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ITALIEN/311: COVID-19 in Italien - Überraschung, Schreck, Verlauf ... 27.4.2020 (SB)



Wie italienische Medien berichteten, hat der 25. April, Staatsfeiertag zum Gedenken an den Befreiungskampf gegen Hitler-Deutschland und das faschistische Regime Mussolinis [1], ungeachtet der wegen der Corona-19-Pandemie bestehenden Beschränkungen weitestgehend stattgefunden. In einer Ansprache, die er an diesem Tag auf dem "Altare della Patria" (Altar des Vaterlandes) auf der Piazza Venezia in Rom hielt, wo er - fast allein - einen Kranz niederlegte, würdigte Staatspräsident Sergio Mattarella den Beginn des bewaffneten Aufstandes gegen die Besatzung Italiens durch die Wehrmacht Nazi-Deutschlands und ihrer italienischen Vasallen als einen "Teil der Geschichte der Italienischen Republik", der eine "ethische Reserve von außerordentlichem zivilen und institutionellen Wert" darstelle. Er stellte den Kampf gegen die Pandemie in die Tradition des antifaschistischen Widerstands und appellierte an seine Landsleute, in diesem Sinne zu agieren und keine extremistischen Ausfälle zuzulassen.

Wie die Nachrichtenagentur ANSA in ihrer umfangreichen Wiedergabe der Erklärung des Staatsoberhaupts schrieb, weise dieser die von "rechtsextremen Randkreisen" ausgehenden Kontroversen scharf zurück und betone, Italien werde "das aus dem Befreiungskampf entstandene Wertreservoir als idealen Motor für die Erholung von dem Coronavirus-Notfall" nutzen. Mattarella gehe "auf die wirklichen Sorgen der Italiener" ein, die angesichts der aktuellen Katastrophen und Schwierigkeiten nach einem Ausweg suchten, so ANSA. Die heutigen "Frontkämpfer", erklärte er, seien "Ärzte, Krankenschwestern, Arbeiter und diejenigen, die das Land voranbringen". Diese Menschen manifestierten "einen Geist, der die Republik ehrt und die Solidarität unseres Zusammenlebens stärkt im Zeichen der Kontinuität der Werte, die unser Land außergewöhnlich gemacht haben".

Es sei heute, so Mattarella in seiner Grußbotschaft, "unsere Besonderheit" zu wissen, "wie man Widrigkeiten überwindet, die uns auch bei der harten Prüfung einer Krankheit begleiten, die viele Leben gebrochen hat." Der italienische Staatspräsident appellierte an die Bevölkerung, gemeinsam und solidarisch zu handeln, um im Kampf gegen die Corona-Pandemie weit über Phase 2 hinausgehen zu können, und erklärte: "Wir brauchen Maßnahmen, um die Kapazitäten für die wirtschaftliche und soziale Planung wieder in Gang zu bringen und zu erneuern."

Niemand solle es wagen, mahnte er, die ursprüngliche Bedeutung des 25. April, die die unantastbare Säule der Republik bleibe, zu beseitigen: "Der fünfundsiebzigste Jahrestag der Befreiung" sei "das Gründungsdatum unserer demokratischen Erfahrung, mit der die Republik in der Verfassung verankert" wurde. "Sich an den Widerstand, den Befreiungskampf und diese entscheidenden Seiten unserer Geschichte zu erinnern, bedeutet, die Werte Freiheit, Gerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt zu bekräftigen." Mattarella sieht sich den antifaschistischen Grundlagen der Republik verpflichtet. In der EU dürfte er das einzige Staatsoberhaupt sein, das in dieser Zeit der Corana-Pandemie an diese Werte appelliert und an die sozialen Aspekte und wirklichen Sorgen der Bevölkerung erinnert.

Wie die italienische Presse am 26. und 27. April berichtete, wurde der Feiertag des 25. April im ganzen Land würdevoll begangen. Viele Menschen hatten ihre Fenster und Balkone mit italienischen Fahnen geschmückt und die Bilder ins Netz gestellt. Überall erklang das traditionelle Partisanenlied "Bella Ciao". Der bekannte italienische Jazztrompeter Paolo Fresu spielte es auf einem leeren Platz in Bologna und stellte das Video online.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur ANSA werden in Italien ab dem 4. Mai etliche Beschränkungen aufgehoben. In der Wirtschaft solle dies Schritt für Schritt erfolgen. "Wir können den Lockdown nicht weiter verlängern, uns drohen ansonsten zu heftige Schäden im sozialen und wirtschaftlichen Bereich", erklärte Ministerpräsident Giuseppe Conte nach Angaben der römischen Tageszeitung "La Repubblica". Dies setze allerdings voraus, daß die Unternehmen ihre Beschäftigten wirksam vor einer Ansteckung schützen könnten. Die Schulen sollen in Italien noch bis zu den Sommerferien geschlossen bleiben und erst im September wieder geöffnet werden. Im Haushalt wird Medienberichten zufolge eine zusätzliche Neuverschuldung von 55 Milliarden Euro eingeplant. Damit würde sich das Haushaltsdefizit Italiens in diesem Jahr auf 10,4 Prozent des BIP erhöhen.


Fußnote:

[1] Siehe zum 25. April im Schattenblick unter www.schattenblick.de → INFOPOOL → GEISTESWISSENSCHAFTEN → GESCHICHTE:
MEMORIAL/214: Die strategische Bedeutung des bewaffneten Aufstands in Italien im April 1945 (Gerhard Feldbauer)

27. April 2020


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