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ITALIEN/149: Antifaschisten Mailands protestieren gegen Ehrung von Mussolinis SS-Leuten (Gerhard Feldbauer)


Antifaschisten Mailands protestieren gegen Ehrung von Mussolinis SS-Leuten durch Stadtverwaltung von Mitte Links in Mailand

von Gerhard Feldbauer, 5. November 2016


In Mailand hat sich am 1. November zum Tag der Allerheiligen ein skandalöser Vorgang ohnegleichen ereignet. Von der Stadtverwaltung, einer Mitte Links-Koalition mit dem Bürgermeister der regierenden sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), Stefano Parisi an der Spitze, wurde auf dem Zentralfriedhof für 921 dort bestattete Gefallene der Streitkräfte der sogenannten Repubblica Sociale Italiano (RSI) ein Kranz niedergelegt. Die RSI war das nach dem Sturz Mussolinis im Juli 1943 im Herbst unter der Besatzung Hitlerdeutschlands mit dem "Duce" an der Spitze installierte Marionettenregime mit Regierungssitz in Salo am Gardasee.

Gegen den unerhörten Vorgang protestierten der Verband der Partisanen (ANPI), Bürger der Stadt, darunter aus der PD, Kommunisten und Gewerkschafter bis zur "Forschungseinrichtung zur Untersuchung der neuen Rechten". Zahlreiche Proteste wurden über Twitter und in Leserzuschriften an die linksliberale La Repubblica verbreitet. Seit die Industriemetropole ab 2011 wieder von einer Mitte Links-Koalition regiert wird, habe es, wie das Blatt schreibt, einen "solch unfassbaren Akt" nicht gegeben. Wer da geehrt wird, fragte der ANPI-Präsident von Mailand, Roberto Cenati, und verwies auf die Verbrechen an denen die Mussolini-Faschisten als Vasallen Hitlerdeutschlands beteiligt waren. In Mailand wurden unter dem Hauptsturmbannführer Theodor Saevecke, in dessen Stab Schwarzhemden mit arbeiteten, 2.000 Juden und Widerstandskämpfer ermordet. Statistisch erfasst sind allein über 60.000 in der RSI umgebrachte Kinder, Frauen und Männer, nicht inbegriffen gefallene Partisanen und reguläre Soldaten. Cenati erwähnt die 600.000 nach Deutschland verschleppten Militärinternierten (ehemalige Soldaten der Mussolini-Armee), von denen 30.000, als sie sich weigerten, in der RSI weiterzukämpfen, umgebracht und über 60.000 in Konzentrationslager gesperrt wurden. Der ANPI-Präsident forderte die Stadtverwaltung auf, sich zu diesem skandalösen Vorfall zu äußern.

La Repubblica informierte, dass sich unter den 921 Gefallenen 150 Angehörige der Schwarzen Brigaden - der italienischen SS -, befinden und über 40 der berüchtigten 10. Torpedobootsflotille (Dexima MAS), deren Kommodore, Valerio Borghese, 1946 wegen wenigstens 800fachen Mordes an Partisanen und Antifaschisten als Kriegsverbrecher verurteilt wurde. 1948 begnadigt versuchte er im Dezember 1970 mit einer Front National, die verfassungsmäßige Ordnung zu stürzen und ein faschistisches Regime zu errichten. Geehrt wurden auch drei Schwarzhemden, die an der bestialischen Ermordung von 15 italienischen Geiseln am 12. August 1944 beteiligt waren, deren Leichname auf der Piazzale Loreto in Mailand mit den Köpfen nach unten aufgehängt zur Schau gestellt wurden.

Viele der RSI-Toten gehörten zum letzten Aufgebot des "Duce" mit dem dieser Mailand, auf das am 25. April 1945 die Partisanenarmee unterstützt durch den allgemeinen bewaffneten Aufstand zum Angriff ansetzte, in "ein Stalingrad Italiens" verwandeln wollte. Während die Partisanen den letzten verzweifelten Widerstand der Mussolini-Faschisten brachen, war der "Duce", begleitet von einer deutschen SS-Einheit, bereits in Richtung Schweiz geflüchtet. Am 27. April wurde er bei Dongo von Partisanen gefangen genommen und am nächsten Tag das vom Nationalen Befreiungskomitee gegen ihn verhängte Todesurteil vollstreckt.

Der Lorbeer-Kranz mit einer Schleife in den rot-weißen Farben des Mailänder Stadtwappens wurde direkt neben dem Altar "Zum Gedenken der Gefallenen der Repubblica Sociale Italiano" aufgestellt. Auf einer Marmorplatte steht: "Wir werden Euch nie verraten". Der Kranz der Stadtverwaltung liegt Seite an Seite mit einem des Verbandes der RSI-Anhänger.

Das Büro der Stadtverwaltung dementierte, es habe keine offizielle Ehrung gegeben.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2016

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