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PARTEIEN/260: Elizabeth II. besucht erstmals die Irische Republik (SB)


Elizabeth II. besucht erstmals die Irische Republik

Mary McAleese lädt die britische Amtskollegin nach Südirland ein


In der Republik Irland laufen die Vorbereitungen auf den Besuch von Königin Elizabeth II., der am 17. Mai beginnt und bis zum 20. dauert, auf Hochtouren. Schließlich handelt es sich um den ersten Auftritt eines britischen Monarchen im südlichen Teil der grünen Insel, seit diese 1922 nach dem Ende des Unabhängigkeitskrieges in Nord- und Südirland geteilt wurde. Wenngleich die meisten Bürger der Irischen Republik das große Nachbarland als befreundeten Staat betrachten und den Besuch des britischen Staatsoberhaupts begrüßen, ist dieser nicht unumstritten. Schließlich verbindet Irland und England eine lange und zum Teil recht schmerzhafte Geschichte. Hinzu kommt, daß viele Iren nördlich und südlich der Grenze die politische Wiedervereinigung der Insel wünschen und die britischen Streitkräfte im Norden für eine ausländische Besatzungsmacht halten. Dafür gibt es in der Republik nicht wenig Leute, vor allem Meinungsmacher in Politik und Medien, welche die Einheit Irlands gar nicht wünschen, entweder weil ihnen eine Verständigung mit den probritischen, protestantischen Unionisten Nordirlands etwas Mühe kosten könnte oder weil sie im Patriotismus an sich einen atavistischen Reflex sehen und sich lieber als Kosmopoliten einer globalisierten Welt geben. Solche Leute sind zu eigenständigem Denken unfähig, weshalb sie sich nach den Trends, die aus den imperialen Großstädten London, New York, Paris, Berlin und Brüssel kommen, richten.

Es war Präsidentin Mary McAleese, welche letztes Jahr bei einem Besuch bei der britischen Königin im Londoner Buckingham Palace Elizabeth II. in die Irische Republik einlud. McAleese's zweite und letzte Amtszeit läuft im kommenden Herbst aus. Die Juraprofessorin aus Belfast, deren eigene Familie unter dem Ausbruch des nordirischen Bürgerkrieges Ende der sechziger Jahre litt, hat seit ihrer Wahl zum Staatsoberhaupt der Republik im Herbst 1997 unheimlich viel für die Versöhnung zwischen Nord und Süd, katholischen Nationalisten und protestantischen Unionisten getan. Nach der Unterzeichung des Karfreitagsabkommens 1998, mit dem der Bürgerkrieg im Norden beendet wurde und die IRA und die loyalistischen Paramilitärs ihren Kampf gegeneinander beendeten, hat McAleese mit verschiedenen symbolischen Gesten, darunter einem Empfang für die Führung des protestantischen Oranier-Ordens im Präsidentenpalast im Dubliner Phoenix Park, viel zur Verwirklichung des in den Farben der irischen Fahne festgehaltenen Traums - Grün-Weiß-Orange - eines Friedens zwischen Nationalisten und Unionisten beigetragen. McAleese genießt daher einen Vertrauensbonus, weswegen nicht wenige Menschen, die ansonsten dagegen wären, den Besuch der Königin von England als wichtigen Schritt auf dem Weg zur Normalisierung der bilateralen Beziehungen akzeptieren werden.

Wegen der historischen Bedeutung des Besuchs mußte die Auswahl der Orte, welche die Matriarchin des Hauses Windsor samt ihrem Gemahl Prinz Phillip besichtigen wird, sorgfältig getroffen werden. Zwei Auftritte sollten für Versöhnung sorgen, sind aber in den Augen der Kritiker ein Affront. In Dublin wird die Königin den Croke Park besuchen, das hochmoderne Stadion der Gaelic Athletic Association (GAA), wo vor bis zu 80.000 Menschen Hurling und gälischer Fußball gespielt sowie große Musikkonzerte stattfinden. Das Heikle an dieser Mission ist, daß dort die britische Armee 1920 unter den Zuschauern und Teilnehmern eines Fußballspiels ein Massaker angerichtet hat, nachdem kurz zuvor die IRA unter Michael Collins zwölf Spitzel der königlichen Krone hatte erschießen lassen. Darüber hinaus trägt das nördliche Ende von Croke Park den Namen Hill 16, weil die Tribüne dort auf dem Schutt der in Reaktion auf den Osteraufstand 1916 von der britischen Artillerie zerschossenen Dubliner Innenstadt steht.

