergrund:

Die gemeinsam von European Milk Board (EMB) und MEG Milch Board beim Büro für Agrarsoziologie & Landwirtschaft (BAL) in Auftrag gegebene Kostenstudie berechnet die deutschlandweiten Erzeugungskosten der Milch. Sie basiert zum einen auf Daten des InformationsNetzes Landwirtschaftlicher Buchführungen der Europäischen Kommission (INLB), nutzt zu deren Aktualisierung zudem Preisindizes für landwirtschaftliche Betriebsmittel wie Futter, Dünger, Saatgut und Energie vom Statistischen Bundesamt und greift auf einen Einkommensansatz zurück, der die Arbeitsleistung der Betriebsleiter und Familienangehörigen kalkuliert.

Auf dieser Studie aufbauend hat die MEG Milch Board den Milch Marker Index (MMI) entwickelt, der den aktuellen Verlauf der Erzeugungskosten (mit Basisjahr 2010 = 100) dokumentiert. Für Oktober 2015 beträgt der MMI 107 Punkte. Vierteljährlich wird er gemeinsam mit einer Preis-Kosten-Ratio veröffentlicht. Diese zeigt das Verhältnis zwischen den amtlich erfassten Rohmilchpreisen an die Erzeuger und den Milcherzeugungskosten.

Mehr zum Marktverantwortungsprogramm (MVP) finden Sie auf der Seite des EMB im Internet unter: www.europeanmilkboard.org


Anmerkung:
[1] Zu Süddeutschland zählen: Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland
Zu Norddeutschland gehören: Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen,
Ostdeutschland setzt sich zusammen aus: Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt

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Quelle:
Pressemitteilung vom 15. Januar 2016
EMB asbl - European Milk Board
Rue du Commerce 124, bte 4, 1000 Brussels
Telefon: +32 (0)2 808 1935, Fax: +32 (0)2 808 8265
E-Mail: office@europeanmilkboard.org
Internet: www.europeanmilkboard.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2016

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