Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → POLITIK


ITALIEN/424: Kriegsminister Guido Crosetto, ein Schwergewicht des Militärisch-Industriellen Komplexes (Gerhard Feldbauer)


Giorgia Melonis Kriegsminister

Ein Schwergewicht des Militärisch-Industriellen Komplexes

von Gerhard Feldbauer, 31. Oktober 2022


Wenn Giorgia Meloni in ihrer Regierungserklärung vor dem Parlament am 25. Oktober verkündete, "allen Italienern zu dienen", ist auch das eine üble Heuchelei. Ein Blick auf den von ihr ernannten Verteidigungsminister Guido Crosetto, den man besser Kriegsminister nennt, belegt augenscheinlich, wem sie dient und warum sie sich zum NATO- und EU-geführten Krieg in der Ukraine bekennt. Crosetto ist ein Schwergewicht des international gut vernetzten Militärisch-Industriellen Komplexes des Landes. So seit 2012 als Berater des italienischen Rüstungs-, Luft- und Raumfahrtkonzerns Leon44ardo, der rund 50.000 direkte und 150.000 indirekte Mitarbeiter beschäftigt, davon die Mehrheit in Italien, und mit Standorten in den USA, Großbritannien, Frankreich, Polen und Deutschland zu den größten Rüstungsunternehmen der Welt zählt. Auf diesem Gebiet war Italien mit der Herstellung von Raumfahrtausrüstungen bereits an Arianespace-Satelliten oder EUREKA-Raumfahrtprojekten beteiligt.

Leonardo stellt von Minen und Granaten, Torpedos und Raketen bis zum Artilleriegeschoss oder zur Gewehrpatrone nahezu alles her, was zur Kriegführung gebraucht wird. Wie ANSA am Donnerstag meldete, wurde gerade ein Auftrag über die Lieferung von 20 einmotorigen Carabinieri-Hubschraubern AW119Kx abgeschlossen. Von dem Unternehmen erhielt Crosetto im vergangenen Jahr 619.000 Euro für verschiedene Beratertätigkeiten, eine Summe, die sogar über dem Gehalt des Präsidenten des Unternehmens liege, wie das Blatt Domani am Donnerstag berichtete. 2020 wurde Crosetto auch noch Präsident des italienischen Konzerns Orizzonti Sistemi Navali (OSN), der im Bereich Marinetechnik und -systeme tätig ist und militärische Marine-Komplexe entwickelt und herstellt, insbesondere für Korvetten, Fregatten und Flugzeugträger.

In diesen Unternehmen im Verteidigungssektor habe er in den letzten Jahren, als die Militärausgaben stiegen, in den "Schützengräben der Kriegsindustrie" viel Geld verdient, schrieb das linke Magazin Contropiano am Mittwoch in seinem Online-Portal. Denn in diese Unternehmen floss "jedes Jahr ein beträchtlicher Strom von Ressourcen aus dem Haushalt des Verteidigungsministeriums", in dem er in der letzten Regierung Berlusconi seit 2008, zunächst als Staatssekretär, dann als Minister bis zu dessen Fall 2011, bereits einmal saß. 2019 habe der Umsatz der Branche fast 16 Milliarden Euro betragen. Für diesen "Sektor mit sehr hohem Mehrwert", eine "Welt voller Bomben, Jäger und Panzer", entwickelte Crosetto deshalb "eine unbändige Leidenschaft". Ein Problem sah er darin, dass "noch zu wenige Waffen produziert wurden". Dem hat die NATO mit ihrem in der Ukraine entfesselten Krieg gegen Russland, den Meloni vorbehaltlos unterstützt, jetzt Abhilfe geschaffen.

Seinen Weg begann der heute 60jährige zunächst als vielseitiger Unternehmer, u. a. in der Immobilienbranche, der ihn bald nach Arcore in die Villa Berlusconis führte, und in dessen faschistischer Forza Italia er zum Politiker aufstieg. Nach Berlusconis Fall 2011 gehörte er mit Meloni und dem Mussolini-Bewunderer Ignazio La Russa, der gerade als Senatspräsident zum zweiten Mann des Staates aufstieg, zu den Begründern der Brüder Italiens, zu deren Wahlsieg er als "guter Riese" der "faschistischen Rechten" und "Königsmacher Melonis" entscheidend, so Contropiano, beigetragen habe. Er gilt als ihr Richelieu und als einer der wenigen, denen sie blind vertraut. Er bilde im Palazzo Baracchini (Sitz des Ministeriums) den "bewaffneten Flügel ihrer Regierung".

Ein lukratives Feld waren für ihn Waffenexporte, so nach Saudi-Arabien, nach Afrika und anderswohin, die er durch das Gesetz 185, das die staatliche Kontrolle über Waffenimporte und -exporte regeln sollte, eingeschränkt sah. In der Verteidigungskommission des Senats forderte er, es aufzuheben, da über solche Fragen "die Regierung und nicht das Parlament zu entscheiden hat". Und jetzt, da er am entscheidenden Hebel der Macht sitzt, "droht 185 eine raue Zukunft".

*

Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 4. November 2022

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang