Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → POLITIK


GRIECHENLAND/011: Kapitalistischer Kannibalismus - Griechenland, Deutschland und die Europäische Union (spw)


spw - Ausgabe 4/2015 - Heft 209
Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft

Kapitalistischer Kannibalismus:
Griechenland, Deutschland und die Europäische Union

von Klaus Dörre[1]


Der 12. Juli wird in die Geschichtsbücher eingehen. Von diesem Tag datiert die Vereinbarung des Eurogipfels zu einem weiteren Finanzpaket des Europäischen Rettungsschirms ESM für Griechenland. Sie formuliert Bedingungen, die in manchem härter erscheinen als jene des Überbrückungsprogramms, die zuvor von mehr als 60 Prozent der griechischen Bevölkerung abgelehnt worden waren. "Die Verhandlungen beim Euro-Gipfel fanden nicht auf Augenhöhe statt"[2], heißt es in einem Non-Paper der griechischen Regierung. Das ist eine sehr vorsichtige Umschreibung dessen, was der Philosoph Jürgen Habermas als "schändliche Reaktion" der deutschen Regierung bezeichnet.[3] Antje Vollmer fühlt sich an die Niederschlagung des Prager Frühlings erinnert. Griechenland sei auf "dem Weg zum "Protektorat der Eurozone".[4] Erhard Eppler sieht die europäische Idee beschädigt und legt dem deutschen Finanzminister den Rücktritt nahe.[5]

Wie von Dr. Schäuble angekündigt, enthält die Vereinbarung keinen "Referendumsbonus". Im Gegenteil, sie wirkt wie eine Bestrafung der aufmüpfigen Griechen. Um überhaupt Verhandlungen über ein neues ESM-Programm im Umfang von ca. 86 Milliarden Euro aufnehmen zu können, musste die griechische Regierung in kürzester Zeit sicherstellen, dass "bei Abweichung von ehrgeizigen Primärüberschusszielen" im Haushalt "quasi automatisch Ausgabenkürzungen eingeführt werden".[6] Auf diese Weise wird die Austeritätspolitik zu einer von außen überwachtene Staatsdoktrin. Kein Wunder, dass die Syriza-Regierung an der Wirksamkeit der verabreichten Krisentherapie zweifelt. Ihre Zustimmung rechtfertigt sie mit dem - zutreffenden - Argument, die Alternative, erzwungener Grexit, sei eine noch schlimmere. Der Preis, den sie für die Vereinbarung zu zahlen hat, ist extrem hoch: "Die Regierung muss die Institutionen zu sämtlichen Gesetzentwürfen in relevanten Bereichen mit angemessenem Vorlauf konsultieren und sich mit ihnen abstimmen, ehe eine öffentliche Konsultation durchgeführt oder das Parlament befasst wird".[7] Damit ist unmissverständlich klargestellt, was die deutsche Kanzlerin mit verlorenem Vertrauen meint. Dass die Regierung Tsipras von einer großen Mehrheit der griechischen Bevölkerung unterstützt wird, ist sekundär. Unverzichtbar ist allein das Vertrauen der Institutionen (EU-Kommission, EZB, IWF) und der Gläubiger. Dieses Vertrauen genießt ausschließlich, wer marktradikale Austeritätsvorgaben möglichst nahtlos umsetzt. Wer versucht, Alternativen zum strikten Sparkurs auszuhandeln, "belügt das eigene Volk".[8]

Wie zum Beweis muss die Syriza-Regierung nun gegen ihre Programmatik eine Vereinbarung umsetzen, die das Land für Jahrzehnte der Fremdbestimmung ausliefert. Griechenland ist keine Kolonie,[9] von solcher Abhängigkeit aber auch nicht sehr weit entfernt.

1. Eine historische Zäsur: Eurozone ohne Zukunft?

Wie auch immer man das Diktat des Eurogipfels im Detail bewertet - für die Europapolitik allgemein und die Politik der europäischen Linken im Besonderen bedeutet eine historische Zäsur. In ihrer bestehenden Form dürfte die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) keine Zukunft haben. Ihr Konstruktionsfehler, die europäische Integration den Märkten zu überantworten, um so höchst heterogene Ökonomien und Sozialmodelle "nachziehen" zu lassen, wird mittlerweile selbst von ehemaligen Befürwortern wie dem Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen öffentlich diskutiert.[10] Bleibt es indessen beim Status quo, so ist die Europäische Zentralbank (EZB) jederzeit in der Lage, abweichende Politiken mit dem Entzug der Liquidität zu bestrafen. Politische Alternativen zu einem sich nunmehr offen autoritär gebärdenden Wirtschaftsliberalismus, der den europäischen Binnenmarkt von vermeintlich wachstumshemmenden Regularien zu befreien sucht, sind unter diesen Bedingungen nahezu ausgeschlossen.

Doch auch den vorläufigen Siegern im Griechenlandkonflikt fällt das Lächeln schwer. Von der Wirksamkeit des verordneten Sparpaktes nicht überzeugt und, wie der deutsche Finanzminister, teilweise mit einer Grexit-Lösung liebäugelnd, haben Merkel und Co. sehenden Auges die Spaltung Europas in Kauf genommen. "Feuer unterm Dach",[11] titelte das Handelsblatt, als der Franzose Hollande und der Italiener Renzi ihren Dissens zur deutschen Kompromisslosigkeit öffentlich machten. Dieser Schwelbrand wird sich nur noch schwer löschen lassen. Denn die Interessen der wenigen Gläubigerstaaten und insbesondere Deutschlands auf der einen und der verschuldeten Krisenländer auf der anderen Seite sind in mancherlei Hinsicht antagonistisch. Entgegen des immer wieder neu befeuerten Ressentiments, Deutschland müsse für die "faulen Griechen" zahlen, ist der deutsche Fiskus Nutznießer der Krise. Je tiefer die Krise in Griechenland, desto größer wird die Attraktivität deutscher Staatsanaleihen, die den Anlegern als sichere Hafen gelten. Weil die Europäische Zentralbank den Markt mit billigem Geld flutet, ist Deutschland in der Lage, auslaufende Staatsanleihen durch Papiere mit niedrigerem Zins zu ersetzen.[12] Was sollte einen Gläubigerstaat, für den schlechte Nachrichten aus Griechenland fiskalpolitische gute Nachrichten sind, zur Nachgiebigkeit gegenüber dem Schuldner veranlassen? Die Schuldner-Gläubiger-Beziehungen sind ein Beispiel für eskalierende Interessengegensätze zwischen europäischen Staaten, die quer durch alle politischen Lager die Frage nach der Zukunft der Europäischen Union aufwerfen. Wenn das Wohl der Gläubigerstaaten vom Wehe der verschuldeten Krisenländer abhängt, dann ist, so meine These, der Eurokapitalismus dabei, "kannibalistisch" zu werden. Die Krisengewinner, allen voran Deutschland, prosperieren auf Kosten einer europäischen Peripherie, die sie mit der von ihnen verantworteten Austeritätspolitik in die Zinsknechtschaft getrieben haben.

2. Die Griechen sind schuld!

Diese These liegt quer zur öffentlichen Meinung und auch zum Mainstream der Ökonomen und Sozialwissenschaftler. Gängige Klischees, die hierzulande die öffentliche Meinung beherrschen, hat der Ökonom Michael Hutter vorbildlich in einem Statement zusammengefasst. Mit Griechenland werde (1) eine teilweise noch immer vormoderne Gesellschaft von den Finanzmärkten bestraft, die (2) seit langem überfällige Reformen einklagten und just diese Reformen seien (3) von einer inkompetenten Linksregierung zu einem Zeitpunkt sabotiert worden, als das Land sich auf dem Weg der Besserung befunden habe.[13] Prüfen wir die Fakten.

