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ITALIEN/169: Italiens Linke im Wirrwarr der Spaltung (Gerhard Feldbauer)


Italiens Linke im Wirrwarr der Spaltung

Mit neuer Sinistra Italiana kein Ausweg in Sicht

von Gerhard Feldbauer, 9. März 2017


Eins hat die Gründung der neuen Italienischen Linken (Sinistra Italiana - SI) am 18./19. Februar bewirkt: Sie hat, wie La Repubblica danach schrieb, die Spaltung im regierenden Partito Domocratico (PD) herbeigeführt und, was das regierungsnahe Blatt natürlich nicht erwähnte, dessen sozialdemokratisches Outfit zur Farce gemacht und vor allem in bisher nicht zutage getretener Weise die Zerrissenheit der Linken offenbart. Massimo D'Alema, der frühere Ministerpräsident einer Mitte Links-Regierung und damalige Chef der Democratici di Sinistra (Linksdemokraten), die 2007 mit der katholischen Zentrumspartei Margherita zur heutigen PD fusionierten, nennt das in der Repubblica vom Mittwoch einen "Befreiungsschlag", nach dem man sich vorwärts orientierten müsse.

Beim gegenwärtigen Umtausch der Parteiausweise haben etwa 100.000 Mitglieder ihre PD-Mitgliedschaft nicht erneuert, womit die Mitgliederzahl nach vorherigen Angaben auf etwa 400.000 sank. Die SI, deren Grundstock die vorherige Partei Linke und Umwelt (SEL) mit etwa 50.000 Mitgliedern stellt, verzeichnete 21.000 Beitritte, die größtenteils aus der PD kommen dürften. Das bewirkte auch, dass an der Spitze einiger PD-Linker ihr der frühere Staatssekretär und Vize von Ex-Premier Matteo Renzi, Stefano Fassino beitrat.

Im PD hat die Minderheit um Massimo D'Alema eine Movimento democratico e progressista (Bewegung für Democratie und Fortschritt) gebildet, aus der eine neue PD hervorgehen soll. Eine zweite Gruppierung ist die von dem parteilosen Linken, dem früheren Bürgermeister von Mailand, Giuliano Pisapia, formierte Campo progressista (Lager des Fortschritts), das beträchtlichen Zulauf von der in der PD verbliebenen linken Basis erhält. Es wird unterstützt von der ebenfalls parteilosen Präsidentin der Abgeordnetenkammer, Laura Boldrini, die 2013 auf der Liste der SEL ins Parlament kam. Beide Gruppierungen propagieren eine Rückkehr zur traditionellen Politik von Mitte Links und erklären sich zur Zusammenarbeit mit der jetzigen PD bereit, wenn der als Premier und Parteichef zurückgetretene Matteo Renzi nicht wiedergewählt wird.

Die Entscheidung wird bei den für Ende April angesetzten Vorwahlen (Primarie) fallen, an denen alle wahlberechtigten Italiener teilnehmen können. Zwei Kandidaten werden gegen Renzi antreten: der Präsident und Regierungschef der Region Apulien, Michele Emiliano, und der derzeitige Justizminister Andrea Orlando. Emiliano will, wenn er gewählt wird, bei Wahlen nicht für den Posten des Premiers kandidieren, für das der derzeitige Amtsinhaber Gentiloni antreten soll. In dieser Situation der Zerstrittenheit präsentiert Renzi sich, wie die linke Unità am Dienstag schrieb, als Mann der Einheit der Partei und starker Mann, der als Parteichef auch zu den Wahlen kandidieren will und der Garant ihres Sieges sei. Aber, warnt das Blatt, der neue Renzi ist der alte, was heisst, er setzt vor allem auf die bürgerliche Mitte und auf Stimmen von rechts.

Kaum drei Wochen alt bricht in der neuen SI bereits der Streit über ein Zusammengehen mit der PD aus. Während SI-Chef Nicola Fratoianni mit ihr kooperieren will und inzwischen durchblicken läßt, auch wenn Renzi gewinnen sollte, lehnt der aus der SeL kommende zweite starke Mann Arturo Scotto das ab und will stattdessen mit dem Campo progressista zusammenarbeiten. Gemeinsam ist allen vorgeblichen Opponenten des rechten Kurses Renzis, dass sie, wie das kommunistische Giornale "Contropiano" zu den Vorgängen einschätzte, keine antikapitalistischen Positionen beziehen und bereit wären, den bei der PD-Gründung programmierten "Pakt zwischen Arbeitern und Bourgeoisie" mitzutragen.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. März 2017

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