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LAIRE/066: Rassistisches Italien - "Sicherheitspaket" ante portas (SB)


Italien kriminalisiert illegal eingewanderte Flüchtlinge

Berlusconi band brisantes Sicherheitspaket an Vertrauensfrage


Die italienische Regierung bringt ein rassistisches "Sicherheitspaket" auf den Weg, und niemand regt's auf. Als vor zehn Jahren in Österreich eine Koalitionsregierung mit der rechtslastigen FPÖ gebildet wurde, wurde die Alpenrepublik von den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union marginalisiert, politische Kontakt auf Eis gelegt. Damals hatten die Freiheitlichen um Jörg Haider noch gar keine gesetzgeberischen Entscheidungen mitgetroffen, es genügte die bloße Regierungsbeteiligung als Anlaß zur Ausgrenzung. Nun gibt es sicherlich vieles und Grundsätzliches an den Vorstellungen dieser Partei und ihrem damaligen Vorsitzenden Jörg Haider auszusetzen, mit dem Versuch, sie zu marginalisieren und einen Mitgliedsstaat zu sanktionieren, hat die EU ihre Maske fallen gelassen.

Nun also Italien. Die Neofaschisten als Juniorpartner Silvio Berlusconis zu bezeichnen, verharmloste das Verhältnis der Koalitionsregierung. Das zeigte nicht zuletzt am Mittwoch die Abstimmung des Parlaments über jenes unsägliche Sicherheitspaket. Laut der "Jungen Welt" (14.5.2009) votierten 316 Abgeordnete für und 258 Abgeordnete dagegen. Wenn der Senat dem Paket zustimmt, dann hat in Italien der Rassismus endgültig Tritt gefaßt. Die Gesetzentwürfe richten sich vor allem gegen sogenannte Illegale. Werden sie aufgegriffen, müssen sie mit einer saftigen Strafe zwischen 5.000 und 10.000 Euro rechnen. Die Abschiebung wird nicht lange auf sich warten lassen. Andererseits jedoch wird der Aufenthalt von Einwanderern in den Auffanglagern, die dann den Charakter von Internierungslagern erhalten, verlängert.

Illegalen wird zwar die medizinische Hilfe künftig nicht explizit verweigert, aber faktisch läuft das neue Gesetz genau darauf hinaus, da die Ärzte angehalten sind, Patienten ohne Papiere zu melden. Unterlassen sie dies, machen sie sich strafbar. Wer illegal eingewanderte Personen bei sich aufnimmt oder ihnen eine Wohnung vermietet, soll künftig mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Das wird eine enorm abschreckende Wirkung haben und auch das Mißtrauen der Menschen untereinander verstärken.

Die italienische Regierung treibt die Repressionen weiter und weiter voran: Aufmarsch von bewaffneten Soldaten an "Brennpunkten" der großen Städte, Aufruf zur Bildung von Bürgerwehren, die darauf achten, daß alles seine Ordnung hat, erkennungsdienstliche Erfassung von Roma-Kindern, Kriminalisierung der Ausländer und Vorschläge, apartheidähnliche Zustände in U-Bahnen einzuführen - die Liste der Zwangsmaßnahmen wird lang und länger. Aber kein Mucks aus Brüssel! Weder sind Bemühungen erkennbar, Italien zu sanktionieren, bis daß es einen anderen Kurs angelegt hat, noch wird in den EU-Institutionen versucht, die Vertreter Italiens zum Einlenken zu bewegen.

Es gibt mehrere Gründe, warum Österreich boykottiert wurde, Italien aber verschont wird: Inzwischen ist die gesamte EU mehr nach rechts gewandert. Außerdem diente der Österreich-Boykott als (nahezu beliebiger) Vorwand, um ein Exempel zu statuieren und kleineren Staaten zu zeigen, wer der Herr im Haus ist. Im übrigen bilden die im italienischen Sicherheitspaket enthaltenen Maßnahmen Modellcharakter für andere Bevölkerungsgruppen, die künftig kriminalisiert werden sollen. Beim Thema "Ausländer" liegt die Akzeptanzschwelle der Abgeordneten für ihr Ja zu repressivsten Innovationen ziemlich niedrig.

Der wichtigste Grund jedoch, warum die EU-Mitglieder keine Schritte gegen Italien einleiten: Es ist ein Frontstaat der gesamten Union. Italien hat die Aufgabe, den Menschenstrom aus Afrika abzuwehren. Alle Maßnahmen, die Berlusconi und Co. zu diesem Zweck sinnvoll erscheinen, werden von allen anderen EU-Mitglieder akzeptiert. Die sind froh, daß Italien für sie die Drecksarbeit erledigt, und sie sich nicht die Hände schmutzig machen. Die Kriminalisierung der zu "Illegalen" erklärten Ausländer und ihrer Unterstützer schützt auch die unter Wirtschafts-, Klima-, Energie- und Umweltkrise schrumpfenden Fleischtöpfe der Europäische Union. Oder, um an ein geläufiges Bonmot anzuknüpfen: Deutschland wird auch in Lampedusa verteidigt.

14. Mai 2009