(1)
Ohne Zweifel handelte es sich in Griechenland schon vor der Krise um einen dringend reformbedürftigen Kapitalismus.[14] Das Land wird seit langer Zeit von ca. 2.000 vermögenden Familien beherrscht. Seit der ersten Nachkriegsverfassung genießen Reeder skandalöse Steuerprivilegien. Demgegenüber war der postautoritäre griechische Wohlfahrtsstaat immer schon defizitär und der Arbeitsmarkt stark segmentiert. Dem Kernbereich relativ geschützter Beschäftigungsverhältnisse ließen sich ca. eine Million Beschäftigte zurechnen; in prekären Jobs mit limitierter sozialer Sicherheit arbeiteten eineinhalb Millionen Menschen; zwei Millionen waren im informellen Sektor und damit weitgehend ohne sozialen Schutz tätig.[15] Ein vergleichsweise hoher Anteil der Arbeitsplätze ist im öffentlichen Dienst angesiedelt. Das ist nicht ausschließlich Folge einer Vetternwirtschaft, die politische Gefolgschaft mit öffentlichen Ämtern belohnte. Der öffentliche Sektor ist, neben der kleinen Selbstständigkeit (30 Prozent Anteil an der Gesamtbeschäftigung), der einzige Bereich, der Freisetzungen im noch immer beschäftigungsintensiven agrarisch-traditionalen Sektor (16,7 Prozent der Arbeitskräfte, 16 Prozent-BIP-Anteil) auffängt. Trotz des hohen Anteils an Staatsbeschäftigten bewegten sich die öffentlichen Ausgaben vor der Krise im Durchschnitt der Eurozonen-Länder. Nicht die Ausgaben, sondern die geringen Steuereinnahmen waren Ursache der hohen Staatsverschuldung.[16] In der skizzierten Gesamtkonfiguration wirkte das System organisierter Arbeitsbeziehungen mit seiner zersplitterten Tarif- und Gewerkschaftslandschaft wie ein Autopilot.[17] Kollektivverträge vor allem der geschützten Beschäftigten wurden von Staatsseite für verbindlich erklärt und sorgten für Lohnsteigerungen bei relativ gut geschützten Gruppen, während prekär und informell Arbeitende leer ausgingen. In diesem System existiert bis heute keine kollektive Sicherung für längerfristig Erwerbslose. Deshalb dienen Familie und Renten als funktionale Äquivalente. Wer aus dem Erwerbssystem herausfällt, ist auf die Solidarität im Familienverbund und auf die Pensionen der Eltern oder Großeltern angewiesen.

Es kann kein Zweifel bestehen, dass die griechischen Eliten eine erhebliche Verantwortung für die aktuelle Misere tragen. Korrupte Politiker, ein ineffizientes Steuersystem und finanztechnische Manipulationen beim Zugang zur Eurozone hatten schon vor der Krise zu einer Schieflage des Staatshaushaltes beigetragen. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite verkörpert ein europäisches Finanzsystem, das überschüssige Liquidität bereitwillig in den schuldengetriebenen Wirtschaftsaufschwung Griechenlands investierte.[18] Als das in seinem wahren Ausmaß zunächst verdeckte Staatsdefizit 2009 auf offiziell 15,6 Prozent anstieg, verlangten Investoren, die griechische Schuldscheine zuvor kaum anders behandelt hatten als deutsche Staatsanleihen, höhere Zinsen. Die Banken reagierten mit panikartigen Versuchen, griechische Wertpapiere zu verkaufen. Angesichts des Wertverfalls und der Zinssteigerungen war der griechische Staat, der sich für die Konsolidierung der Banken zusätzlich verschuldet hatte, nicht mehr in der Lage, die Zinszahlungen aus eigener Kraft zu meistern. Griechenland blieb mit diesem Problem nicht allein. Ratingagenturen und institutionelle Anleger suchten nach weiteren Wackelkandidaten innerhalb der Eurozone. Erst das Versprechen der Europäischen Zentralbank, praktisch unbegrenzt Staatsanleihen aufzukaufen, gebot dem spekulativen Treiben Einhalt. Doch die strukturellen Finanzprobleme der Krisenstaaten blieben. In ihrem Bestreben, angeschlagenen Kreditinstituten das Überleben zu sichern, hatten die europäischen Staaten bei hoher Arbeitslosigkeit und dadurch bedingten Steuerausfällen teilweise dramatische Neuverschuldungen in Kauf genommen. Die Bankenkrise weitete sich zu einer staatlichen Fiskal- und Finanzierungskrise aus. Für kostspielige Rettungsmaßnahmen, die sie über Kredite finanzierten, wurde den Krisenländern anschließend von Finanzmarktunternehmen, die im Angesicht der Krise lauthals nach Staatsintervention gerufen hatten, die Rechnung präsentiert. Die Misstrauenserklärung der Finanzmärkte bestrafte vor allem die Nehmerländer von Finanzhilfen in Südeuropa mit sinkender Kreditwürdigkeit und steigenden Zinsen. Auf diese Weise wurde die griechische Krise zur Geburtshelferin eines europäischen Konsolidierungsregimes, das Schuldenabbau und Haushaltsdisziplin oberste Priorität einräumt und selbiges in den Krisenländern gänzlich "ohne Betäubung"[19] praktiziert.

(2)
Damit sind wir beim Inhalt der - erzwungenen - Reformen angelangt. In ihrer gegenwärtigen Verfasstheit bedeuten Währungsunion und Euro, dass den Mitgliedstaaten der Eurozone die Möglichkeit genommen wird, Wettbewerbsdefizite mittels Abwertung ihrer nationalen Währung zumindest auf Zeit auszugleichen. Deshalb, so Wolfgang Streeck, bleibe den schwächeren Ökonomien nur die "innere Abwertung"[20], sprich: der ständige Druck auf Löhne und Sozialstandards. Man mag einwenden, diese Sichtweise sei zu hermetisch. Sie unterschätze politische Handlungsspielräume innerhalb der Eurozone und übersehe, dass der Euro sich als "anti-neoliberales Projekt" ursprünglich gegen Devisenspekulationen und überbordende Standortkonkurrenzen gerichtet habe.[21] Der nach dem aktuellen Chef der Europäischen Kommission benannte Juncker-Plan stellt die Weichen jedoch in eine andere Richtung. Ohne Vertragsänderungen soll richtigerweise eine gemeinsame europäische Haftung für Bankanlagen eingeführt und dem europäischen Bankabwicklungsfonds eine Kreditlinie des ESM gewährt werden. Diese "Europäisierung" wird jedoch an ein marktradikales Programm gekoppelt, das alle Staaten der Eurozone trifft: "Das Problem divergierender Wettbewerbsfähigkeit will Juncker lösen, indem alle Länder angehalten werden, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Dabei hat er vor allem die Begrenzung der Lohnkosten und Deregulierung der Arbeitsmärkte im Sinn, außerdem die Begrenzung der Rentenbeiträge, unter anderem durch längere Lebensarbeitszeit [...] Den Staatseinfluss auf die Wirtschaft will Juncker neben der Liberalisierungsagenda dadurch zurückdrängen, dass die Regierungen finanziell knapp gehalten werden. Sie sollen keine nennenswerten Defizite mehr machen dürfen und müssen aus den laufenden Einnahmen Schulden zurückzahlen. Das schafft einen Zwang zur Bescheidenheit. Außerdem sollen Banken nur noch begrenzt Staatsanleihen halten dürfen, was die Nachfrage nach diesen Anleihen senkt."[22] Ein Steuerwettbewerb der Mitgliedsstaaten soll in die gleiche Richtung wirken. Neu ist der Versuch, die Austeritätspolitik durch eine Mobilisierung vor allem privater Investitionen zu flankieren. Doch Investitionszusagen in Krisensituationen sollen nur denjenigen Ländern gewährt, werden, die sich an die europäischen Fiskalregeln halten, sprich: die den Arbeitsmarkt deregulieren, die Löhne begrenzen und in Ausbildung der Arbeitskräfte investieren.[23] Jede ökonomische Krise eines Mitgliedslandes würde so automatisch zu einem Deregulierungsprogramm. Nach dieser Interpretation des Juncker-Plans wäre die Eurozone ein marktradikales Friedman'sches Projekt, das sich am Vorbild des US-amerikanischen Kapitalismusmodells orientiert. Das aktuelle europäische Krisenmanagement entspricht diesem Geist. Denn die Reformen, die die verordnete Austerität erzwingt, richten sich weder gegen den Klientelismus noch gegen vormoderne Strukturen, ihr Objekt ist der ohnehin defizitäre griechische Wohlfahrtsstaat.

Die Ergebnisse dieser Politik, die seit Krisenbeginnen mit Lohn- und Gehaltskürzungen, Senkung des Mindestlohns (um 22 Prozent sowie 32 Prozent bei Berufseinsteigern), Streichung von 150.000 Stellen im öffentlichen Dienst, Rentenkürzungen, Privatisierungsforderungen und Steuererhöhungen operiert,[24] sind verheerend. Ab 2008 schrumpfte das griechische BIP kontinuierlich, die Rekordmarke wurde 2011 mit minus 6,9 Prozent erreicht. Mehr als 180.000 Betriebe sind insolvent oder von Insolvenz bedroht. Als Folge stieg die statistisch ausgewiesene Arbeitslosigkeit von 7,7 Prozent (2008) auf 27,1 Prozent (2013), seither ist sie offiziell nur leicht zurückgegangen (ca. 25 Prozent 2015). Griechischen Arbeitsmarktexperten zufolge liegt sie real aber noch einmal um fünf Prozent höher als es die Statistik offiziell ausweist. Das gilt auch für die Jugendarbeitslosigkeit, die im genannten Zeitraum von 22,1 Prozent auf 59,1 Prozent kletterte. Allein 2010 und 2011 fiel das Durchschnittseinkommen der Lohnabhängigen um insgesamt acht Prozent, die Lohnkürzungen im öffentlichen Sektor betragen 20 Prozent, im Extremfall sogar 50 Prozent. Der Anteil nicht sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse ist auf 36 Prozent angestiegen. Diese Zahl gibt das Ausmaß der Prekarisierung aber nur sehr unvollständig wieder. Etwa ein Drittel der offiziell Beschäftigten arbeitet unregelmäßig und teilweise nur wenige Wochenstunden. Viele bleiben über Monate hinweg völlig ohne Lohn. Ein Kündigungsschutz ist de facto nicht mehr existent. Nur eine kleine Minderheit der Arbeitslosen bekommt staatliche Unterstützung, denn wer länger als ein Jahr ohne Erwerbsarbeit ist, hat das Anrecht auf Transfers verloren. Als letztes Auffangnetz dient wieder die Familie. Von der Rente einer Person leben häufig Familienangehörige mehrerer Generationen. In diesem Zusammenhang fallen Rentenkürzungen, die sich bis 2014 zwischen 14 Prozent und 48 Prozent bewegten, dramatisch ins Gewicht. Die Obdachlosigkeit, von der selbst gebildete Personen betroffen sind, liegt 45 Prozent über dem Vorkrisenniveau. Auch die Selbstmordrate erreicht Rekordwerte, nach einem Anstieg um 25 Prozent (2009-2010) lag sie im Folgejahr noch einmal um 40 Prozent höher. Trotz aller Opfer der Bevölkerung ist die öffentliche Verschuldung Griechenlands von 120 Prozent des BIP im Jahr 2010 auf 175 Prozent im Jahr 2013 geklettert. 2015 könnte sie die 200-Prozent-Marke erreichen. Selbst der IWF lässt inzwischen verlauten, die griechischen Schulden seien "nicht nachhaltig".[25] Trotz einiger Zugeständnisse der Gläubiger ist der Anteil am BIP, der für die Schuldentilgung aufgewandt werden muss, noch immer so hoch, dass "die Wirtschaft bei ausgeglichenem Primärsaldo über einen langen Zeitraum Wachstumsraten von ca. vier Prozent pro Jahr erzielen muss, ohne eine substanzielle Verringerung der Schulden zu erreichen".[26] Das ist, zumal angesichts des Zwangs zu einem Primärüberschuss im Haushalt, völlig unrealistisch. Trotz Austerität wurden die vereinbarten Primärüberschuss-Ziele schon in der Vergangenheit nie erreicht, die griechischen Exporte stagnieren, das Wirtschaftswachstum ist seit Krisenbeginn um insgesamt mehr als 25 Prozent eingebrochen und selbst der Kapitalstock ist geschrumpft. Allein die Vermögenskonzentration funktioniert weiterhin bestens.[27] In einem Land, das "die stärkste Absenkung des Lebensstandards" durchmacht, "die jemals in Friedenszeiten in einer entwickelten Wirtschaft gemessen wurden",[28] forciert die Fortsetzung des Sparkurses die Zerstörung von Wirtschaft und Gesellschaft.

(3)
Wer angesichts solcher Daten davon spricht, Griechenland sei auf dem Weg der Genesung gewesen, bis die Syriza-Regierung ihn verlassen habe, der nimmt es mit der Wahrheit nicht sehr genau. Griechenland hat sich aufgrund der Austeritätspolitik von einer dringend reformbedürftigen in eine Gesellschaft verwandelt, in der nicht der Klientelismus, sondern der ohnehin schwache Wohlfahrtsstaat beseitigt wird. Weil rund drei Millionen Menschen aus den kollektiven Sicherungssystemen herausgefallen sind, können elementare soziale Leistungen nur noch auf dem Weg der Selbsthilfe gewährleistet werden. Ärzte versorgen nach dem offiziellen Arbeitstag kostenlos Kranke, die keine reguläre medizinische Versorgung beanspruchen können. Der materielle Mangel fördert die Subsistenzarbeit, Tauschringe ohne Geldzahlungen sichern mittellosen Personen eine Grundversorgung und soziale Netzwerke bieten Familien, die ihre Mieten nicht mehr zahlen können, Obdach in beengten Wohnungen oder auf Campingplätzen an. Inmitten der Eurozone ist so eine precarious society[29] entstanden, in der nicht nur die Erwerbsarbeit, sondern mehr oder minder alle gesellschaftlichen Basisinstitutionen instabil geworden sind. In solchen Gesellschaften gewinnen patriarchale Familienbeziehungen und Clan-Strukturen wieder an Bindekraft. Universelle wohlfahrtsstaatliche Einrichtungen wie das griechische Gesundheitssystem werden zerschlagen und für erhebliche Teile der Bevölkerung durch informelle Arrangements ersetzt. Die Austeritätspolitik hat nicht nur wirtschaftspolitisch in die Katastrophe geführt, sie verstärkt genau jene vormodernen Abhängigkeitsbeziehungen, die zu überwinden Ökonomen wie Michael Hutter einklagen.

Die einzige glaubwürdige politische Kraft, die der Privilegienwirtschaft den Kampf angesagt hat, ist Syriza. Und genau diese Kraft wurde nach ihrem Wahlsieg das Opfer einer beispiellosen politischen Kampagne. So weigerte sich die EZB, weiterhin griechische Staatsanleihen aufzukaufen. Die bereits vereinbarten Milliarden eines dritten Hilfsprogramms wurde nicht gezahlt und Überschüsse aus Target-2-Erlösen flossen nicht nach Griechenland zurück. Immer neue Drohungen gegen das kleine Land forcierten den Kapitalabfluss, verschärften die Liquiditätsprobleme der Banken und ließen die Gefahr eines Staatsbankrotts akut werden. All das geschah auch mit dem Ziel, die Syriza-Regierung zu stürzen.[30] Das ist, auch dank der politischen Leistung eines Alexis Tsipras, nicht gelungen. Sicher kann man der griechischen Regierung Fehler vorhalten. Doch keine Regierung der Welt wäre in der Lage, binnen weniger Monate politische Fehlentscheidungen zu korrigieren, die sich über Jahrzehnte strukturell verfestigt haben. Syriza hat versucht, die schlimmsten Folgen des Austeritätsregimes zu mildern und die Grundversorgung mit Basisgütern (Strom, Gesundheit) sicherzustellen. Sie hat Maßnahmen der Vorgänger-Regierungen korrigiert (Entlassungen im öffentlichen Dienst, Mindestlohn) und die Staatseinnahmen verbessert. Entgegen Verlautbarungen der Eurogruppe und des deutschen Finanzministers hat die griechische Regierung eine Vielzahl an Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption und zur Verbesserung des Steuersystems eingeleitet oder vorgeschlagen. Anders als die Vorgängerregierungen wollte Syriza nicht in erster Linie bei den Ärmsten sparen. Den Vorschlag der Regierung, eine Sonderangabe für Einkommen über 30.000 Euro und für Firmen mit einem Reingewinn von mehr als 500.00 Euro einzuführen, lehnten die Institutionen ab. Da ein Großteil des Vermögens der Privilegierten bereits außer Landes ist, sind die Möglichkeiten des griechischen Fiskus, an dieses Geld zu kommen, begrenzt. Hatten die Vorgängerregierungen in vier Jahren vier Fälle der "Lagarde-Liste" möglicher Steuerhinterzieher abgearbeitet, wurden unter der neuen Regierung in wenigen Monaten immerhin 40 Fälle geprüft. Der - noch immer überdimensionierte - Rüstungsetat ist seit 2009 um die Hälfte geschrumpft. Die Syriza-Regierung bot weitere 400 Millionen Euro Kürzungen an; ihr Vorschlag, damit Einsparungen im Rentensystem zu kompensieren, wurde von den Institutionen zurückgewiesen.[31] Die Privilegien der Reeder zu beschneiden, erweist sich als schwieriges Unterfangen. Selbst wenn es die dazu erforderliche Mehrheit für eine Verfassungsänderung gäbe, bestünde die Gefahr, dass griechische Schiffe unter anderer Flagge fahren. Wirksame Gegenmaßnahmen wären nur europäisch koordiniert möglich. Dem steht entgegen, dass andere EU-Staaten, Deutschland eingeschlossen, die griechische Regelung übernommen haben.

3. Das historische Versagen der Sozialdemokratie

Wenn man der griechischen Regierung überhaupt etwas vorhalten kann, so ist es ihre unzureichende europäische Kommunikationsstrategie und das Fehlen einer klar konturierten wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Alternative, die verdeutlichen könnte, in welche Projekte zum Wiederaufbau investiert werden soll. Doch mit dem Messer an der Kehle fällt es schwer, längerfristige Zukunftsvorstellungen zu entwickeln. Ohnehin hätten solche Konzepte, die es z.B. im Nicos-Poulantzas-Institut durchaus gibt,[32] nur eine propagandistische Wirkung entfaltet. Die Bereitschaft der Institutionen, sich auf wirkliche Verhandlungen mit der griechischen Regierung einzulassen, war offenbar äußerst gering.[33] Daran, dass die Rechnung der Austeritätsbefürworter vorerst aufgegangen ist, trägt die europäische Sozialdemokratie eine Mitverantwortung. Das gilt insbesondere für die SPD. Die SPD hat sich nicht nur dem Austeritätsdiktat des Fiskalkonservatismus untergeordnet, sie hat in Gestalt ihres Parteivorsitzenden Gabriel gar versucht, Merkel und Schäuble rhetorisch rechts zu überholen. Nach dem griechischen Referendum, das sich mit überwältigender Mehrheit gegen die Fortsetzung der Sparpolitik aussprach, behauptete Gabriel nach Presseberichten allen Ernstes, Tsipras habe die letzten Brücken für eine Verständigung mit den Geberländern eingerissen. Zuvor hatte er dem griechischen Regierungschef vorgehalten, dieser wolle eine "andere EU".[34]

Was soll ein Regierungschef, von dessen Land unmögliches verlangt wird, denn sonst anstreben, so möchte man zurückfragen. Syriza und Teile der Gewerkschaften plädierten für eine Entschärfung der Austeritätspolitik und "eine Wende hin zu einem keynesianisch-sozialdemokratischen Krisenmanagement".[35] Ähnliches hatten in Deutschland u.a. acht Gewerkschaftsvorsitzende und auch der stellvertretende SPD-Vorsitzende Steger in einem Aufruf verlangt.[36] Der von Varoufakis, Galbraith und Holland vorgelegte "Bescheidene Vorschlag zur Lösung der Eurokrise"[37] hätte eine Weichenstellung zugunsten eines solchen Projekts bedeutet, die weder den formalen Übergang zu einer Transfer-Union noch einen Schuldenerlass für Griechenland erforderlich machen würde. Die Vorschläge bewegten sich allesamt innerhalb des Rahmens, den bestehende Verträge setzen. Vorgeschlagen wurden a) ein Fall-zu-Fall-Programm für Banken, das Staatsschulden und Re-Kapitalisierung der Banken entkoppelt; b) ein begrenztes Umschuldungsprogramm für Maastricht-konforme Staatsschulden; c) ein Investitionsprogramm, das globale Überschüsse in Investitionsvorhaben vor allem in Länder der europäischen Peripherie umleitet sowie d) ein Notprogramm für soziale Solidarität, das "unangemessene" Überschüsse im Target-2-System nutzt, um die sozialen Verwerfungen in den Krisenländern einzudämmen. Dass dieser Vorschlag seitens der Eurogruppe nicht einmal andiskutiert wurde, hat ausschließlich politische Gründe. Umso schlimmer ist, dass die deutsche Sozialdemokratie den Ball, den Varoufakis und Co. gemeinsam mit Syriza spielten, nicht offensiv verwertet hat. Das kommt dem Verzicht auf ein sozialdemokratisches Projekt gleich, es bedeutet ideologische und politische Kapitulation.

Dies festzustellen, ist bitter. Man muss nicht SPD-Anhänger sein, um zu wissen, dass die politische Linke in Deutschland und Europa ohne Sozialdemokratie bei Wahlen strukturell mehrheitsunfähig ist. Das Dilemma vergrößert sich noch, wenn man bedenkt, wie weit auch die nicht sozialdemokratische Linke derzeit von überzeugenden Antworten auf die europäische Frage entfernt ist. Im intellektuellen Spektrum werden derzeit vor allem drei Wege zur Überwindung der europäischen Krise diskutiert: die (1) Vertiefung der Integration in Richtung einer politischen Union; ein (2) europäischer New Deal innerhalb der bestehenden institutionellen Konfiguration sowie (3) ein geordneter Rückbau der Eurozone. Betrachten wir Stärken und Schwächen.

