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BANKEN/019: Stichwort - Die EZB und ihre Geldpolitik (spw)


spw - Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft
Ausgabe 8/2007 - Heft 160

Stichwort zur Wirtschaftspolitik:
Die EZB und ihre Geldpolitik

Von Arne Heise


Als im Februar 1992 der Maastrichter Vertrag vom Europäischen Rat unterzeichnet wurde, wurde damit ein neues Kapitel in der Geschichte der europäischen Integration aufgeschlagen. Denn anders als noch im Falle der Römischen Verträge von 1957 und der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) von 1986 geht der Maastrichter Vertrag mit der Schaffung der Europäischen Union und einer gemeinsamen Währung über ausschließlich wirtschaftlich motiviertes Zusammenarbeiten der europäischen Mitgliedsländer weit hinaus.


Die institutionelle Ausgestaltung der EZB

Deutschland und die Deutsche Bundesbank legten großen Wert darauf, dass die EZB weitestgehend nach dem als besonders erfolgreich angesehenen Bundesbank-Modell konstruiert wurde und die Geldpolitik der EZB den Prinzipien der Bundesbank folgt. Dies ist keineswegs selbstverständlich, schließlich war es einerseits die restriktive Geldpolitik der Bundesbank, die in Frankreich im Rahmen der 'Franc fort'-Politik für die ökonomische Stagnation der 'Grand Nation' in den 1980er und 1990er Jahren verantwortlich gemacht wurde, und andererseits gab es in Europa unterschiedliche 'Kulturen' der Geldpolitik. Herausgekommen ist ein System zentraler Dezentralisierung, d.h. die EZB steuert die Geldpolitik in der EURO-Zone, während die nationalen Zentralbanken diese Politik nur umzusetzen haben.

Es gehört mittlerweile zum common sense der Geldpolitik, dass ein positiver Zusammenhang zwischen dem Unabhängigkeitsgrad einer Zentralbank und der Preisstabilität der ausgegebenen Währung besteht. Weniger Konsens besteht allerdings darin, ob die höhere Preisstabilität auch mehr Wachstum ermöglicht oder gar mit Wachstumsverlust bezahlt werden muss. Die EZB jedenfalls genießt statutengemäß die höchste denkbare Unabhängigkeit: Sie hat Zielunabhängigkeit, sie ist in der Wahl ihrer Instrumente unabhängig, die handelnden Personen sind von größtmöglicher Unabhängigkeit und die EZB darf weder der Europäischen Kommission noch nationalen Regierungen direkt Kredite gewähren. Schließlich ist die Rechenschaftsverpflichtung der EZB äußerst begrenzt: Sie veröffentlicht monatliche und Jahresberichte und kann auch vom Europäischen Parlament zu Stellungnahmen aufgefordert werden, doch hat dieses Berichtswesen immer nur Informations-, nicht aber Rechenschaftscharakter, der sich auf die Handlungsweise der EZB auswirken könnte.


Eine (erste) Bewertung der Geldpolitik der EZB

Wie jede andere Zentralbank kann auch die EZB das Ziel der Preisstabilität nicht direkt verfolgen, sondern nur durch Beeinflussung realer und monetärer Größen auf die endogene Preisentwicklung Einfluss nehmen. In der akademischen Geldtheorie ist mittlerweile die monetaristische Geldmengensteuerung, die die Entwicklung eines Geldmengenaggregats als entscheidendes Zwischenziel ansah, zugunsten eines direkten 'Inflation Targeting' mittels Zinspolitik ersetzt worden. Die EZB hat sich bisher noch für keine klare Strategie entscheiden können. Mit ihrer 2-Säulen-Strategie versucht sie Geldmengenorientierung und 'Inflation Targeting' zu verbinden, verwirrt damit aber lediglich die Marktteilnehmer, für die der geldpolitische Kurs der EZB nur schwer prognostizierbar wird, wenn die Indikatoren der beiden Säulen sich widersprechen. Zusätzlich ist das eigentliche Ziel der EZB nicht klar definiert: Preisstabilität ist als politische Vorgabe in den Statuten der EZB nicht klar beschrieben, die EZB definiert 'Preisstabilität' selbst als eine Preissteigerungsrate von unter, aber nahe der 2% Grenze des harmonisierten Verbraucherpreisindizes.

