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ITALIEN/433: Wahlversprechen gebrochen - Giorgia Meloni gibt ITA Airways zum Abschuss frei (Gerhard Feldbauer)


Giorgia Meloni gibt ITA Airways zum Abschuss frei

Wahlversprechen gebrochen

von Gerhard Feldbauer, 5. Januar 2023


Nach einem am Wochenende erlassenen Dekret gibt Ministerpräsidentin Giorgia Meloni die neue Fluglinie ITA Airways zum Abschuss frei. Als ihr Vorgänger im Amt Mario Draghi 2021 entschied, die Airline zu privatisieren und der Lufthansa zusammen mit ihrem Partner, der Reederei Mediterranean Shipping Company (MSC) zur Übernahme zu überlassen, hatte die Führerin der faschistischen Brüder Italiens (FdI) erklärt, sie werde als Ministerpräsidentin einen Verkauf ablehnen. Auch der US-Fonds Certares mit Air France-KLM und Delta Airlines gehörte damals zu den interessierten Käufern. Giorgia Meloni nahm die Exklusivitätsvereinbarung mit Certares zurück und öffnete die Übernahmeverhandlungen neu. Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti zeigte sich dem Angebot von Air France-KLM gegenüber offen skeptisch. Eine Kapitalbeteiligung von Air France-KLM könnte derzeit nur maximal zehn Prozent betragen, da dem französisch-niederländischen Konzern durch EU-Vorgaben wegen staatlicher Hilfen in der Corona-Krise die Hände gebunden sind.

Das Dekret legt jetzt die Privatisierung der staatlichen ITA Airways fest und sieht den Einstieg einer anderen Fluggesellschaft "in mehreren Etappen" vor. Laut dem Mailänder Corriere della Sera bleibe Lufthansa der bevorzugte Anbieter, der die Airline bei einer Kapitalerhöhung von 49% der Anteile für gerade einmal 200 Millionen Euro kaufen wolle, was eine extrem niedrige Bewertung sei. In einem ähnlichen Verfahren war die Lufthansa auch bei Brussels Airlines eingestiegen.

Die heutige ITA Airways ging aus der nationalen Fluggesellschaft Alitalia hervor, die in den Konkurs getrieben von Ex-Premier Draghi zerschlagen und in eine geschrumpfte ITA umgewandelt wurde. Mit auf die Hälfte reduzierten Maschinen und Strecken und nur noch 12.000 Beschäftigten - 8.000 wurden auf die Straße gesetzt - war sie von Anfang an ein totgeborenes Unternehmen. Die profitabelsten Langstrecken fielen schon damals an deutsche Drehkreuze. Das entsprach der Linie der EU, die im Konkurrenzkampf vor allem die deutsche Lufthansa bevorzugte. Dieser Linie beugt sich jetzt auch Meloni.

Lufthansa wollte schon seit Jahren Alitalia bzw. nun die Nachfolgerin ITA Airways übernehmen, allerdings war das immer mit der Forderung an die Regierung in Rom verbunden, eine "echte Privatisierung" vorzunehmen und klarzustellen, dass der Staat keinen politisch Einfluss nehmen dürfe. Auch hier will Meloni nun klein beigeben und der deutschen Gesellschaft weitreichende Kontrollbefugnisse über ITA einräumen und sich auf eine formelle Kontrollfunktion zurückziehen. Lufthansa könnte dann sehr schnell, noch vor einem langwierigen Übernahme- oder Teilübernahme-Prozess und der Abgabe der Kontrolle an Frankfurt ITA Airways, umbauen. Denn viel Zeit habe man nicht mehr, da ITA Airways weiterhin Verluste einfahre, die seit November 2022 bis März 2023 auf fast eine Viertel Milliarde Euro kalkuliert werden. Auch sei die die Regierung nicht willens, noch "weiter Geld in ITA Airways zu stecken". Dabei werde man ITA Airways wohl sehr schnell in die Tarifstruktur von Lufthansa integrieren, um zu versuchen, die Kosten durch einen gemeinsamen Einkauf zu senken. Dazu kommt, dass man ITA Airways in die Star Alliance holen und sie in die Lufthansa Joint Venture integrieren will. Auch eine Integration in das Miles & More Programm sei geplant.

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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 6. Januar 2023

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