4. Welche Wege führen aus der Krise?

(1)
Politische Union: Entschiedenster Verfechter einer demokratisierten politischen Union ist Jürgen Habermas. Zur Recht moniert er das institutionelle Defizit der gegenwärtigen Konfiguration. Weil es dem Binnenmarkt und der Eurozone an einer angemessenen demokratischen Repräsentation fehle, seien die europäischen Institutionen gezwungen, permanent Funktionen zu übernehmen, die ihnen eigentlich gar nicht zustünden. So müsse die für die Geldwertstabilität zuständige EZB als Krisenmanagerin im großen Maße Staatsanleihen kaufen, die Europäische Kommission gebärde sich entgegen ihres eigentlichen Auftrags als quasi-europäische Regierung usw. usf. Diesem Dilemma sei allein mit Schritten hin zu einer politischen Union beizukommen. Als unverzichtbar für eine demokratiekonforme Gestalt der EU schlägt Habermas eine gemeinsame politische Rahmenplanung, entsprechende Transferzahlungen und eine wechselseitige Haftung der Mitgliedsstaaten und die Änderung der Lissaboner Verträge mit dem Ziel vor, eine paritätische Beteiligung von Parlament und Rat an der Gesetzgebung möglich zu machen.[38] Habermas vertraut darauf, dass die kommunikative Vernunft in einer reformierten EU ihre Chance bekommt und über demokratisch legitimierte Verfahren einer "Wir-Perspektive" europäischer Bürgerinnen und Bürger den Weg ebnet.

Auch wenn er die Notwendigkeit von Vertragsänderungen, Transfers und Umverteilung anspricht, beharrt Habermas im Kern auf einem deliberativen Demokratiekonzept, das vor allem auf demokratische Prozesse und Institutionen abstellt, Die soziale Dimension der angestrebten Demokratisierung bleibt hingegen unterbelichtet. Solange die EU und die Eurozone als bloße Deregulierungsmaschine funktionieren, kann eine europäische "Wir-Perspektive", wenn überhaupt, so nur als sozial differenzierte entstehen. Anders gesagt, die Prekarisierten und Benachteiligten aller europäischen Länder hätten zu lernen, dass sie untereinander mehr verbindet als mit den herrschenden Klassen ihrer Nationalstaaten. "Wir-Perspektive" bedeutet zunächst und vordringlich die Herausbildung europäischer Klassenidentitäten, die nicht nur Transfers zwischen starken und schwachen Ökonomien, sondern auch Umverteilung von oben nach unten einklagen. Als konkrete Utopie ist ein demokratisches Europa eine sinnvolle Perspektive. Ohne dramatische Politikwechsel und ohne Korrektur der sozialen Schieflage im Inneren der Nationalstaaten ist eine solche Demokratisierung jedoch nicht zu haben. Der beste demokratische Rahmen nützt wenig, wenn die Politik marktradikal bleibt.

(2)
New Deal für Europa: Einen radikalen Politikwechsel innerhalb der bestehenden institutionellen Ordnung schlägt der Ökonom Stephan Schulmeister vor.[39] Der von ihm propagiert New Deal für Europa zielt vor allem darauf, den krisenanfälligen Finanzkapitalismus und die von ihm ausgehenden Fehlallokationen wirtschafts- und sozialpolitisch zu korrigieren. Dies soll geschehen, indem überschüssiges Kapital mittels politisch erzeugter Anreize wieder in die Realwirtschaft geleitet wird, um so einen sozial-ökologischen Umbau der europäischen Gesellschaften zu ermöglichen. Schulmeisters sozialökologischer New Deal formuliert ein alternatives sozialdemokratisches Projekt für Europa. Zu Recht attackiert er die simple Vorstellung, die Wettbewerbsfähigkeit einer nationalen Wirtschaft lasse sich über eine "Stellschraube", den Wechselkurs einer (nationalen) Währung, grundlegend beeinflussen. Dass "Wettbewerbsfähigkeit" ein mehrdimensionales, vielschichtiges Phänomen ist und nationale Ökonomien nicht wie Unternehmen behandelt werden können, war schon einmal Gemeingut in globalisierungskritischen Debatten.[40] Das primäre Problem europäischer Krisenstaaten besteht denn auch keineswegs in der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit des Staates zur Herstellung von Lohndisziplin, wie es neoklassische Ökonomen, aber auch linke Euro-Kritiker behaupten. Der basale ökonomische Krisenherd wurzelt in einem spezifischen "Kapitalüberschuss-Absorptionsproblem". Die strukturelle Schwächung von organisierten Arbeitsinteressen und Wohlfahrtsstaaten ist zu einer sozialen Akkumulations- und Wachstumsgrenze geworden. Diese Grenze blockiert zunehmend jene Markterweiterungen, die eigentlich nötig wären, um Kapitalflüsse in die sogenannte Realwirtschaft zu leiten. Der "steigende Produktionsausstoß der kapitalistischen Konzerne stößt auf das Problem der fehlenden Nachfrage": eine "Schranke der Kapitalakkumulation - die Arbeiterfrage - wird überwunden, indem eine andere geschaffen wird: das Fehlen eines Marktes".[41] Dies in Rechnung gestellt, stößt die Konzeption eines europäischen New Deal gegenwärtig auf Schwierigkeiten und Widerstände, die sich kurzfristig kaum überwinden lassen. Aufgrund des Niedergangs vieler europäischer Gewerkschaften und Linksparteien fehlt einer solchen Programmatik schlicht das politische Subjekt. Hinzu kommt, dass keineswegs klar ist, in welche Felder Investitionen für einen sozial-ökologischen Umbau z. B. in Griechenland fließen sollen. Selbst wenn man - entgegen allen wachstumskritischen Argumenten - an der Idee eines sozialökologischen New Deal festhält, ignorieren Plädoyers für einen Politikwechsel, dass der Marktradikalismus in den Köpfen von EU-Beamten ebenso eingeschrieben ist wie im institutionellen Rahmen der WWU.[42]

(3)
Rückbau der Eurozone: Auf die institutionelle Befestigung des Marktradikalismus machen Verfechter einer dritten Position aufmerksam, die den geordneten Rückbau der Eurozone zur politischen Wunschperspektive erklärt. Eine solche Position hat zuerst Wolfgang Streeck formuliert. Streeck plädiert dafür, zu einem Währungssystem zurückzukehren, das es den Nationalstaaten ermöglicht, Konkurrenzen mittels Abwertung nationaler Währungen zu begegnen. An die Stelle einer europäischen Vision rückt er als realistische Aufgabe die Verteidigung der Überreste nationaler Wohlfahrtsstaaten und die Widerbelebung kämpferischer (nationaler) Gewerkschaftsbewegungen.[43] Innerhalb der politischen Linken zunächst als Provokation wahrgenommen, finden entsprechende Überlegungen inzwischen breitere intellektuelle Unterstützung. Es gibt erste Planspiele für einen "kontrollierten Euro-Ausstieg" von links, und es wäre gänzlich falsch, diese sogleich als "anti-europäisch" zu brandmarken.[44] Differenziert argumentierenden Verfechtern geht es eher um einen Schritt zurück, der die ursprünglich europäische Idee eines Primats der Politik über die Wirtschaft neu begründen soll. Sie zielen auf das weite Feld politischer Möglichkeiten, dass zwischen Euro-Austritt und Bejahung der Eurozone liegt. Solche Überlegungen gewinnen an Plausibilität, weil gar nicht ausgeschlossen werden kann, dass es zu einem Zerfall zumindest der Währungsunion kommt. Insofern ist es absolut sinnvoll, entsprechende Szenarien in die Strategiebildung der europäischen Linken und der Gewerkschaften aufzunehmen.

Dennoch bleiben Zweifel, ob eine Rückbau-Option gegenwärtig die richtige ist. Das Instrument der Währungsabwertung darf nicht überschätzt werden. Schon vor der Einführung des Euro hatte es sich als wenig wirkungsvoll erwiesen. Zu bedenken ist, dass Gläubiger-Schuldner-Beziehungen mit dem Ausstieg aus dem Euro nicht beseitigt werden. Stattdessen würden Interessengegensätze zwischen Mitgliedsstaaten - etwa bei der Frage, in welcher Währung Schulden verrechnet werden sollen - noch an Schärfe gewinnen.[45] Auch deshalb wären die Kosten einer Euro-Abwicklung gegenwärtig wohl immens hoch. Hinzu kommt, dass ein kontrollierter Euro-Ausstieg "von links" politisch sorgfältig vorbereitet und von Bevölkerungsmehrheiten getragen werden müsste. Schon deshalb ist er für Griechenland gegenwärtig keine gute Option. Die Syriza-Regierung besitzt die Legitimation, um gegen die perspektivlose Sparpolitik zu opponieren, über ein Mandat zum Ausstieg aus dem Euro verfügt sie nicht. Mit seiner schwachen, stark importabhängigen Ökonomie ist Griechenland denn auch - das räumen Verfechter der Abwicklungsposition durchaus ein[46] - der denkbar ungeeignetste Kandidat für eine Exit-Option.