Ebenfalls in Dublin soll die Königin den Garden of Remembrance besuchen, der den irischen Freiheitshelden vergangener Jahrhunderte, darunter die Teilnehmer des Aufstands der United Irishmen 1798, der Young Irelanders 1849, der Fenian Brotherhood 1867, des Osteraufstands 1916 und des Unabhängigkeitskrieges 1920-1921, gewidmet ist. Für viele irische Republikaner dürfte die Oberkommandierende der königlichen britischen Streitkräfte diesen Ort erst besuchen, wenn ihre Truppen Irland endgültig verlassen haben. Sie sollten sich vielleicht glücklich schätzen, daß Elizabeth II. während ihrer Zeit in Dublin nicht das General Post Office in der O'Connell Street, wichtigstes Symbol des Osteraufstandes, oder Arbour Hill, die letzte Ruhestätte der von den britischen Militärbehörden hingerichteten Unterzeicher der irischen Unabhängigkeitserklärung von 1916, besucht.

Der Besuch der britischen Monarchin, der auch einen Abstecher der Pferdeliebhaberin bei der nationalen irischen Pferdezucht einschließt, wird von einem gigantischen Sicherheitsaufwand begleitet. Auf mehr als 50 Straßen in der Dubliner Innenstadt wird man aus Angst vor Autobomben nicht parken dürfen. Mehrere Brücken über den Fluß Liffey und die Ringautobahn M50 werden teilweise gesperrt. Darüber hinaus ist das Demonstrationsrecht in der irischen Hauptstadt stark eingeschränkt. Dagegen laufen Vertreter der irischen Friedensbewegung, die gegen die NATO-Einsätze in Afghanistan und Libyen protestieren wollten, und die links von Sinn Féin stehende, nationalistische Gruppe Éirigí, welche den Besuch für verfrüht hält, seit Tagen Sturm. Die Polizei weist jedoch auf die verstärkte Aktivität von IRA-Dissidenten hin, die Anfang April Ronan Kerr, einen 25jährigen, katholischen Rekruten des Police Service of Northern Ireland (PSNI) mit einer Autobombe getötet und über Ostern Königin Elizabeth öffentlich zu einem "legitimen" Ziel erklärt haben.

Vom Besuch des britischen Staatsoberhaupts wünscht man sich in Irland vor allem einen Impuls für die Tourismusbranche, die von der Wirtschaftskrise stark betroffen ist. In den vergangenen Jahren ist gerade die Anzahl der Touristen aus Großbritannien stark zurückgegangen. Folglich wird ordentlich Rummel um den Staatsbesuch gemacht. So findet am 19. Mai im nagelneuen Dubliner Kongreßzentrum ein Konzert für die Königin statt, bei dem unter anderem die Folkmusikgruppe The Chieftains, eine Riverdance-Truppe, die Boygroup Westlife und die übergewichtige Teilzeit-Sängerin und Tesco-Kassiererin Mary Byrne, die letztes Jahr beim X Factor, der wichtigsten Castingshow im britischen Fernsehen, den Sieg knapp verfehlte, auftreten werden. Wer weiß, sollte das Spaßduo Jedward - die Zwillinge James and Edward Grimes - für Irland am 14. Mai in Düsseldorf den Prix de l'Eurovision gewinnen, werden sie bei diesem Konzert vermutlich auch mit von der Partie sein. Wie die Amerikaner sagen: "The show must go on!"

12. Mai 2011