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ITALIEN/001: Furcht vor Mitte Links-Wahlsieg prägt Wahlkampf in Italien (Gerhard Feldbauer)


Furcht vor Mitte Links-Wahlsieg prägt Wahlkampf in Italien

Monti sucht Unterstützung der faschistoiden Volksfreiheitspartei Berlusconis

von Gerhard Feldbauer, 14. Februar 2013



Die Kampagne zu den Parlamentswahlen am 24./25. Februar in Italien ist von der Angst der Rechten gekennzeichnet, die von dem Vorsitzenden der sozialdemokratisch orientierten Demokratischen Partei (DP), Luigi Bersani, mit dem populären Präsidenten von Apulien und Chef der Linkspartei Umwelt und Freiheit (SEL), Nichi Vendola, gebildete Mitte Links-Koalition könnte die Wahlen gewinnen. Diese Furcht wird noch verstärkt, seit die beiden KPs - Kommunistische Neugründungspartei PRC und Partei der Kommunisten Italiens (PdCI) - mit der ebenfalls Mitte Links zugehörigen Partei der Werte Italiens (IdV) des früheren Korruptionsermittlers, Antonio Di Pietro, und anderen kleinen linken Gruppen ein Bündnis Rivoluzione civile gebildet haben. Es tritt, nachdem ein Anschluss an Bersani scheiterte, allein an. Die nach Gramsci exakter statt Zivile als Bürgerliche Revolution übersetzte Allianz (in den Medien fälschlicherweise als Linkspartei ausgegeben) tritt mit dem früheren Staatsanwalt in Sizilien, Antonio Ingroia, einem bekannten Anti-Mafia-Ermittler und Mitarbeiter der legendären Staatsanwälte Giovanni Falcone und Paolo Borselini, die 1992 von Mafia-Killern ermordet wurden, als Spitzenkandidat an und wird von den populären Oberbürgermeistern von Neapel und Palermo, Antonio de Magistris bzw. Leoluca Orlando, unterstützt. Als einzige Allianz vertritt Rivoluzione Civile die Sicherung der in der Verfassung verankerten Traditionen des Antifaschismus, fordert einen "neuen Kurs in der Wirtschafts- und Sozialpolitik", die Beseitigung "der Ungerechtigkeit und Korruption" aus der Berlusconi-Ära und prangert die unter der Übergangsregierung des früheren EU-Kommissars und Wirtschaftsprofessors Mario Monti fortgesetzte "Zerstörung der sozialen und Arbeiterrechte" an. Das Bündnis könnte die Sperrklausel (vier Prozent) überspringen und wenigstens fünf Prozent Stimmen erreichen. Die beiden KPs würden mit jeweils zwei bis drei Abgeordneten erstmals seit der schweren Wahlniederlage 2008 wieder ins Parlament einziehen. Es könnte allerdings, wie schon bei dieser letzten Wahl, Kommunisten abhalten für Rivoluzione Civile zu stimmen, wenn PRC-Sekretär Paolo Ferrari unter vagen Bedingungen schon jetzt eine Regierungsbeteiligung in einer von DP-Chef Bersani geführten Regierung anbietet. Das widerspricht auch dem auf dem Parteitag 2008 gefassten Beschluss, sich nicht wieder an einer Regierung zu beteiligen.


Skrupellose Demagogie der Rechten

Die Rechte betreibt eine skrupellose Demagogie. Ihren extremen Flügel führt der gestürzte faschistoide Premier Silvio Berlusconi mit seiner Volksfreiheitspartei (PdL) im Bündnis mit der rassistischen Lega Nord an. Er kritisiert lautstark Montis Sparkurs, den er rigoros selbst geführt hat. Mit haltlosen Versprechen, u. a. eine Immobiliensteuer abzuschaffen und vier Mrd. Euro zurückzuzahlen sowie eine Steueramnestie zu gewähren, geht er auf Stimmenfang. Um sich die Wähler der sich auflösenden faschistischen Alleanza Nazionale (AN) zu sichern, hat er sich zu Mussolinis "guten Taten" bekannt. Ihm werden kaum Chancen für einen Wahlsieg eingeräumt, aber er könnte im Senat auf Grund des einst von ihm eingeführten und noch immer gültigen reaktionären Mehrheitswahlrechts eine knappe Mehrheit erzielen und auch in der Abgeordnetenkammer auf etwa 20 Prozent kommen und hier hinter Bersani und Monti einen dritten Platz erreichen und zur Reserve der Rechten werden. Diese Platzierung wird abhängen vom Wahlergebnis der der deutschen Piratenpartei ähnlichen Fünf Sterne-Bewegung des Starkomikers Pepe Grillo, die einen reinen Protestwahlkampf ohne substanzielle politische und soziale Forderungen führt. Sie könnte nach Wahlumfragen Mitte Links etwa 15 Prozent Stimmen entziehen.


Montis Koalition ist scharf rechtslastig

Der amtierende Übergangspremier Monti malt einen Wahlsieg Berlusconis an die Wand, um seine Allianz als Ausweg darzustellen. Diese ist keineswegs eine Zentrumskoalition, als die er sie ausgibt, sondern durch die Zukunfts- und Freiheitspartei (FEL), die der frühere Führer der AN-Faschisten Gianfranco Fini aus seinen Parteigängern gebildet hat, und dem ebenfalls vormaligen Bündnispartner Berlusconis, dem Vorsitzenden der Christlich Demokratischen Union (UDC), Pierferdinando Casini, scharf rechts ausgerichtet. Obendrein versucht Monti, die PdL ohne Berlusconi für sich zu gewinnen. Monti wird offen von führenden Kapitalkreisen mit dem Erben des FIAT-Besitzers Agnelli, Ferrari-Chef Cordero di Montezemolo, einem Förderer der FEL Finis, und der großen Stahlunternehmerin, Emma Marcegaglia, bis 2012 Präsidentin des Unternehmerverbandes Confindustria, unterstützt.


Druck auf Mitte Links wächst

Sowohl Bersani als auch Monti haben nach einem zu erwartenden Wahlausgang ohne ausreichende Mehrheit für eine alleinige Regierungsbildung sich schon vor der Wahl zu einer gemeinsamen Koalition bereiterklärt. Die für Monti agierenden Medien stellen das heraus, um schwankende Wähler auf dessen Seite zu ziehen. Gleichzeitig fordert der Professor, dazu müsse die DP seinen sogenannten Reformkurs des weiteren Abbaus sozialer und Arbeiterrechte, darunter die Aushebelung des Arbeiterstatuts (Tarifverträge und Kündigungsschutz) sowie längere Arbeitszeiten unterstützen und schließt die Linkspartei aus. SEL-Chef Vendola erklärt seinerseits, zu diesen Bedingungen werde seine Partei sich ohnehin nicht an einer Regierung beteiligen. Auch Bersani weist im Wahlkampf die Bedingungen Montis zurück. Ob und wie die Karten nach einem Patt-Wahlausgang dann neu gemischt werden, bleibt abzuwarten. Denn hinter Montis Bedingungen steht die unausgesprochene Drohung, komme es zu keiner Regierung mit der DP, stehe Berlusconis PdL zur Verfügung.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2013