5. Was jetzt?

In ihrer Ausschließlichkeit vermag keine der hier nur grob skizzierten Positionen vollends zu überzeugen. Umso wichtiger ist es, innerhalb der intellektuellen und politischen Linken mit einer sachlichen Krisen- und Strategiediskussion zu beginnen, die keine der skizzierten Positionen voreilig ausgrenzt. Man kann die Kritik an Austeritätspolitik, institutioneller Verfasstheit der Eurozone und Juncker-Plan teilen und doch zu anderen Schlussfolgerungen gelangen als die Befürworter einer Rückbau-Position.[47] Zu bedenken ist jedoch, dass auch die bislang formulierten Alternativen zum Rückbau der WWU schwach sind. Deshalb läuft die europäische Linke Gefahr, während der kommenden Jahre weiterhin nur Objekt krisenhafter Umbrüche zu sein. Angesichts der großen Unwägbarkeiten ist das letzte Wort zur europäischen Frage aber noch lange nicht gesprochen. Das gilt zuerst für die griechische Linksregierung. Es ist vielleicht ein wenig übertrieben, die erzielte Vereinbarung angesichts des engen institutionell-politischen Rahmens in der Eurozone als relativen "Erfolg"[48] zu werten. Doch die Absenkung der Primärüberschussziele und die Möglichkeit für genossenschaftliche Lösungen im Energiesektor deuten an, dass Athen mit der hartnäckigen Verhandlungsstrategie immerhin einige kleine Teilerfolge erringen konnte. Die Privatisierungen sind über einen langen Zeitraum gestreckt; es ist unklar, ob und wie sie sich realisieren lassen. Absehbare Misserfolge werden die Legitimation der Austeritätspolitik auch außerhalb Griechenlands weiter erodieren lassen. Selbst der IWF verlangt nach einem Schuldenschnitt.

Angesichts dieser unsicheren Lage ist eine Verständigung innerhalb der deutschen und europäischen Linken dringend erforderlich. Dabei muss als Prämisse gelten: Die Syriza-Regierung verdient kritische Solidarität und die notleidende griechische Bevölkerung, Flüchtlinge eingeschlossen, benötigt dringend humanitäre Hilfe. Die linke Minderheit von Syriza hat recht, wenn sie das Abkommen kritisiert. Es wäre jedoch falsch, wenn sich die Regierung Tsipras und Syriza aus der Verantwortung stehlen würden. Die Verhältnisse werden auf absehbare Zeit nicht besser. Deshalb macht es Sinn, alle nur möglichen Spielräume zu nutzen, um den Druck auf die Schwächsten der Gesellschaft zu mindern. Dafür verdient Syriza - auch außerhalb Griechenlands - jede Unterstützung. Die Partei muss etwas leisten, was Linksregierungen künftig überall in Europa treffen könnte: Die Austerität bildet den Rahmen, innerhalb dessen Positionsgewinne für alternative Politikkonzepte realisiert werden müssen. Zugespitzt formuliert: Für die Linke geht es gar nicht primär um ihre Haltung zum Euro. In diesem Punkt hat sie das Heft des Handelns ohnehin nicht in der Hand. Vielmehr muss sie unter sich möglicherweise rasch verändernden Bedingungen jeweils konkret entscheiden, wie und womit Geländegewinne für eine progressive Alternative, für eine transformative Politik möglich werden. Syriza und Podemos bieten - trotz aller Probleme -Anschauungsunterricht, dass strategische Flexibilität selbst unter schwierigsten Bedingungen möglich ist.

Hauptziel der europäischen Linken muss es mittelfristig sein, einen Schuldenschnitt oder doch zumindest eine Umschuldung zu erreichen, die alle Krisenländer einbezieht. Ohne Maßnahmen, die den virulenten Gläubiger-Schuldner-Antagonismus beseitigen oder zumindest deutlich abschwächen, hat die Eurozone keine Zukunft. Ein großer Ratschlag europäischer Gewerkschaften und Linksparteien zwecks Vorbereitung einer großen Schuldenkonferenz nach dem Vorbild jenes Rahmens, der nach 1949 Deutschland einen Schuldenschnitt einbrachte, könnte ein wichtiges politisches Signal in diese Richtung sein.

Für die deutsche Linke muss ein Umdenken und Umsteuern indessen im eigenen Land beginnen. Deutschland hat seine halbhegemoniale Position auch deshalb erreicht, weil es die sozialen Kosten seines Exportismus den prekär Beschäftigten (insbesondere Frauen im Dienstleitungssektor und den Segmenten mit traditionell schlecht bezahlten sorgenden, bildenden und erziehenden Tätigkeiten) aufbürdet. Die Krise von 2008/09 hat es jedoch vor allem deshalb einigermaßen glimpflich überstanden, weil die exportorientierte Industrie von Wachstumsimpulsen aus den BRICS-Staaten und insbesondere aus China profitierte. Das deutsche "Industriemodell" funktioniert aufgrund lange gewachsener Kooperationsbeziehungen und nicht nur trotz, sondern wegen vergleichsweise hoher Löhne. Dass es während der großen Krise von 2008/09 gelungen ist, den industriellen Sektor auszubauen, ist das Resultat eines Krisenmanagements, das - unter maßgeblichem Einfluss der Industriegewerkschaften - faktisch eine Abkehr von der Agenda-Politik der Regierung Schröder und eine Rückkehr zur Industriepolitik und zu beschäftigungspolitischen Maßnahmen aus den 1980er und 1990er Jahren bedeutete. Staatlich finanzierte Langzeitkurzarbeit und Prämien für das "Abwracken" älterer PKWs sorgten dafür, dass die Beschäftigung während der Krise nicht einbrach. Das deutsche Exportmodell lässt sich aber nicht auf andere Länder übertragen. Kurzfristig mag der Exportismus zu wirtschaftlicher Konsolidierung und gesellschaftlicher Stabilisierung beitragen, doch wenn die BRICS-Saaten und insbesondere China weiter an Dynamik verlieren, wird dieses Wirtschaftsmodell unweigerlich instabil.

