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PARTEIEN/250: Irlands Arme sollen das Bankenrettungspaket stemmen (SB)


Irlands Arme sollen das Bankenrettungspaket stemmen

Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger im Blick des EU-Schnüffelstaats


In der irischen Bevölkerung ist die Verärgerung über das finanzielle "Rettungspaket", das Premierminister Brian Cowen und Finanzminister Brian Lenihan mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Kommission der Europäischen Union (EU) ausgehandelt haben, enorm. Das am 28. November von den EU-Finanzministern abgesegnete "Rettungspaket" in Höhe von 85 Milliarden Euro sieht drastisch Kürzungen bei den staatlichen Ausgaben in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales vor, während sich die dazugehörigen Steuererhöhungen hauptsächlich gegen Menschen mit niedrigen Einkommen richten. Die reichen Politiker und ihre Amigos in den Chefetagen, die das Land in den Bankrott gestürzt haben, kommen praktisch ungeschoren davon.

Angesichts des Volkszorns, der sich am 27. November durch eine Großdemonstration in der Dubliner Innenstadt - trotz klirrender Kälte - mit bis zu 100.000 Teilnehmern manifestierte, ist es gut möglich, daß das "Rettungspaket" in seiner jetzigen Form scheitert. Die gesamte Opposition - die nationalkonservative Fine Gael, die sozialdemokratische Labour Party und die linksnationalistische Sinn Féin - will gegen den Haushaltsentwurf für 2011, der am 7. Dezember dem Parlament in Dublin vorgelegt werden soll, Kürzungen in Höhe von 6 Milliarden Euro vorsieht und mit IWF, EZB und EU-Kommission abgesprochen worden ist, votieren. Nach dem Sieg von Sinn Féin bei der Nachwahl im Bezirk Donegal South-West am 25. November hat die Regierungskoalition aus der nationalkonservativen Fianna Fáil - zu der Cowen und Lenihan gehören - und den Grünen nur zwei Stimmen Vorsprung. Sollten einige parteilose Abgeordnete sich der Opposition anschließen bzw. sollte sich der eine oder andere Fianna-Fáil-Volksvertreter nicht dem Fraktionszwang beugen, dann wäre die Niederlage für die Regierung perfekt. Wegen der derzeit extrem niedrigen Umfragewerte für Fianna Fáil macht sich Unzufriedenheit bei deren Hinterbänklern immer mehr bemerkbar. Ob es jedoch bei der Abstimmung über den Haushaltsentwurf und damit für den Vierjahresplan der "two Brians" zur Revolte gegen die eigene Parteiführung kommt, muß sich noch zeigen.

Die Summen, um die es sich im "Rettungspaket" handelt, sind gigantisch. Allein 35 Milliarden aus den 85 Milliarden Euro werden zur Rekapitalisierung der in schwere Not geratenen irischen Banken aufgewendet. Seit 2008 hat der irische Staat zum selben Zweck bereits 32 Milliarden Euro ausgegeben, ohne daß es viel geholfen hätte (Zusammen mit den neuen Geldern hätte die Cowen-Regierung 67 Milliarden Euro - etwa die Hälfte des irischen Bruttosozialproduktes - für den maroden Bankensektor ausgegeben, statt für die vom Platzen der einstigen Immobilienblase betroffenen Institute ein ordentliches Insolvenzverfahren einzuleiten). An dem "Rettungspaket" muß sich der irische Staat mit 17,5 Milliarden Euro selbst beteiligen, die größtenteils aus dem National Reserve Pension Fund (NRPF) stammen. Die Vorstellung, daß der staatliche Rentenfonds geplündert werden soll, um die Schulden der irischen Zockerelite von der Anglo-Irish Bank und Konsorten bei Großbanken in der Londoner City und am europäischen Festland zu begleichen, sorgt ebenso für Mißstimmung auf der grünen Insel wie die Tatsache, daß der irische Steuerzahler Zinsen von rund 5,7 Prozent auf die in Anspruch genommenen Gelder aus dem "Rettungsfonds" wird bezahlen müssen.

In Irland wird dieser Tage allernorts der Verlust der staatlichen Souveränität an irgendwelche Technokraten in Washington, Frankfurt und Brüssel beklagt. Die Klage ist mehr als berechtigt, schaut man die mit dem "Rettungspaket" verbundenen Konditionen genauer an. Nicht nur, daß symbolträchtige Teile des Staatseigentums wie Bord Gáis (Gasmonopol), der Electricity Supply Board (Strommonopol) und der Dubliner Flughafen vermutlich veräußert werden müssen, um die staatlichen Schulden zu bedienen, offenbar hat die EU-Kommission das "Rettungspaket" auch an drakonische Maßnahmen für diejenigen gekoppelt, die in Irland künftig Arbeitslosen- bzw. Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Wie Ciarán Hancock am 29. November in der Irish Times unter der überschrift "Welfare changes go beyond plan" berichtete, sollen künftig Irlands Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger bis in die Privatsphäre hinein ausspioniert und drangsaliert werden, um sie angeblich in den Arbeitsmarkt zu drängen. Man kann davon ausgehen, daß die Kosten dieser Kontroll- und Strafmaßnahmen die eventuellen Einsparungen übertreffen werden. Ihre Einführung läßt erkennen, daß es beim "Rettungsplan" von IWF, EZB und EU mitnichten um wirtschaftliche Vernunft im herkömmlichen Sinne, sondern tatsächlich um die endgültige Unterwerfung Irlands durch das globalisierte Technokratentum geht.

29. November 2010