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ITALIEN/007: Präsidentenwahl auf der Tribüne eines Schmierentheaters (Gerhard Feldbauer)


Italien
Präsidentenwahl auf der Tribüne eines Schmierentheaters

Bersani kapituliert vor Berlusconi

von Gerhard Feldbauer, 8. April 2013



Die für 16. April angesetzte Wahl eines neuen Staatspräsidenten als Nachfolger des aus dem Amt scheidenden Giorgio Napolitano (DP) erfolgt im Klima der seit der Wahl vor sechs Wochen anhaltenden Regierungskrise und gestaltet sich zur Tribüne eines regelrechten Schmierentheaters. Der bei einer Regierungsbildung an einer fehlenden Mehrheit im Senat gescheiterte Vorsitzender der Demokratischen Partei (DP) und Führer von Mitte Links, Luigi Bersani, hat vor dem Druck des Ex-Premiers und Exponenten der extremen Rechten Silvio Berlusconi kapituliert. Entgegen seinen bisherigen Beteuerungen, es werde keine Zusammenarbeit mit dem Mediendiktator geben, berichtete die linke "Unita" am 4.April er habe sich mit dem Chef der Partei Berlusconis Volk der Freiheit (PdL), Angelo Alfano, getroffen, um Gespräche mit dem Ex-Premier persönlich vorzubereiten.

Hinter den Kulissen ist, wie Berichten auch dem Sprachrohr der DP "Repubblica" als auch des großbürgerlichen Mailänder "Corriere dells Séra" zu entnehmen ist, ein Geschacher um die Besetzung des Quirinals (Sitz des Präsidenten) und des Palazzo (des Premiers) im Gange. Berlusconi sei bereit, auf das für sich bzw. seine PdL geforderte Amt des Staatschefs zu verzichten und die Kandidatur des prononciert rechten Mannes aus der DP Massimo D'Alema zu unterstützen. Aus Angst vor seiner drohenden Verurteilung wegen schwerwiegender krimineller Vergehen (u. a. Bestechungen in Millionenhöhe, Sex mit einer Minderjährigen und Amtsmissbrauch) biedert sich Berlusconi jetzt bei den Sozialdemokraten an, deren führende Vertreter er bisher als "letzte Mogelpackung der Kommunisten", "Erzlügner" und "recycelte Stalinisten" beschimpfte. In D'Alema sieht Berlusconi jetzt den Mann, der ihm, wie die "Repubblica" schrieb, gegen seine "ungelösten Probleme mit der Justiz" beistehen werde. "Die Diplomaten der DP und der PdL" seien, so das Blatt, "bereits an der Arbeit", um die entsprechenden Fragen zu lösen. Berlusconi hat dazu laut der Turiner "Stampa" eine "Reform der Justiz" gefordert, was die Unterstellung der Ermittlungsorgane unter die Exekutive einschließen und eine Einstellung der Verfahren bedeuten würde. D'Alema ist für Berlusconi ein akzeptabler Partner, weil er sich schon Anfang der 2000er Jahre nach dem Vorbild der USA für ein Zwei Parteien-System aussprach, in dem Mitte Links den Part der Demokraten und die faschistoide PdL Berlusconis, den der Republikaner übernehmen und beide Parteien sich gegenseitig respektiert, an der Regierung ablösen sollten.

In der DP stehen sich inzwischen verschiedene Richtungen von Links bis konservativ gegenüber. Während der gemäßigte Sozialdemokrat Bersani noch darauf besteht, weiter eine Regierung zu bilden, wird gegen ihn sein rechter Widersacher Matteo Renzi, der gegen ihn bei der Kandidatenaufstellung 2012 unterlag, in Stellung gebracht. Der 38jährige politische Newcomer und "New Labour inglese" genannte Florenzer Bürgermeister hat sich prononciert für ein Zusammengehen mit Berlusconi ausgesprochen. Seine Anhänger hoffen, ihn der PdL als Kompromiss-Kandidaten für eine Regierungsbildung schmackhaft zu machen. In der DP, in der 2009 Katholiken und Linksdemokraten fusionierten, wächst der Druck, Bertsani solle verzichten, weil die Partei mit Renzi bessere Chancen für eine Regierungsbildung, aber auch bei nicht auszuschließenden Neuwahlen habe.

Im Gespräch für den Palazzo sind jedoch, wie der "Corriere" verriet, noch zwei wahrscheinlich aussichtsreichere Kandidaten: Die beiden früheren Christdemokraten Giuliano Amato und Franco Marini. Amato, zweimaliger Ministerpräsident und später in einer Regierung D'Alema Schatzminister, kam 2009 zur DP. Er ist als ein rigoroser Politiker des Sozialabbaus bekannt. Marini, ein langjähriger Führer der katholischen Gewerkschaft CISL und stets Vertreter der Sozialpakte mit dem Kapital, kam wie Amato ebenfalls von der katholischen Mitte zur DP.

Die Zerrissenheit der DP zeigte sich am Sonntag bei der Aufstellung der Kandidaten für die Wahl des Bürgermeisters der Hauptstadt in den üblichen Vorwahlen. Gegen den bisherigen Amtsinhaber, den einstigen AN-Faschisten Giovanni Allemano, traten sechs Bewerber verschiedener Strömungen an. Die "Repubblica" sprach von der Gefahr der Spaltung der DP.

In der 5 Sterne-Bewegung Beppe Grillos wachsen die Meinungsverschiedenheiten über den Kurs des Parteichefs, alles, was von der DP ausgehe, abzulehnen, was Berlusconi nutzte und eine Regierung unter Bersani verhinderte. Nachdem der frühere Komiker seine 5 Sterne bisher diktatorisch über seinen Blogg leitete, trat am vergangenen Sonntag - erstmals nach dem Wahlsieg - eine Beratung der über 150 Abgeordneten und Senatoren zusammen. Sie drohten, wenn es zu keiner Regierungsbildung komme, unter der Losung "occupy Montecitorio" das Parlamentsgebäude zu besetzen.

Die Entscheidung, ob es zu Neuwahlen kommt, bleibt bis zur Wahl des neuen Staatschefs offen. Sollte es gelingen, D'Alema über diesen Kuhhandel in den Quirinal zu bringen, wird erwartet, dass dann auch eine Kompromiss-Regierung von DP und PdL möglich wird. Bleibt die Frage, ob Nicchi Vendola mit seiner Linkspartei Umwelt und Freiheit (SEL) in eine solche Regierung eintritt. Bisher hatte er abgelehnt.

Fest steht: Die Regierungsachse wird mit dieser Lösung scharf nach rechts verschoben und einem solchen Kabinett dürfte keine lange Lebensdauer beschieden sein.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2013