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ITALIEN/366: Mitte-Links-Bündnis bei Kommunalwahlen vorn - "Waterloo" für Faschisten (Gerhard Feldbauer)


Mitte-Links-Bündnis bei Kommunalwahlen vorn

M5S-Bürgermeisterin in Rom abgewählt
"Waterloo" für Faschisten

von Gerhard Feldbauer, 6. Oktober 2021


Die Kandidaten von Mitte-Links-Bündnissen sind bei den Wahlen der Bürgermeister und der Kommunalparlamente am Sonntag und Montag in Mailand, Bologna und Neapel bereits im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit zu neuen Chefs der Stadtregierungen gewählt worden. Wo die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) Bündnisse mit dem sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) abgelehnt hatte, profitierten die Bewerber der faschistischen Allianz - Lega Salvinis, Brüder Italiens (FdI) Giorgia Melonis und Berlusconis Forza Italia (FI) - davon. So in Rom, wo ihr Bewerber Enrico Michetti auf gut 30 Prozent kam, während der gegen die Amtsinhaberin Virginia Raggi von M5S antretende PD-Bewerber Roberto Gualtieri auf 27 Prozent kam, während die Raggi auf 19 sank.

Auch in Kalabrien, wo gleich drei Kandidaten aus dem Mitte-Links-Spektrum getrennt antraten, setzte sich als neuer Präsident der Region der FI-Bewerber bereits im ersten Wahlgang durch. Hinzu kamen Ergänzungswahlen für zwei Sitze der Abgeordnetenkammer, darunter in Siena, wo der neue Chef des PD Enrico Letta nach sechs Jahren Unterbrechung Pause wieder ins Parlament gewählt wurde. Die Wahlen der Bürgermeister- und Kommunalparlamente fanden in 1348 Gemeinden mit rund 12 Millionen Wahlberechtigten statt. Wo ein Kandidat nicht 50 Prozent plus wenigstens einer Stimme erreichte, treten die beiden an der Spitze liegenden Bewerber in zwei Wochen zum Ballottaggio (Stichwahl) an, so in Rom, Turin und Triest.

Die Sternepartei steckt erneut eine Niederlage ein. Im Vergleich zu den Parlamentswahlen im März 2018, wo sie 32 Prozent einfuhr, kommt sie jetzt im Durchschnitt nur noch auf 8,5 Prozent. Ihr droht laut Manifesto "der Zusammenbruch". Die Abfuhr für die Raggi, die 2016 nur mit den Stimmen der FdI Melonis ins Amt kam, ist eine deutliche Absage an den Rechtskurs von M5S-Gründer Grillo, der an ihrer heftig kritisierten Kandidatur festhielt. Ob der neue Sterne-Chef, Ex-Premier Giuseppe Conte, der wie in Neapel auch in Rom für den PD-Bewerber Gualtieri eintrat, das aufhalten kann, wie Medien meinen, bleibt abzuwarten. Vor allem aber geht der PD, der in den Mitte-Links-Bündnissen meist die Bewerber stellte, gestärkt aus dem Votum hervor und steht laut Manifesto verglichen mit der Katastrophe der Rechten "mehr als wettbewerbsfähig" da. "Wir haben gezeigt, dass die Rechte schlagbar ist", zitierte das linke Blatt den PD-Chef Enrico Letta. Auf sich aufmerksam machte auch die kleine antikapitalistische Linkspartei Potere al Popolo (Die Macht dem Volke), der es im Bündnis mit Kommunisten u. a. in Bologna gelang, über zwei Prozent Stimmen zu erzielen.

Um das faschistische Odium los zu werden oder zu verbergen und Wähler der Mitte zu gewinnen, hatten die Parteien der faschistischen Allianz versucht, mit sogenannten parteiunabhängigen Kandidaten anzutreten, wie zum Beispiel in Rom mit dem Jura-Professor für Kommunalrecht Enrico Michetti. Wie Manifesto enthüllte, hat der für seine Sympathien für die extreme Rechte bekannte Michetti die Tarnung nutzlos gemacht, indem er gleich drei Mitglieder der faschistischen Casa Pound in seine Liste aufnahm. In Neapel wollte die Lega ohne ihr Parteisymbol auf einer "Prima Napoli-Liste" den mit ihr sympathisierenden Staatsanwalt Catello Maresca unterstützen, wurde aber vom Stadtrat abgelehnt. Es erwies sich ohnehin als nutzlos. Wie Lega-Chef Salvini eingestehen musste,, ist es "für die ganze Rechte und für die Lega im Besonderen" ein "Waterloo", eine "nicht zu leugnende Niederlage" geworden. Die Wahlergebnisse zeigen eine sich fortsetzende Stimmenwanderung von der Lega zu den Brüdern Italiens Melonis bei gleichzeitig sinkender Akzeptanz Salvinis.

Mit Blick auf die Wahl des Staatspräsidenten im Februar 2022 wie auch eines neuen Parlaments im Frühjahr 2023 wurde dem Votum eine auf die Wähler ausstrahlende Bedeutung beigemessen. Wie zutreffend das ist, zeigte sich, als FdI-Führerin Meloni laut ANSA sofort nach dem Wahlausgang ein verdecktes Manöver zu vorgezogenen Neuwahlen einleitete und darauf drängte, Premier Draghi solle als Kandidat für die Präsidentenwahl im Februar 2022 aufgestellt werden. Das Ziel ist unschwer zu erkennen. Mit dem Ausscheiden Draghis aus dem Amt des Premiers möchten die Faschisten Wahlen auf Frühjahr oder Herbst 2022 vorziehen, um an die Regierung zu kommen, da ihre Chancen mit dem Sinken der Lega-Stimmen fallen. Auch befürchten sie ein weiteres Anwachsen der PD-Stimmen.

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Quelle:
© 2021 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 26. Oktober 2021

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