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AGRAR/1481: Reaktionen auf die Vorschläge zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 349 - November 2011,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Reaktionen auf die Vorschläge der GAP-Reform
Richtige Schritte, viele Mängel und unterschiedliche Interessen

von Marlene Herzog


Jetzt ist es offiziell. Am 12. Oktober hat die EU-Kommission die Pläne zur Gemeinsamen Agrarreform (GAP) 2013 vorgestellt (siehe vorherige Seite. Im Schattenblick unter www.schattenblick.de → Infopool → Europool → Wirtschaft: AGRAR/1478: EU-Agrarreform - Weitere Vorschläge der Kommission (UBS)) Die Reaktionen von Verbänden und Politik sind unterschiedlich - genauso wie die dahinter stehenden Interessen. Im folgenden ein grober Überblick:


Agrarminister

Bundesagrarministerin Ilse Aigner unterstützt grundsätzlich die Ausrichtung der Vorschläge zur GAP-Reform. Eine Kappung der Direktzahlungen ab 300.000 Euro und die Koppelung der Gelder an Arbeitskräfte lehnt sie jedoch ab, da so ein neues Fördersystem geschaffen würde - die Förderung von Arbeitskräften in der Landwirtschaft. Es müsse zudem verhindert werden, dass sich der Flächenverlust für die Landwirtschaft noch weiter verschärfe. Die Erzeugung von Lebensmitteln und erneuerbarer Energie brauche produktive Flächen, die nachhaltig bewirtschaftet werden. Damit bezieht sie sich auf den Vorschlag der EU-Kommission, mindestens sieben Prozent der Ackerfläche so umzustellen, dass damit klare Vorteile für den Schutz der Biologischen Vielfalt und der Umwelt verbunden sind.


Keine Obergrenzen im Osten

Nicht unerwartet ist die Reaktion der ostdeutschen Agrarminister. In einer gemeinsamen Stellungnahme zu den Vorschlägen der GAP kritisieren sie vor allem die betriebsbezogene Obergrenzenregelung für Direktzahlungen, auch unter Berücksichtigung der Arbeitskräfte. Die Umsetzung dieser Regelung würde landwirtschaftliche Unternehmen in den neuen Bundesländern benachteiligen und zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand führen. Der sächsische Landwirtschaftsminister Frank Kupfer beklagt zudem die Verknüpfung von 30 Prozent der Direktzahlungen mit zusätzlichen Umweltauflagen. Mehr Umweltleistungen seien durchaus zu begrüßen, ein Greening in dieser Form sei jedoch nicht akzeptabel. Auch eine obligatorische Flächenstilllegung von sieben Prozent sei gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Flächenknappheit zurückzuweisen, so Kupfer.


Enttäuscht

Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner zeigt sich enttäuscht von den Vorschlägen der Kommission. Nicht-Landnutzer wie Golfclubs oder Fluggesellschaften von der Förderung auszuschließen sei zwar richtig, die hierfür geplante Einführung eines Mindesteinkommens aus der Landwirtschaft schade aber auch kleineren und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben. Er kritisiert den künftigen bürokratischen Aufwand und zusätzliche Kosten für einen Großteil der Betriebe. Auch kritisiert Brunner die sieben Prozent Flächenstilllegung, die dem ökologischen Wert einer kleinräumigen, bäuerlichen Landwirtschaft in Regionen wie Bayern nicht gerecht werde und im Widerspruch zum wachsenden Bedarf an Lebensmitteln und zur Energiewende stünde.

Der niedersächsische Landwirtschaftsminister Gert Lindemann kritisiert, dass die Koppelung der Direktzahlungen an Umweltauflagen nicht praxisorientiert sei und eher in einen "Bevormundungsstaat" als zu standortangepassten Verbesserungen der Umweltleistungen führen wurde. 42 Prozent aller Landwirte, die mehr als drei Hektar Acker bewirtschaften, wären von den Greening-Vorgaben betroffen. Von der gestaffelten Kürzung der Prämienzahlungen oberhalb von 150.000 Euro je Betrieb wären höchstens 70 Landwirte betroffen, von der Kappungsregelung oberhalb von 300.000 Euro weniger als zehn Unternehmen, so Lindemann.


Wichtige Schritte

Für die Landwirtschaftsminister aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gehen die Reformvorschläge der EU-Kommission tendenziell in die richtige Richtung. Alexander Bonde aus Baden-Württemberg begrüßt die Deckelung der Direktzahlungen als einen richtigen, aber zu zaghaften Ansatz. Die Bindung von 30 Prozent der Direktzahlungen an Umweltleistungen und die Vorschrift einer dreigliedrigen Fruchtfolge seien wichtige Schritte. Bonde bemängelt jedoch, dass weitergehende Reformvorschläge in Richtung einer ökologischeren Agrarpolitik innerhalb der Kommission ausgebremst worden seien. Für Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken aus Rheinland-Pfalz sind die Vorschläge zur ökologischeren Ausrichtung der Direktzahlungen nicht ausreichend. Sie fordert, den Anbau von Eiweißpflanzen als Greening-Maßnahme einzuführen. Die Vorgaben für die Fruchtfolge müssten verbessert werden, um zum Beispiel Maismonokulturen zu verhindern. Der vorgeschlagene Grünlandumbruch zum 1. Januar 2014 komme viel zu spät und provoziere zum Umbruch wertvoller Flächen. Ganz zufrieden mit den Reformvorschlägen zeigt sich Johannes Remmel, Landwirtschaftsminister aus Nordrhein-Westfalen. Sie seien ein richtiger und unterstützenswerter Ansatz für ein klares Umsteuern und Neuausrichten der GAP. Er kritisiert Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner, die einer Ökologisierung der EU-Agrarpolitik im Wege stehe. Es sei an der Zeit, dass die Bundesregierung diese Blockadehaltung rasch aufgebe.


Verbände

Einige Umwelt- und Bioverbände sowie die Bauernvertretungen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Bundesverband deutscher Milchviehhalter (BDM) begrüßen tendenziell die Ausrichtung der Kommissionsvorschläge für eine ökologischere und sozialere Landwirtschaft. Die meisten sehen jedoch Mängel in der konkreten Ausgestaltung der Vorschläge. Der Deutsche Bauernverband zeigt sich gänzlich unzufrieden.


Richtige Richtung mit Mängeln

Graefe zu Baringdorf, Bundesvorsitzender der AbL, begrüßt, dass Dacian Ciolos die zentralen Forderungen der AbL und der gesellschaftlichen Bündnisse wie die Bindung der Direktzahlungen an ökologische Standards und Arbeitskräfte aufgegriffen hat. Allerdings sieht er in der konkreten Ausformung der Vorschläge Mängel. AbL-Bundesvorsitzende Maria Heubuch kritisiert unter anderem, dass die Grenzen mit 150.000 bzw. 300.000 Euro, bei denen die Staffelung bzw. die Obergrenze einsetzen soll, zu hoch angesetzt seien. Auch seien Vorgaben zur Fruchtfolge mangelhaft. Ebenso wie der Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) kritisiert die AbL die Vorgabe, nach der auf maximal 70 Prozent der Ackerflächen eine einzige Frucht stehen dürfte. Dies sei völlig ungeeignet, den schädlichen Trend der Ausbreitung von Monokulturen, wie etwa Mais, zu bremsen, so der BÖLW. AbL und BÖWL fordern eine Grenze von maximal 50 Prozent und einen Mindestanteil an Leguminosen.


Eine GAP für die Industrie

Der Bundesverband deutscher Milchviehhalter (BDM) sieht in den Vorschlägen zur GAP gute Ansätze, kritisiert jedoch einige Punkte. Aus Sicht des BDM fehlen in den Vorschlägen jegliche Regeln für sinnvolle Rahmenbedingungen auf den Märkten. Die Vorschläge der Kommission richten sich nach den Interessen der Industrie, kritisiert der Vorsitzende Romuald Schaber. Er fordert, dass der kalkulatorische Arbeitszeitaufwand, der seit kurzer Zeit Grundlage der Berechnung der Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung ist, auch bei der Vergabe der Direktzahlungen als Bemessungskriterium mit herangezogen werden sollte, um eine sozial gerechtere Umverteilung zu erreichen. Damit werde der faktisch höhere Arbeitszeitaufwand von Milcherzeugern z.B. gegenüber stärker rationalisierbaren Ackerbaubetrieben entsprechend berücksichtigt, so Schaber.


Wenig positive Ansätze

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Greenpeace sehen die Vorschläge für die GAP Reform als Schritt in die richtige Richtung, kritisieren allerdings die Maßnahmen als unzureichend, um die Umwelt- und Klimasituation nachhaltig zu verbessern. Die Regeln für die Landwirte zur Fruchtfolgegestaltung und beim Grünlandschutz seien ineffektiv und damit inakzeptabel, so Hubert Weiger vom BUND. Die Vorgabe, dass auf maximal 70 Prozent der Ackerflächen eine einzige Frucht stehen dürfe, ist für den Verband nicht hinnehmbar, da der Anbau von Monokulturen wie beispielsweise von Mais somit künftig als "Umweltleistung" gelten soll, so Weiger. Es gebe zudem kaum Vorschläge für den Gewässer- und Klimaschutz, so Weiger weiter. Martin Hofstetter von Greenpeace befürchtet, dass der deutsche Bauernverband und Ministerin Aigner alles tun werden, um die wenigen positiven Ansätze in Ciolos Vorschlägen - wie beispielsweise die Bindung eines Teils der Direktzahlungen an Umweltauflagen - zu verwässern.


Keine Stilllegung wegen Hungersnot

Gerd Sonnleitner, Präsident des deutschen Bauernverbands, ist mit den Vorschlägen der EU-Kommission äußerst unzufrieden. Er kritisiert unter anderem die Ausweisung "ökologischer Vorrangflächen" zum Schutz der Umwelt und Artenvielfalt. Der Landwirtschaft würden rund 60.000 Hektar Agrarfläche durch Stillegung verloren gehen, was im Angesicht des Hungers in der Welt, aber auch der Energiewende verantwortungslos sei, so Sonnleitner. Für unverantwortlich hält Sonnleitner auch die Kappung ab 300.000 Euro. Jeder Hektar, egal ob Acker- oder Grünland, müsse die gleiche Unterstützung erhalten. Weder bei kleinen oder mittleren, noch bei den größeren Betrieben dürfe gekürzt werden, so Sonnleitner.


"Nie zuvor ist der Faktor Arbeit so deutlich in einen Gesetzesvorschlag der Kommission aufgenommen worden. Das ist ein großer Erfolg", Maria Heubuch, AbL.


"Wir stehen diesen Überlegungen ablehnend gegenüber", Ilse Aigner, CSU, Bundeslandwirtschaftsministerin.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 349 - November 2011, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2012