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ITALIEN/045: Nationalsozialistische Bewegung will bei Bürgermeisterwahlen in Mailand kandieren (Gerhard Feldbauer)


Nationalsozialistische Bewegung will bei Bürgermeisterwahlen in Mailand kandieren

Premier Renzi verurteilt Hitlergruß und neuen "Marsch auf Rom"

von Gerhard Feldbauer, 19. Mai 2014



In Mailand sind in der vergangenen Woche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen eine Nationalsozialistische Arbeiterbewegung (NSAB) eröffnet worden. Bei der Durchsuchung der Wohnungen von vier ihrer Mitglieder wurden Klappmesser und Schlagstöcke sowie umfangreiche Propagandaschriften mit Bekenntnissen zum arischen Rassismus, zur Überlegenheit der weißen Rasse, zum Antisemitismus und für "ein weißes Europa" sowie Hakenkreuzfahnen und Hitler- und Mussolininbilder sichergestellt. Wie die "Repubblica" berichtete, organisiert die Gruppe schon seit längerem dazu Veranstaltungen, verbreitet Flugblätter, die aus Reden des "Führers" zitieren, leugnet den Holocaust von sechs Millionen Opfern und feiert Hitlers Geburtstag. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, werde auch wegen Beziehungen der NSAB ins Ausland ermittelt.


Konnte bisher ungehindert agieren

Die Bewegung, die bereits seit 2002 existiert, konnte bisher ungehindert agieren und durfte 2004 auch zu den Kommunalwahlen antreten und zwei Sitze in Gemeinderäten von Mailand belegen. Zu den zeitgleich mit den EU-Wahlen am kommenden Sonntag in Italien zu den Parlamenten in zwei Regionen (Ländern) und über 4.000 Städten und Gemeinden, darunter 26 Provinzhauptstädte, stattfindenden Wahlen wollen zwei der Neonazis für Ämter der Bürgermeister in Gemeinden von Mailand kandidieren und haben dort, in einer früheren Hochburg von Ex-Premier Berlusconi, durchaus Chancen.

Ohne die Ermittlungen in Mailand direkt anzusprechen, verurteilte der Vorsitzende der Demokratischen Partei (PD), Ministerpräsident Matteo Renzi, am vergangenen Wochenende auf Wahlveranstaltungen in der roten Emilia Romagna entschieden neonazistische Ausschreitungen wie öffentliche Huldigungen an Hitler mit dem Führergruß und zitieren aus dessen Schriften. Auch wenn man das als "Spaß" bezeichne, dürfe das nicht geduldet werden. Denn, so Renzi, den "La Repubblica" ausführlich wiedergibt, dabei bleibe es nicht. Diese Leute seien auch bereit mehr zu tun und wüssten auch, wen sie wählen. Das zielt auf Ex-Premier Berlusconi, der mit seiner rechtsextremen Forza Italia (FI) das zersplitterte faschistische Lager um sich zu sammeln sucht. Umfragen rechnen der FI bei der EU-Wahl derzeit etwa zwischen 16 und 20 Prozent Stimmen zu. Die Ergebnisse gewinnen für Italien an Bedeutung, da es ab Sommer für sechs Monate in der EU den Ratsvorsitz übernimmt.


Scharfe Abfuhr für Berlusconi

Renzi hat offen angekündigt, die PD bei den EU- wie Regional- und Kommunalwahlen zur stärksten Partei zu machen und Berlusconis FI eine Niederlage zu bereiten. Mit seinen ständigen Drohungen, an die Regierung zurückzukehren, wolle Berlusconi einen "Marsch auf Rom" wiederholen. Damit spielt der Regierungschef direkt auf die faschistische Machtergreifung durch Mussolini 1922 an. So scharf ist der Ex-Premier, der selbst als ein offener Bewunderer Hitlers und Mussolinis bekannt ist, seit langem nicht attackiert worden.


Warnung vor Wahl Beppe Grillos

Gleichzeitig bringt Renzi mit seiner Offensive, die er nicht zufällig in der roten Emilia führt, seine widerspenstige linke Parteibasis, in der viele mit dem EU-Kandidaten von der griechischen Linken Tsipras liebäugeln, hinter sich. Nebenbei nutzt Renzis Auseinandersetzung mit Berlusconi der neuen Rechtspartei (NCD) seines Koalitionspartners und Vizepremier Angelino Alfano, ein früherer Parteigänger Berlusconis, Wähler aus der FI auf seine Seite zu ziehen. Schließlich verpasste der PD-Chef noch dem Führer der Protestbewegung M5S, Beppe Grillo einen kräftigen Hieb mit der Warnung vor einer Wahl "dieses Komikers".

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2014