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ITALIEN/126: Italien feierte am 25. April den Tag des Sieges über den Faschismus (Gerhard Feldbauer)


Italien feierte am 25. April den Tag des Sieges über den Faschismus

Der Beginn des bewaffneten Aufstandes 1945 ist Nationalfeiertag

von Gerhard Feldbauer, 8. Mai 2016


Italien feierte am 25. April den Tag des Sieges über das Besatzungsregime Hitlerdeutschlands und seiner Mussolini-Vasallen. Seit dem Sturz des faschistoiden Regimes des Medientycons und Hitlerbewunderers Berlusconi im November 2011 nehmen die führenden Repräsentanten des Staates wieder an den Feierlichkeiten teil. Staatspräsident Sergio Mattarella, Premier Matteo Renzi, die Präsidenten des Parlaments und des Senats, Laura Boldrini und Pietro Grasso, und weitere Persönlichkeiten gedachten am Altar des Vaterlandes mit einer Kranzniederlegung der Opfer des Kampfes für die Befreiung vom Joch des Faschismus. Während der am 8. September 1943 nach der Okkupation Nord- und Mittelitaliens durch die Hitlerwehrmacht begonnenen Resistenza, dem nationalen Befreiungskrieg, fielen 70.930 Angehörige der regulären Partisanenarmee und Zehntausende Kämpfer der örtlichen Aktionsgruppen (GAP). Über 100.000 Italiener - Frauen, Kinder und Männer jeden Alters - wurden unter dem Besatzungsregime von der Wehrmacht, SS, Gestapo und ihren italienischen Erfüllungsgehilfen, den Camice Nére (Schwarzhemden), auf barbarische Weise umgebracht.

Sergio Mattarella nannte ihren Kampf "unvergessen", die Ergebnisse der Resistenza "bleibende und aktuelle Werte", die eine Grundlage seien, heute "dem Krieg und grausamer Gewalt an den Grenzen Europas, im Mittelmeer und im Nahen Osten " entgegenzutreten. Zahlreiche Menschen gedachten an den Gedenkstätten, so in Rom bei der Fosse Ardeatine (Tuffsteinhöhlen), wo am 24./25. März 1944 unter dem Kommando von SS-Obersturmbannführer Kappler 335 Geiseln durch Genickschuss ermordet wurden. Unter ihnen befanden sich die Generäle Simoni, Fenulli und Castaldi sowie der Oberst Montezemolo, die antifaschistische Positionen bezogen hatten. Das jüngste Opfer war 15 Jahre, das älteste 74. 320 zentrale Museen sind der Resistenza gewidmet und waren am 25. April besonders rege besucht. Des Weiteren gibt es eine Vielzahl örtlicher Gedenkstätten, die von der tiefen Verwurzelung des antifaschistischen Kampfes im Gedächtnis der Menschen zeugt. Erst 2014 wurde in Dongo bei Como, wo Mussolini hingerichtet wurde, eine neue Gedenkstätte eröffnet. Auch sie erzählt, wie am 25. April 1945 das Ende des Faschismus in Italien eingeläutet wurde. An diesem Tag rief das Nationale Befreiungskomitee Norditaliens (CLNAI) auf der Grundlage der von Luigi Longo, dem späteren Generalsekretär der IKP, mit Sandro Pertini (ISP) Befehlshaber der Partisanenarmee, verfassten Direktive Nr. 16 in den Städten zum bewaffneten Aufstand auf. Zu dieser Zeit kämpften die alliierten Truppen sich erst auf das rund 200 km südöstlich liegende Bologna vor. Während die Städte Norditaliens Tage vor dem Eintreffen der anglo-amerikanischen Truppen befreit wurden, eröffnete die 256.000 Kämpfer zählende Partisanenarmee zwischen Piemont und Venetien auf einer Breite von über 400 Kilometern ihre letzte Offensive. In Genua kapitulierten vor den Partisanen 9.000 Mann, am 27. April das X. Panzerkorps der Wehrmacht. Am 30. April nahmen Garibaldisten am Monte Grappa 33.000 deutsche Soldaten gefangen. Insgesamt ergaben sich nach dem 25. April allein im Veneto 140.000 Wehrmachtssoldaten den Partisanen.