Die Bewertung der Geldpolitik der EZB muss an der Erfüllung ihrer Aufgaben und Ziele erfolgen: Nach EU-Vertrag und EZB-Statut ist die Sicherung der Preisstabilität das vorrangige Ziel der Geldpolitik, nachgeordnet können dann auch Ziele wie Wirtschaftswachstum oder Vollbeschäftigung angesteuert werden. Trotz bislang recht kurzer Historie der EZB und ihrer Politik soll zunächst ein Blick auf einige Indikatoren geworfen werden (siehe Tabelle).




EURO-Zone
USA
GB
Inflationsrate
1,9  
2,2
1,8
M3
(Zielvorgabe)
8,4  
  (4,5)
-

-

Kurzfr. Realzinsen
1,3  
1,4
1,7
Wachstums-Zins-Differential
0,7  
1,7
1,5
Reales BIP-wachstum
2,0  
3,1
3,2

TABELLE: Entwicklung ausgewählter Indikatoren in der EURO Zone,
den USA und Großbritannien; 1999-2006;
Anmerkungen: Jahresdurchschnittliche Veränderungsraten;
Quelle: European Economy, Statistical Annex, Spring 2006;
EZB - Monatsbericht 07/2006.



Mit einer Inflationsrate des harmonisierten Verbraucherpreisindizes von durchschnittlich 1,9% seit 1999 hat die EZB die Zielvorgabe fast punktgenau erreicht, allerdings variieren die Inflationsraten in der EWU weiterhin beträchtlich (2006: Deutschland 1,4%, Griechenland 3,5%). Wird die Inflationsentwicklung mit den USA oder Großbritannien verglichen, fällt zudem auf, dass auch andere Zentralbanken vergleichbare Preisstabilität erzielen konnten - allerdings bei deutlich höherem Wirtschaftswachstum. Denn obwohl die kurzfristigen Realzinsen in der EURO-Zone niedriger waren als in den USA oder Großbritannien, zeigt das Wachstums-Zins-Differenzial, wo das Problem liegt: In der aktuellen Konjunkturphase erscheint die Geldpolitik noch zu restriktiv. Die Geldpolitik der USA reagierte z.B. deutlich sensitiver auf den konjunkturellen Einbruch des Jahres 2001 als die EZB und ermöglichte damit eine schnellere und kräftigere wirtschaftliche Erholung als in der EURO-Zone - und dies, ohne inflationäre Gefahren in Kauf nehmen zu müssen.

Es muss offen bleiben, ob sich hier tatsächlich dauerhafte Unterschiede in der geldpolitischen Orientierung unterschiedlicher Notenbanksysteme zeigen oder lediglich die einzigartige Fähigkeit des (ehemaligen) amerikanischen Fed-Präsidenten Alan Greenspans, die Bedürfnisse der Märkte lesen zu können - allerdings deutet einiges darauf hin, dass weder das Zentralbank-Design der EZB noch das bislang fragmentarisch verbliebene ökonomische Governance-System in der EWU optimal in dem Sinne gestaltet wäre, dass die Wirtschaft der EURO-Zone sich in einer Form entwickeln kann, die den Bürgern der EU den Eindruck vermittelt, sie profitierten von der europäischen Integration - die gegenwärtige EU-Skepsis bzw. sogar EU-Frust ist also wahrscheinlich hausgemacht.

Dr. Arne Heise ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg.


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Quelle:
spw - Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft
Ausgabe 8/07, Heft 160, 2007, Seite 42-43
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Februar 2008