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PARTEIEN/249: Sinn Féin läutet den Untergang der Fianna Fáil ein (SB)


Sinn Féin läutet den Untergang der Fianna Fáil ein

Den "Soldaten des Schicksals" steht die Götterdämmerung bevor


Der überwältigende Sieg von Pearse Doherty, dem Kandidaten der linksnationalistischen Sinn Féin ("Wir selbst") bei der Nachwahl am 25. November im Bezirk Donegal South-West ist ein deutlicher Vorbote dessen, was die in Dublin in Koalition mit den Grünen regierenden Partei Fianna Fáil ("Soldaten des Schicksals") bei den kommenden Parlamentswahlen im Frühjahr in Irland erwartet. Die ganze Grafschaft Donegal gilt traditionell als Teil des Stammlands von Fianna Fáil. Die Nachwahl war erforderlich geworden, nachdem der Abgeordnete für den Bezirk Donegal South-West, Fianna Fáils Pat "The Cope" Gallagher, im Sommer 2009 ins EU-Parlament in Strasbourg gewählt worden war.

Wegen der Angst Fianna Fáils vor einer schweren Bestrafung durch das Wahlvolk wegen ihrer Verantwortung für die aktuelle Finanzkrise auf der Insel hatte die Regierung in Dublin über ein Jahr lang darauf verzichtet, einen Termin für die Nachwahl in Donegal South-West anzusetzen, und dies erst gemacht, nachdem Doherty am 2. November beim High Court in Dublin ein entsprechendes Urteil erstritten hatte. Die Tatsache, daß die Nachwahl einen Tag, nachdem Premierminister Brian Cowen und Finanzminister Brian Lenihan den sozial höchst ungerechten Vierjahresplan zur Sanierung der maroden Staatsfinanzen und zur Rettung des überschuldeten Bankensektors Irlands vorgelegt hatte, stattfand, dürfte sicherlich zu dem für Fianna Fáil miserablen Ergebnis beigetragen haben. Nicht genug, daß Doherty fast die Hälfte der abgegebenen Stimmen bekam. Fianna Fáils Kandidat Briain O'Dohmnaill blieb sogar hinter Barry O'Neill von der oppositionellen Fine Gael ("Stamm der Kelten") auf dem dritten Platz zurück.

Nach Bekanntwerden des amtlichen Endergebnisses am 26. November hat Sinn Féin, deren Sitzanteil im Dubliner Parlament sich nach der Wahl von Doherty von vier auf fünf erhöht, Gespräche mit den beiden unabhängigen linken Abgeordneten Finian McGrath und Maureen O'Sullivan zwecks Gründung einer "technischen Gruppe", vergleichbar einer Fraktion, aufgenommen. Die Partei um die beiden ehemaligen IRA-Kommandeure Martin McGuinness und Gerry Adams, die seit zwei Jahren in Nordirland zusammen mit den pro-britischen Democratic Unionists die Regierung bildet, will in den nächsten Tagen ein Mißtrauensvotum gegen die Cowen-Regierung auf die Tagesordnung setzen, um vorgezogene Neuwahlen zu erzwingen.

In Erwartung der kommenden Parlamentswahlen in der Republik Irland hat Adams am 14. November für eine politische Sensation mit der Bekanntmachung gesorgt, er kündige seine Sitze im nordirischen und im britischen Parlament als Abgeordneter von West Belfast auf, um sich in der grenznahen Grafschaft Louth als Kandidat und Nachfolger des zurücktretenden Arthur Morgan, der noch Wirtschaftssprecher Sinn Féins in Dubliner Leinster House ist, aufstellen zu lassen. Die Wahl von Adams als Abgeordneter für Louth, wo der irische Republikanismus traditionell viele Anhänger hat, ins Dubliner Parlament gilt als sicher. Die Entscheidung des berühmten Parteivorsitzenden aus Belfast, sich hauptberuflich auf die parlamentarische Politik im Süden Irlands zu konzentrieren, könnte Sinn Féin zu dem langen angestrebten Durchbruch in der Republik verhelfen.

Alle Umfragen und das katastrophale Ergebnis in Donegal South-West deuten darauf hin, daß Fianna Fáil, die in den letzten rund neunzig Jahren wie keine andere Partei die politische Landschaft der Republik Irland dominiert hat und die seit 1997 ununterbrochen an der Macht ist - zuerst mit den neoliberalen Progressive Democrats um Mary Harney und zuletzt mit den Grünen -, auf eine vernichtende Niederlage zusteuert. Man geht davon aus, daß bei den nächsten Parlamentswahlen Fianna Fáil, die derzeit 78 von 166 Sitzen im Dubliner Parlament hat, auf 40 Sitze oder noch weniger dezimiert wird. Es sieht alles danach aus, als würden Fine Fael (nationalkonservativ) und die Labour Party die großen Gewinner sein und zusammen eine Koalitionsregierung bilden. Eventuell könnte Fianna Fáil zum erstenmal in ihrer Geschichte von Labour auf den dritten Platz verwiesen werden.

Wegen des zu erwartenden enormen Sitzverlustes Fianna Fáils im Dáil, dem Parlament in Dublin, steht in der irischen Politik ein Linksruck bevor, von dem nicht nur Labour und Sinn Féin, sondern auch die kleineren Parteien profitieren wollen. Zu diesem Zweck hat am 25. November die sozialistische Partei um den EU-Abgeordneten Joe Higgins, die Gruppe People Before Profits um den Dubliner Kommunalpolitiker und Friedensaktivisten Richard Boyd Barrett und die Workers Unemployed Action Group (WUAG) die Gründung der United Left Alliance (UAL) und die Aufstellung gemeinsamer Kandidaten bei den Wahlen angekündigt. Der Linksruck hatte sich bereits letztes Jahr bei den EU-Wahlen besonders in der Millionenstadt Dublin, wo Fianna Fáil wegen ihrer jahrelangen Kumpanei mit den Bankenvorständen und den großen Baulöwen Irlands jedwede Unterstützung in den Arbeitervierteln verloren hat, manifestiert.

Der Mißmut in der irischen Bevölkerung über Cowen, Lenihan und Konsorten hat in den letzten Wochen und Monaten angesichts des drohenden IWF-EU-Rettungspakets und des sozial unausgeglichen Vierjahresplans nur noch zugenommen. Am heutigen 27. November findet in Dublin unter der Leitung des Irish Congress of Trade Unions (ICTU) eine Großdemonstration gegen die geplanten Sozialkürzungen statt, an der rund 100.000 Menschen teilnehmen werden. Für zusätzlichen Ärger auf der Insel hat die jüngste Nachricht gesorgt, wonach die Iren auf das rund 85 Milliarden Euro schwere IWF-EU-Darlehenspaket, das Irlands Staatsfinanzen wieder sanieren soll, Zinsen in Höhe von 6,7 Prozent bezahlen sollen. Bei dem vergleichbaren "Rettungspaket" für Griechenland im Frühjahr lagen die Zinsen bei "nur" 5,2 Prozent.

27. November 2010