Daraus folgt, dass politische Linke und Gewerkschaften in Deutschland eine "innere Aufwertung" zu leisten hätten. "Innere Aufwertung" bedeutet Umverteilung zugunsten der sozial verwundbarsten Gruppen in der Gesellschaft. Europa droht eine lang anhaltende wirtschaftliche Stagnation. Bleiben umverteilende Maßnahmen aus, wird die Vermögenskonzentration weiter zunehmen. Bereits jetzt leben ca. 70 Prozent der Weltbevölkerung in Ländern, in denen die Unterschiede zwischen Arm und Reich während der zurückliegenden drei Jahrzehnte zugenommen haben. 2014 verfügten die 80 reichsten Personen über das gleiche Vermögen wie die gesamte ärmere Hälfte der Menschheit (ca. 3,5 Milliarden Menschen).[49] Einer dramatischen Konzentration von Vermögen innerhalb der obersten 0,1 Prozent der Weltbevölkerung stehen expandierende Gruppen gegenüber, die wirtschaftlich scheinbar "überflüssig" sind. Während sich die zwar expandierende, nichtsdestotrotz winzige[50] Gruppe superreicher Vermögensbesitzer nach oben exkludiert, fallen selbst in manchen Wohlfahrtsstaaten 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung aus geschützter Erwerbsarbeit und kollektiven Sicherungssystemen heraus.[51] Deutschland macht hier keine Ausnahme. Während die Vermögenskonzentration besonders rasch zunimmt, prägen sich klassenspezifische Armutsrisiken aus,[52] die soziale Aufwärtsmobilität ist insbesondere in Ostdeutschland ins Stocken geraten[53] und die Lage von Erwerbslosen hat sich infolge der "Hartz-Reformen" auch im europäischen Vergleich deutlich verschlechtert.[54]

Generell fördert die Vermögenkonzentration die Neigung zu spekulativen Transaktionen und erhöht so die Krisenanfälligkeit der Wirtschaft. Ökonomische Macht kann mittels Lobbyarbeit in politische Macht verwandelt und zur Förderung kommodifizierender Arbeitsmarkt- und Sozialpolitiken eingesetzt werden. Der Junker-Plan ist allerdings kein deutsches, sondern ein Klassenprojekt europäischer Eliten. Die Verwirklichung dieses Plans könnte an einer möglichen neuen Finanzkrise scheitern, die das morsche institutionelle Gebälk der Eurozone zum Einsturz bringen würde, ohne dass die Linke etwas dazu getan hätte. Auch deshalb ist es sinnvoll, künftig mit unterschiedlichen politischen Optionen und möglichst flexibel zu agieren.[55] Noch sind die sozialen Kosten für einen Austritt aus der Eurozone für nahezu alle Mitgliedstaaten zu hoch, um als taugliche politische Option zu dienen. In einer dramatischen Krisensituation könnte sich das ändern. Wichtig ist, dass die Linke ihre Kritik am europäischen Marktradikalismus, wie von Andreas Nölke, Martin Höpner oder Steffen Lehndorff mit unterschiedlichen Konsequenzen vorgeschlagen, von einer konsequent solidarisch-europäischen Position aus betreibt. Ein Rückfall in Nationalismus und Kleinstaaterei kann nicht in ihrem Sinne sein. Die Gefahr, dass sich Europa in eine regressiv-nationalistische Richtung entwickelt, ist schon jetzt groß. Die ökonomisch-politischen Eliten wirken ratlos, teilweise sind sie gespalten. Das kann auf Dauer zu einem Machtvakuum führen, für das sich die Linke wappnen muss.

Europa benötigt dringend einen neuen demokratischen Impuls, eine neue Variante des "demokratischen Klassenkampfs" (Walter Korpi). Demokratie ist gegenwärtig aber weniger von ihren Institutionen als von ihren - vor allem oppositionellen - Akteuren, von sozialen Bewegungen, von Bereitschaft zu Protest und Widerständigkeit her definiert zu denken. Eine Zivilgesellschaft, der es um die längerfristige Prägung solidarischer Orientierungen geht, muss a) die Einsicht verbreiten, dass diejenigen, die vom Prozess der europäischen Einigung am meisten profitieren, nun auch die Hauptlast der Konsolidierung zu tragen haben. Solche Einsichten lassen sich b) im Alltagsbewusstsein nur verankern, wenn zugleich daran gearbeitet wird, dass die Europäer sich "gegenseitig nicht primär durch ihre Staatsangehörigkeit, sondern als Individuen und Angehörige sozialer Klassen" betrachten.[56] Dies wäre c) eine Voraussetzung dafür, den angehäuften privaten Reichtum, der sich paradoxerweise mit jeder Krise vergrößert, angemessen zu besteuern und zugunsten vor allem der verwundbarsten Gruppen umzuverteilen. Die Wiederbelebung eines innerhalb demokratischer Spielregeln und Institutionen ausgetragenen, Klassenkampfs ist eine Grundbedingung für die Überwindung der europäischen Krise. Ob dies gelingt, hängt - auch - von der verbliebenen sozialdemokratischen Linken ab. Dabei ist eines sicher. Wer es mit Aufrufen zur Abkehr von der Austeritätspolitik ernst meint, der sollte Regierungsbündnisse mit den politischen Totengräbern Europas meiden. Das offen auszusprechen, um den Bruch mit dem kapitalistischen Kannibalismus zu suchen, wäre ein erster glaubwürdiger Schritt, um eine Wende zum Besseren einzuleiten.


Dr. Klaus Dörre ist Professor für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Mitherausgeber der spw.


Anmerkungen

(1) Für kritische, überaus hilfreiche Anmerkungen danke ich Hans-Jürgen Bieling, Frank Deppe, Martin Höpner, Andreas Nölke und Theodoros Paraskevopoulos.

[2] Non-Paper der griechischen Regierung vom 13.07.2015, o. O. (Athen), S. 1.

[3] J. Habermas, Interview in Le Nouvel Observateur vom 30.07.2015.

[4] "Merkel zerstört die Idee Europas". Grünen-Politikerin ist enttäuscht und besorgt wegen des Griechenland-Deals, in: Frankfurter Rundschau vom 15.07.2015.

[5] E. Eppler im Interview mit Deutschland-Radio Kultur, 24.07.2015.

[6] Erklärung des Euro-Gipfels, Brüssel, 12.07.2015., S. 2.

[7] Erklärung des Euro-Gipfels, S. 5.

[8] Schäuble rechnet mit Athen ab, in FAZ vom 16.03.2015.

[9] S. Lessenich, Mexikaner Europas, in Süddeutsche Zeitung vom 27.07.2015.

[10] "Unser Europa droht auseinanderzufallen". Günter Verheugen im Gespräch mit Jasper Barenberg, Deutschlandradio vom 06.07.2015.

[11] Handelsblatt vom 13.07.2015.

[12] IWH (Hg.): Germany's Benefit from the Greek Crisis. IWH Online 7/2015. Halle (Saale) 2015. Vgl. IWH-Pressemitteilung 30/2015. Mit Hilfe eines fiktiven Zinssatzes beziffert das IWH die Einsparungen bei 100 Mrd. gegenüber 90 Mrd. griechischer Verbindlichkeiten. Kritiker monieren, diese Rechnung übersehe die Verluste deutscher Sparer. Sparbuchbesitzer machen aber keine EU-Politik.

[13] M. Hutter, Wer nimmt hier wen in Geiselhaft? In: Süddeutsche Zeitung vom 05.08.2015.

[14] A. Stergiou, Staatsverständnis und Klientelismus in Griechenland, in: U.D. Klemm/W. Schulheiß (Hg.), Die Krise in Griechenland. Ursprünge, Verlauf, folgen, Frankfurt am Main/New York 2015, S. 11-125.

[15] J. Chasoglou, Griechenland: Umbau oder Abriss des Wohlfahrtsstaates, in: H.-J. Bieling/D. Buhr (Hg.), europäische Welten, Frankfurt am Main/New York, S. 243-271, hier S. 249.

[16] Ebd., S. 254.

[17] A. Kapsalis, Die griechischen Gewerkschaften im Zeichen wirtschaftlicher Rezession und Krise. Berlin, Ms., September 2012; G. Auernheimer, Parteien und Gewerkschaften, in U.-D. Klemm/W. Schultheiß 2015, S. 126-141; Interview mit A. Kapsalis, Sekretär des Amtes für Arbeitskontrolle im Arbeitsministerium, März 2015.

[18] T. Giannítsis, Die griechischen Staatsverschuldung und die Krise, in: U.D. Klemm/W. Schulheiß (Hg.), Die Krise in Griechenland, Frankfurt am Main 2015, S. 198-215, hier S. 210 ff.

[19] W. Streeck, Gekaufte Zeit. Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus. Frankfurter Adorno-Vorlesungen, Berlin 2013, S. 166.

