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ITALIEN/208: Berlusconi in Brüssel (Gerhard Feldbauer)


Berlusconi in Brüssel

Wahlkampf unter EU-Fittichen mit Eloge auf "exzellente Beziehungen mit Frau Merkel"

von Gerhard Feldbauer, 24. Januar 2018


Bei einem zweitägigen Besuch in Brüssel hat sich der Führer der faschistisch-rassistischen Allianz, Silvio Berlusconi, Rückendeckung für seine Kampagne zu den Parlamentswahlen am 4. März verschafft. Aufsehen erregte er in Rom ob seiner Eloge für die Bundeskanzlerin. Die Nachrichtenagentur ANSA meldete, der Ex-Premier habe sich der "immer exzellenten Beziehungen im Klima gegenseitiger Interessen mit Merkel" gerühmt. "Frau Merkel unterstützt mit Entschlossenheit unsere Wahlkampagne", wurde er ebenfalls unwidersprochen von der römischen La Repubblica zitiert. Im Reisegepäck hatte Berlusconi jüngste Sondierungen von Fatto Quoditiano, die seine Allianz inzwischen mit 299 von 613 Sitzen in der Abgeordnetenkammer fast bei einer Mehrheit sehen. Laut der Zeitung widerrief er seine bisherige Absicht, ein Bündnis mit dem Chef des demokratischen Partito Democratica (PD) einzugehen. Während er Merkel Erfolg für eine Große Koalition wünschte, schloss er nun eine solche für Italien aus.

Obwohl Gast der EVP-Koalition des EU-Parlaments wurde Berlusconi in Brüssel empfangen, als hätte er die Wahlen bereits gewonnen. Er absolvierte das "volle Programm" bis zum Empfang durch Kommissionspräsident Juncker. Fatto Quoditiano zitiert Antonio López, den Generalsekretär der EVP, der stärksten Fraktion in Straßburg, der versicherte, dass die europäischen Volksparteien "bereit sind, Berlusconi zu unterstützen". Eine "künftige neue Regierung" in Italien werde "stark sein dank des Einflusses von Berlusconi". Dieser Einfluss resultiert auch daraus, dass seit 2017 der Vertraute Berlusconis aus dessen FI, Antonio Tajani, EU-Parlamentspräsident ist.

Berlusconis Empfang verdeutlichte, dass man im krisengeschüttelten Brüssel eine rechtsextreme Regierung einer monatelangen Unregierbarkeit in Italien vorziehen würde. Da Berlusconi wegen seiner Verurteilung und Ämterverbot nicht selbst Premier werden kann, könnte deren Charakter obendrein als personeller Wechsel kaschiert werden.

Zumal Berlusconi Juncker versicherte, er garantiere die Einhaltung der Defizit-Regeln, werde die derzeitigen 3 Prozent Italiens auf 2,5 drücken und dafür sorgen, dass sein Verbündeter, Legachef Salvini, sich dem nicht widersetzt. Da störte es nicht, dass Berlusconi für eine "schärfere Migrationspolitik" ist und "striktere Grenzkontrollen" fordert.

Die exzellenten Beziehungen zu Kanzlerin Merkel erinnern Mitte-Links in Rom besorgt daran, dass seit Kohls Zeiten die von Berlusconi angeführten Faschisten und Rassisten schon immer unterstützt wurden. Von der im April 1994 gebildeten ersten Regierung Berlusconi, die Manifesto als "eine schwarze Regierung" entlarvte, erwartete die FAZ am 23. April "Auswirkungen im ganzen 'westlichen' Europa" (womit das Blatt Recht behalten sollte). Helmut Kohl empfing Berlusconi zu dessen erstem Staatsbesuch in Bonn und kaschierte die rechtsextreme Wende in Rom mit Sprüchen vom "gemeinsamen Aufbau der Demokratie in beiden Ländern". 1998 setzte Merkels Ziehvater mit der CDU/CSU in Straßburg die Aufnahme der FI in die EVP-Fraktion durch. Als 2001 Berlusconi erneut mit den AN-Faschisten die Regierung bildete, hofften CDU/CSU, damit möge die Ablösung der sozialdemokratisch geführten Regierungen in Europa beginnen. Nach den blutigen faschistischen Ausschreitungen auf dem G8-Gipfel 2001 in Genua (ein Toter, über 300 Verletzte, mehr als 600 in Gefangenensammelstellen zusammengetriebene Demonstranten) lud der bayerische CSU- und Regierungschef Stoiber Berlusconi demonstrativ zum Staatsbesuch in München ein. Die EU zog immer mit: Unwidersprochen konnte Berlusconi die Ratspräsidentschaft übernehmen, sein Vize, AN-Führer Fini, Mitglied des EU-Verfassungskonvents werden, die Spitzenfaschistin und Enkelin des "Duce", Alessandra Mussolini, ins EU-Parlament einziehen und auch noch Mitglied im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres werden.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2018

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