Am 25. April übernahm das CLNAI in dem erbittert umkämpften Mailand, das Mussolini zum "Stalingrad Italiens" machen wollte, die Macht, erklärte den Ausnahmezustand, richtete Kriegsgerichte ein, erließ dazu Dekrete über die Organisation der Justiz sowie der Verwaltung. Es forderte alle italienischen Faschisten auf, bedingungslos zu kapitulieren. Als der "Duce" sich weigerte und stattdessen mit mehreren faschistischen Größen unter dem Schutz einer deutschen SS-Einheit in Richtung Schweiz floh, verurteilte ihn ein Gericht des von den Alliierten als Organ der antifaschistischen Einheitsregierung anerkannten CLNAI zum Tode. Dasselbe Schicksal traf 1.732 Faschisten, die der Aufforderung, sich zu ergeben, nicht nachkamen. Mussolini wurde bei Dongo von Partisanen gefangen genommen. Am 28. April vollstreckte ein Exekutionskommando unter dem Kommandeur der Garibaldi-Brigaden der IKP, Oberst Walter Audisio, an Mussolini und seiner Begleitung die Todesurteile. Die Leichen wurden in Mailand auf der Piazzale Loreto mit den Köpfen nach unten aufgehängt. Dort hatten die Mussolini-Faschisten am 12. August 1944 fünfzehn ermordete Geiseln so zur Schau gestellt. Der Vertreter der US-Militärregierung, Oberst Charles Poletti, sprach auf einem Empfang dem Befreiungskomitee und den Partisanen "unsere vollste Anerkennung für ihre bewundernswerte Operation" aus.

Die Antifaschisten Italiens, das als einziges westeuropäisches Land im Juli 1943 den Diktator stürzte, leisteten einen historisch hoch zu bewertenden Beitrag zum Sieg über den Faschismus. Mit der Befreiung Norditaliens im April 1945 und der Entwaffnung der Wehrmachtsverbände vereitelten sie deren beabsichtigte Verlegung nach Österreich, wo sie gegen die vorrückende Rote Armee eingesetzt werden sollten. Das Erbe der Resistenza wurde in der am 22. Dezember 1947 verabschiedeten Verfassung der Republik mit dem 25. April als Staatsfeiertag verankert. Es wurde nicht der 29. April, an dem die Hitlerwehrmacht in Italien kapitulierte, als Tag des Sieges festgeschrieben, sondern der Beginn des bewaffneten Aufstandes, was die Geburt der Republik als Ergebnis der Resistenza charakterisierte.

Alle Versuche der faschistoiden Regierungen Berlusconis, der mit Unterbrechungen von 1994 bis 2011 an der Macht war, den 25. April zu beseitigen, scheiterten. Nach seinem Sturz konnte die faschistische Gefahr zurückgedrängt werden, besteht aber weiter. Wählerumfragen gehen davon aus, dass noch immer etwa 20 Prozent bei Wahlen für die Rechtsextremen stimmen würden. Wie begründet diese Warnungen sind, bewiesen Provokationen von Faschisten mit der Forza Nuova, einem Sturmtrupp der Bewegung, an der Spitze in Mailand. Hunderte Faschisten rotteten sich unter Hakenkreuzen mit "Führergruß" und "Sieg Heil"-Rufen zusammen und feierten die Schwarzhemden der Salò-Republik des "Duce" und ihre Gefallenen als Helden. Der Provokation traten in Mailand und landesweit Tausende Antifaschisten unter der Losung "nie wieder Faschismus" entgegen und demonstrierten, die in der Verfassung verankerten Errungenschaften der Resistenza entschlossen zu verteidigen.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2016

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