[20] Ebd., S. 237.

[21] St. Schulmeister, Euroabwicklung: Der finale Schritt in den Wirtschaftskrieg, in: Blätter für deutsche und internationale Politik (Hg.): Demokratie oder Kapitalismus? Europa in der Krise, Berlin 2013, S. 105-115.

[22] Friedmans langer Schatten. In: Handelsblatt vom 06.07.2015.

[23] Ebd. Diese Koppelung wir von manchen linken Kommentatoren unterschätzt. Vgl. den Blog-Beitrag von Jürgen Klute in: Der Freitag vom 15.08.2015.

[24] Vgl. J. Chasoglou 2015, S. 258.

[25] Schuldenstreit: IWF-Chefin Lagarde fordert Umschuldung für Griechenland, in: ZEIT-online vom 09.07.2015.

[26] T. Giannnítsis 2015, S. 213.

[27] Vgl. Maria Markantonatou, Maria: Die Entwicklung der Arbeit, die Automatik der Sparpolitik und die Krise in Griechenland. In: K. Dörre/K. Jürgens/I. Matuschek (Hg.): Arbeit in Europa. Frankfurt a. M./New York: Campus 2014, S. 217-228; M. Karamessini/J. Rubbery (eds), Women and Austerity. The Economic Crisis and the Future For Gender Equality, London/New York; M. Karamessini, Die griechische Tragödie, in: S. Lehndorff (Hg.), Spaltende Integration, S. 81-108, hier S. 87.

[28] M. Massourakis, Exportindustrie und Tourismus: Ihr Potenzial für die wirtschaftliche Erholung Griechenlands, in: Klemm/Schultheiss 205, S, 470-483, hier S. 476.

[29] K. v. Holdt: Bodies of Defiance, in: M. Burawoy/K. Holdt (Hrsg.): Conversations with Bourdieu. The Johannesburg Moment. Johannesburg 2012, S. 67-73.

[30] "[...] nach meiner Meinung geht es hier darum, dass man verhindern will, dass ein Land wie Griechenland anderen Ländern demonstriert, dass man sich lösen kann von dem, was mächtige Bürokraten und unter Umständen auch mächtige Politiker in Brüssel, in Berlin und anderswo ihnen vorschreiben. Ich glaube, in Berlin hat man eine schreckliche Angst davor, dass andere auf die Idee kommen könnten, na ja, dann ist das bei uns ja vielleicht auch so, dass wir uns wehren können und dass wir nicht alles das machen wollen, was die uns auferlegen [...]" G. Verheugen im Deutschlandfunk vom 06.07.2015.

[31] S. Kaufmann, Griechenland Vorwürfe und Fakten, in: Frankfurter Rundschau vom 03.07.2015.

[32] Interview mit Andreas Karitzis, Vorstandsmitglied des Nicos-Poulantzas-Institut und Mitglied des SYRIZA-Zentralkomitees. So hat das Institut z. B. einen Vorschlag für die Einleitung einer Energiewende erarbeitet. Größere öffentlich geförderte Unternehmen sollen danach Kerne bilden, um die herum sich Netzwerke kleinerer Unternehmen bilden, die eine Wende zugunsten regenerativer Energien (Solar) einleiten.

[33] "Sie haben uns in die Falle gelockt". Yanis Varoufakis im Gespräch mit "New Statesman" über fünf Monate als griechischer Finanzminister, den Druck der Gläubiger und Wolfgang Schäuble als Orchesterleiter. Deutsche Übersetzung im Neuen Deutschland vom 14.07.2015.

[34] Gabriel: "Tsipras hat die letzten Brücken eingerissen", Tagesspiegel vom 05.07.2015; Montag, 29.06.2015, sowie: An die "stolzen Griechen": Europa macht Wahlkampf gegen Tsipras, ntv vom 05.06.2015.

[35] J. Chasnoglu 2015, S. 267.

[36] Europa neu begründen! Den Marsch in den Ruin stoppen! Die Krise durch Solidarität und Demokratie bewältigen! Ein Aufruf! Die Unterzeichner wurden vom SPD-Vorsitzenden Gabriel als "Kindsköpfe" bezeichnet.

[37] Y. Varoufakis/St. Holland/J.K. Galbraith: Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise. München 2015.

[38] J. Habermas, Demokratie oder Kapitalismus, in: Blätter für deutsche und internationale Politik (Hg). Demokratie oder Kapitalismus? Europa in der Krise, Berlin 2013, S. 75-86, hier S. 81.

[39] St. Schulmeister, Ein New Deal für Europa, Wien 2010.

[40] P. Krugman, Wettbewerbsfähigkeit eine gefährliche Wahnvorstellung, in: Jahrbuch für Arbeit und Technik. Bonn 1996, S. 37-49.

[41] D. Harvey, Das Rätsel des Kapitals entschlüsseln. Den Kapitalismus und seine Krisen überwinden, Hamburg 2014, S. 24.

[42] Vgl. dazu: M. Höpner, Der integrationistische Fehlschluss, in. Leviathan 1/2015, 43. Jahrgang, S. 1-15.

[43] W. Streeck, Gekaufte Zeit, 2013.

[44] A. Nölke, Die europäische Linke und das Euro-System, Lehren aus der Griechenlandkrise, Frankfurt, Ms., 2015.

[45] St. Schulmeister, Euroabwicklung: Der finale Schritt in den Wirtschaftskrieg, in: Demokratie oder Kapitalismus, 2013, S. 105-115.

[46] A. Nölke, Die europäische Linke, 2015.

[47] S. Lehndorff, Spaltende Integration. Der Triumph gescheiterter Ideen in Europa - revisited. Zehn Länderstudien, Hamburg 2014.

[48] So A. Nölke, Die europäische Linke, 2015.

[49] Oxfam (Hg.), Besser gleich. Die wachsende Lücke zwischen Arm und Reich - ein Kernproblem des 21. Jahrhunderts, o. O. 2015.

[50] Vgl. Th. Piketty, Capital in the Twenty-First Century. London 2014, S. 430 ff.

[51] M. Mann, Das Ende ist vielleicht nah - aber für wen?, in: I. Wallerstein et al 2014, S. 89-122, hier S. 115.

[52] O. Groh-Samberg, Die Verfestigung der Armut, in: S. Frech/O. Groh-Samberg, Armut in Wohlstandsgesellschaften, Schwalbach/Ts., 2014, S. 155-171.

[53] Destatis (Hg.), Datenreport 2013, Bonn, S. 189 ff.

[54] Vgl. R. Verwiebe, Armut in Europa - Armutskonzepte und empirische Strukturdaten, in: S. Frech/O. Groh-Samberg, a.a.O., S. 173-189, hier, S. 189.

[55] P. Wahl, Griechenland - EU. Muddling Through oder emanzipatorische Lösung? Sechs Thesen zu: Griechenland und die Europäische Union: Welche Wege führen aus der Krise? Workshop des DFG-Kollegs "Postwachstumsgesellschaften" am 08./09.05.2015 in Jena, Ms.

[56] C. Offe, Europa in der Falle, in: Demokratie oder Kapitalismus, 2013, S. 41-54.

*

Quelle:
spw - Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft
Ausgabe 4/2015, Heft 209, Seite 53-66
mit freundlicher Genehmigung der HerausgeberInnen
Abo-/Verlagsadresse:
spw-Verlag / Redaktion GmbH
Westfälische Straße 173, 44309 Dortmund
Telefon 0231/202 00 11, Telefax 0231/202 00 24
E-Mail: spw-verlag@spw.de
Internet: www.spw.de
 
Die spw erscheint mit 6 Heften im Jahr.
Einzelheft: Euro 5,-
Jahresabonnement Euro 39,-
Auslandsabonnement Europa Euro 49,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang