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ITALIEN/159: Partei der Rifondazione Comunista vor Scherbenhaufen ihrer opportunistischen Politik (Gerhard Feldbauer)


Gescheitert auf dem Weg der Hoffnung

Partei der Rifondazione Comunista vor Scherbenhaufen ihrer opportunistischen Politik

von Gerhard Feldbauer, 4. Januar 2016


Auf dem letzten Parteitag vom 31. Januar bis 3. Februar 1991 liquidierte die mehrheitlich revisionistische Führung der IKP die am 21. Januar 1921 von den italienischen Linken mit Antonio Gramsci an der Spitze geschaffene Kommunistische Partei und gründete einen sozialdemokratischen Partito Democratico della Sinistra (Demokratische Partei der Linken - PDS). Rund 90 Delegierte widersetzten sich und beschlossen, in einer Sammlungsbewegung eine kommunistische Neu- bzw. Wiedergründung vorzubereiten. Am 12. Dezember 1991 traten in Rom 1.300 in 113 Organisationen gewählte Delegierte, die über 100.000 Mitglieder der Sammlungsbewegung vertraten, zum Gründungskongress des Partito della Rifondazione Comunista (PRC) zusammen, der nach einer Unterbrechung am 18. Januar 1992 zu Ende ging. 25 Jahre nach dieser Gründung steht der PRC vor dem Scherbenhaufen einer verfehlten Politik. Bei der Suche nach den Ursachen stößt man auf die von Lenin hinterlassene Binsenweisheit, dass eine Kommunistische Partei zum Scheitern verurteilt ist, wenn sie nicht mit dem Opportunismus bricht (Werke Bd. 20, Berlin/DDR 1960, S. 96-103 und 197-256). Genau das tat die PRC-Führung nicht. Skizzieren wir kurz die wichtigsten Etappen dieses Weges, den viele Kommunisten als hoffnungsvollen Neubeginn sahen.

Der Gründungsparteitag wählte Sergio Garavini, einen aus der IKP-nahen CGIL kommenden Gewerkschaftsführer, zum Sekretär und das frühere Politbüromitglied der IKP Armando Cossutta zum Vorsitzenden. Im Januar 1994 wurde Garavini von Fausto Bertinotti, einem ebenfalls langjährigen Funktionär der CGIL, abgelöst. Bertinotti war zunächst dem PDS beigetreten.

Garavini war abgelöst worden, weil er den PRC gegen die Zusage, ihn als kommunistische Strömung anzuerkennen, in den PDS einbringen wollte. Nach seiner Ablösung verließ er mit einer Gruppe Parlamentarier den PRC und trat zum PDS über. Da ihm kaum Mitglieder folgten, kam die Formierung einer "kommunistische Gruppe" nicht zustande. Diese erste Abspaltung hätte Anlass sein müssen, sich mit dem aus der IKP übernommenen opportunistischen Ballast auseinanderzusetzen und einen klaren Bruch zu vollziehen, der jedoch unterblieb.

1996 gelang Mitte Links eine Wahlsieg gegen die faschistisch-rassistische Allianz Berlusconis nur mit den acht Prozent Stimmen des PRC, die auch für eine Regierungsbildung benötigt wurden. Der PRC trat jedoch nicht in die Regierung ein, sondern gab nur parlamentarische Unterstützung. Angesichts einer erneut drohenden faschistoiden Regierung unter Berlusconi schien das ein gerechtfertigter Schritt. Als unter Premier Romano Prodi der Sozialabbau fortgesetzt und die Mitte Links-Regierung sich anschickte, an der NATO-Aggression gegen Jugoslawien teilzunehmen, beendete der PRC auf Druck der Basis die parlamentarische Unterstützung. Danach verließ PRC-Vorsitzender Cossutta mit einer Gruppe Parlamentarier den PRC und gründete mit seiner Spalter-Fraktion den Partito dei Comunisti Italiani (Partei der Kommunisten Italiens - PdCI) und trat mit ihm in die an Stelle des zurückgetretenen Prodi von dem PDS-Vorsitzenden Massimo D' Alema geführte Regierung ein. Der PRC verlor bei dieser Abspaltung etwa ein Fünftel seiner inzwischen 130.000 Mitglieder.


Absage an die führende Rolle der Arbeiterklasse

Erneut unterblieb eine notwendige Auseinandersetzung mit dem aus der IKP mitgeschleppten Opportunismus. Die Folge war, dass sich der PRC auf dem Parteitag 2002 in der Substanz vom Marxismus-Leninismus lossagte, so, wenn er die Leninsche Imperialismus-Analyse als "unangemessen zur Interpretation der Form der Herrschaft des neuen Kapitalismus" bezeichnete und selbst Gramsci, den Theoretiker der Hegemonie der Arbeiterklasse, auf nur noch historische Aspekte begrenzte. Opportunistischer Höhepunkt war die Absage an die führende Rolle der Arbeiterklasse, die der ihrem politischen Charakter nach kleinbürgerlichen Antiglobalisierungsbewegung zugeschrieben wurde.

Gegen die opportunistischen Beschlüsse stimmte eine kommunistische Strömung, die bei den verschiedenen Abstimmungen zwischen 27 und 40 Prozent der Delegierten hinter sich hatte. Dieser Strömung gelang es auch, ein linkes Aktionsprogramm durchzusetzen, das auf eine sozialistische Perspektive abstellte. Solcher Widerstand verdeckte gegenüber der Basis in gewisser Weise den revisionistischen Kurs und nährte die Illusion, es werde gelingen, die Opportunisten zu stoppen.


Prinzipienlose Regierungsbeteiligung

Nachdem Mitte Links im Bündnis mit PRC und PdCI 2006 noch einmal die seit 2001 regierende faschistisch-rassistische Allianz Berlusconis bei den Wahlen geschlagen hatte, traten beide KPs in die neue Regierung unter Prodi ein. Bertinotti wurde Parlamentspräsident. Beide KPs akzeptierten gegen Proteste der Basis den weiteren Sozialabbau und stimmten - gegen die Forderungen der Friedensbewegung - für die Fortsetzung des italienischen Militäreinsatzes in Afghanistan. Aus Protest gegen die Regierungsbeteiligung verließ die Strömung "Progetto Comunista" den PRC und gründete 2007 mit dem Philosophieprofessor Marco Ferrando, Mitglied der Leitung der trotzkistischen Vierten Internationale und Mitbegründer des PRC, einen Partito Comunista dei Lavoratori (Kommunistische Arbeiterpartei - PCL), mit dem eine dritte KP entstand. Der opportunistische Kurs des PRC und PdCI beförderte 2008 den Sturz der Prodi-Regierung durch die extreme Rechte.

Opportunistische Auswüchse im PRC zeigten sich auch in einer fehlenden realistischen Bewertung der Existenz dessen, was als "realer Sozialismus" nach der Oktoberrevolution in der UdSSR und im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges in Osteuropa entstand und bis 1989/90 existierte.


PRC sollte in Linkspartei aufgehen

2004 hatte Bertinotti den Beitritt des PRC zur Europäischen Linkspartei durchgesetzt und bis 2007 selbst deren Vorsitz übernommen. Zu den vorgezogenen Parlamentswahlen 2008 startete er den zweiten Versuch, die Kommunistische Partei zu liquidieren. Er bildete mit dem PRC, Grünen, Restsozialisten und weiteren Linken eine Regenbogen (Arco Baleno) genannte Wahlkoalition, die er als "eine neue Linke, die allen offen steht", propagierte. Der Arco Baleno fiel mit 3,1 Prozent unter die Vier Prozent-Sperrklausel. Kommunisten und Sozialisten sind seitdem erstmals seit 1945 und das bis heute nicht mehr im Parlament vertreten.

Bertinotti trat nach der Wahlniederlage zurück. Als sein Nachfolger wurde der ehemalige Turiner Stahlarbeiter Paolo Ferrero gewählt, der 1991 zu den Gründern des PRC gehörte. Für den Posten des PRC-Chefs hatte auch Nicola (Nichi) Vendola, ein aus der IKP kommender Mitbegründer des PRC, kandidiert, war aber gegen Ferrero unterlegen. Er verließ daraufhin den PRC und gründete 2010 mit verschiedenen Linken eine Sinistra per Ecologia e Libertà (Linke für Umwelt und Freiheit - SEL). Er hatte 2005 als Bewerber von Mitte Links die Wahl zum Präsidenten der Region Apulien gewonnen und war 2010 als Kandidat des Partito Democratico (Demokratische Partei - PD) im Amt bestätigt worden.

Der Zersplitterung der Kommunisten traten 2008 über Einhundert führende Kommunisten mit Domenico Losurdo an der Spitze entgegen. 2015 schlossen sich über 1.500 Kommunisten aus PRC, PdCI und Parteilose ihrem Appell zum einheitlichen Handeln auf der Basis des Wirkens von Lenin und Gramsci an, um einen Bruch mit dem Opportunismus einzuleiten und langfristig wieder eine einheitliche kommunistische Partei zu schaffen. Während sich der PdCI diesem Weg anschloss, lehnt die Führungsgruppe um Ferrero im PRC ihn ab. Ferrero hat sich im Dezember 2016 zum Vizepräsidenten der Europäischen Linkspartei (EL) wählen lassen und wird damit Stellvertreter Gregor Gysis. Alle Anzeichen scheinen daraufhin zu deuten, dass damit das Ende des PRC auf dem Altar des Opportunismus besiegelt wird.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2017

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