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ITALIEN/401: Unvorstellbare Preislawine infolge der EU-Sanktionen gegen Russland (Gerhard Feldbauer)


Preise
Rückwirkung der EU-Sanktionen löst Schockwelle aus

Im Mai kostete der "Einkaufswagen" 544 Euro mehr

von Gerhard Feldbauer, 20. Juni 2022


Die Nachrichten über die Rückwirkungen der EU-Sanktionen gegen Russland in Italien werden immer besorgniserregender. Eine Preislawine unvorstellbaren Ausmaßes hat im Mai dazu geführt, dass der Durchschnittsitaliener nach vorläufigen Berechnungen - die tatsächlichen Preise können durchaus noch höher liegen - im Vergleich zum Vorjahr für das, was im "Einkaufswagen" (nationaler Verbraucherindex ohne Tabak) lag, 544 Euro mehr zahlen musste. Das geht aus dem Bericht des Verbraucherverbandes Assoutenti hervor. Das sei, wie es heißt, das Ergebnis davon, dass die Lebensmittelpreise als Folge der Energiekrise einen Rekordanstieg im Vergleich zum Vorjahr um + 7,4 % verzeichneten und in nur einem Monat sogar um + 1,2 % stiegen.

Eine dazu von ANSA veröffentlichte Statistik führt bei Lebensmitteln u. a. folgende Preissteigerungen an: Brot 9,6 %, Reis 9,9 %, Mehl 18,7 %, Teigwaren 20,5 %, Fleisch 6,7 % - davon Geflügel 13,8 %, Wurstwaren in Packungen 6,1 %, frischer Fisch 8,6 %, Meeresfrüchte 11,4 %, frische Vollmilch 6,1 %, Magermilch 6,9 %, Konserven 8,5 %, Frischkäse 7,3 %, Eier 12,3 %, Butter 23,3 %, Olivenöl 7,2 %, Kernöl 70,2 %, frisches Obst 6,0 % - davon Orangen 9,0 % - Birnen 22,9 % - Äpfel 5,3 %, frisches Gemüse 11,0 % - davon Tomaten 20,6 %, Kartoffeln 6,2 %, Pommes Frites 10,4 %, Zucker 7,8 %, Speiseeis 11,0 %, Saucen und Dressings 6,8 %, Kaffee 5,0 %, Mineralwasser 7,1 %, Fruchtsäfte 7,9 %, Tafelweine 2,8 % und Bier 3,0%.

Und es ist keine Ende in Sicht. "Diese alarmierende Situation wird sich in den kommenden Monaten leider noch verschlimmern", erklärt Verbandspräsident Furio Truzzi. Die Regierung könne nicht tatenlos zusehen und müsse angesichts dieses Notfalls "außergewöhnliche Maßnahmen zum Schutz von Familien und Wirtschaft ergreifen, den Kraftstoffpreis sofort blockieren und einen Rückgriff auf administrive Tarife für Primärgüter wie Lebensmittel und Energie" vornehmen, so seine Forderung.

Mit der Reise nach Kiew von Premier Dragi - zusammen mit Macron und Scholz - heizt die Regierung die Lage jedoch noch weiter an. Moskau reagierte prompt mit der Reduzierung der Gaslieferungen durch Gasprom von 63 Millionen Kubikmetern um 50 Prozent. Das markiere einen "weiteren schwarzen Tag an der Energiefront für Europa" und lasse "die Strategie des Kreml allmählich klarer hervortreten: den Alten Kontinent in eine Spirale aus explodierenden Preisen und zunehmenden Lieferengpässen einzusperren", meint ANSA. Die Sanktionen "sind dumm und rücksichtslos", zitiert die staatliche Nachrichtenagentur unverblümt Putin und sieht in der Reduzierung der Gas-Lieferungen eine Warnung an Draghi. Der Industriellenverband Confindustria ist alarmiert: "Das italienische System ist am stärksten von den Auswirkungen der Energieerhöhungen auf die Produktionskosten betroffen." Eine Blockade der Erdgasimporte aus Russland, dem Hauptlieferanten, "könnte sich sehr stark auf die bereits geschwächte italienische Wirtschaft auswirken".

Das linke Manifesto hält es für möglich, dass die Zuspitzung der Verschlechterung der sozialen Lage eine "Radikalisierungswelle" auslösen könne, die zu einem "Elitenwechsel" führe. Fakt ist jedenfalls, dass die Beschäftigten zum zweiten Mal in diesem Jahr mit einem Generalstreik gegen den Krieg und die Auswirkungen der Kriegswirtschaft auf ihre Lebenslage protestierten und den Sturz der Kriegsregierung Draghi forderten. Sie riefen dazu auf, einer "radikalen Opposition laut und deutlich und ohne Wenn und Aber Gehör zu verschaffen". Für den 25. Juni hat die Gewerkschaft Unione Sindacale di Base (USB) die Arbeiter zu einer Nationalen Versammlung nach Rom aufgerufen, um weitere Mobilisierungen gegen den Kriegskurs der Draghi-Regierung, der in den Abgrund eines neuen Weltkrieges führen könne, zu beraten.

Über der Draghi-Regierung schwebt tatsächlich das Damoklesschwert der Regierungskrise. Sollte die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) bei der Stichwahl der Bürgermeister- und Kommunalwahlen am kommenden Sonntag erneut eine Niederlage erleiden, ist damit zu rechnen, dass Ex-Premier und Sterne-Chef Giuseppe Conte die Regierung verlässt. Und die Führerin der faschistischen Brüder Italien (FdI), Giorgia Meloni, die auf den ersten Platz kam und der Umfragen auch für die Parlamentswahlen im Frühjahr 2023 mit 21,5 % den Spitzenplatz voraussagen, verkündet bereits, dann werde sie Ministerpräsidentin werden.

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 21. Juni 2022

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