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ITALIEN/127: Parlament verabschiedete Gesetz über Homo-Partnerschaften (Gerhard Feldbauer)


Italiens Parlament verabschiedete Gesetz über Homo-Partnerschaften

Premier Renzi weiter in der Kritik

Von Gerhard Feldbauer, 17. Mai 2016


Die Abgeordnetenkammer hat am Mittwoch vergangener Woche das vom regierenden Partito Democratico (PD) eingebrachte Gesetz über die "Unioni civili" (zivilen Partnerschaften) mit 372 Ja, 51 Nein und 99 Enthaltungen verabschiedet. Der Senat hatte bereits im Februar zugestimmt. Premier Matteo Renzi nannte die Annahme "einen Feiertag für alle, die sich endlich anerkannt fühlen". Kritik, auch aus der eigenen Partei, wies er zurück: "Ich bin Katholik, aber ich habe auf die Verfassung geschworen und nicht auf das Evangelium", zitiert ihn La Repubblica am Freitag. Vor der Abstimmung hatte er mit 369 zu 193 Stimmen eine Vertrauensabstimmung überstanden und damit weitere Abänderungsanträge verhindert.

Das Gesetz stellt homosexuelle und lesbische Paare weitgehend heterosexuellen Partnerschaften gleich. Ausgeklammert bleibt das Adoptionsrecht, was heißt, die Partner können die leiblichen Kinder ihrer Lebensgefährten nicht adoptieren. Dass es keine völlige Gleichstellung mit der Ehe zwischen Mann und Frau gibt, zeigt sich auch daran, dass im Gesetz die Vokabeln "Ehe" und "Trauung" fehlen.

Der Sekretär des größten Homosexuellen-Verbandes Arcigay, Gabriele Piazzoni, nannte das Gesetz einen historischen Fortschritt, der "zu lange aufgeschoben wurde". An dem beliebten Brunnen der Fontana Trevi in Rom feierte am Abend eine große Menschenmenge das Ereignis. Das Gesetz wurde gegen den Widerstand der katholischen Kirche und der rechtsextremen Parteien durchgesetzt. Viele Bischöfe hatten zum Protest aufgerufen. Der Chef der rassistischen Lega Nord, Matteo Salvini, rief seine Bürgermeister auf, das Gesetz zu boykottieren. Mit der faschistoiden Forza Italia (FI) von Ex-Premier Berlusconi und anderen rechtsextremen Parteien will er ein Referendum gegen das Gesetz beantragen.

Mit dem Gesetz kann Renzi nach Rückschlägen einen Erfolg verbuchen, bleibt aber weiter unter Beschuss. Bei Fortschritten im Kampf gegen die Mafia kam in den vergangenen Wochen die Verwicklung zahlreicher Funktionäre der PD in Korruptions- und Bestechungsaffären ans Licht. Gegen etwa 30 ermittelt die Staatsanwaltschaft, fast ein Dutzend, darunter mehrere Bürgermeister, wurden verhaftet. Der Präsident der Region Kampanien, Stefano Graziano, wird beschuldigt, sich Wählerstimmen von der Mafia beschafft zu haben und musste zurücktreten. Die parteiinterne Opposition sieht das im Zusammenhang mit Renzis rechtem und unternehmerfreundlichem Kurs. Im April trug er persönlich zum Scheitern des Referendums über die Einstellung der Öl- und Erdgasbohrungen im Küstenbereich bei. Nun berichtete die Nachrichtenagentur ANSA am Donnerstag, dass der Energiekonzern ENI in Süditalien in illegale Geschäfte verwickelt ist, die die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Ins Schleudern gerät auch noch Renzis größtes Reformvorhaben, die Auflösung des Senats als zweiter Kammer. Über eine dazu erforderliche Verfassungsreform muss im Oktober ein Referendum entscheiden. Der Ausgang ist ungewiss. Deshalb hat Der Premier persönlich am 9. Mai ein Komitee für "Si" (Ja) gebildet, das unter dem Slogan "für die Modernisierung Italiens" eine Kampagne zur Unterstützung des Referendums führen soll. Wie schon mehr als zwei Dutzend Mal bisher, hat er den Ausgang wieder mit seinem persönlichen Schicksal verbunden und erklärt, beim Scheitern werde er zurücktreten.

Heftig kritisiert wird Renzis Kollaborieren mit früheren Parteigängern der FI. Nachdem er bereits Berlusconis ehemaligen Vize, Angelino Alfano, mit seinem Neuen Rechten Zentrum (NCD) in seine Regierung aufnahm, beabsichtigt er jetzt, mit einem weiteren früheren Vertrauten Berlusconis, Denis Verdini, der mit einigen Senatoren die FI verlassen und eine sogenannte Alleanza Liberalpopolare-Autonomie (ALA) gebildet hat, ein Bündnis zur Bürgermeisterwahl in Rom. Massimo D' Alema, Ex-Kommunist, Mitbegründer der PD 2007 und Exponent der Partei-Opposition, die inzwischen neben den Linken auch viele der Parteimitte erfasst, verurteilte kürzlich scharf den autoritären Kurs des Premiers. "Die Unzufriedenheit ist riesig, die PD befindet sich in einer extrem kritischen Lage. Und die Führungsriege reagiert darauf nur mit Beschimpfungen und Verleumdungen, die an stalinistische Methoden erinnern", zitierte ihn der Mailänder Corriere della Sera. Von der Opposition wird erwogen, den früheren Fraktionschef in der Abgeordnetenkammer, Roberto Speranza, der 2015 zurücktrat, als Herausforderer Renzis auf dem Parteitag 2017 aufzustellen.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2016

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