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AGRAR/1559: Reformansatz bestätigt - Parlament und Minister gefordert (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 364 - März 2013
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Reformansatz bestätigt - Parlament und Minister gefordert
Einigung der Regierungschefs zum EU-Haushalt 2014-2020 enthält auch klare Aussagen zur EU-Agrarreform

von Ulrich Jasper



Auf ihrem Sonder-Gipfel am 7./8. Februar in Brüssel haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten nicht nur auf Obergrenzen für den Haushalt der EU für die nächsten sieben Jahre geeinigt (siehe unten). Sie haben sich auch auf bestimmte Aussagen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) verständigt. Vor allem wurde der Ansatz der EU-Kommission zum "Greening" bestätigt, also zu der verbindlichen Bindung der Direktzahlungen an ökologische Mindestkriterien.

Im Beschluss steht das so: "Die Gesamtumweltleistungen der GAP werden durch eine Ökologisierung der Direktzahlungen erhöht, die - unter Vermeidung unnötigen Verwaltungsaufwands - durch bestimmte, dem Klima- und Umweltschutz förderliche und für alle Betriebsinhaber verbindliche Landbewirtschaftungsmethoden erreicht wird", so der Rat. Das heißt, die Kriterien sollen für alle Betriebsinhaber verbindlich sein. Die EU-Kommission sieht das als Bestätigung ihres Ansatzes, dass Betriebe, die mehrere Jahre hintereinander die Kriterien nicht einhalten, nicht nur sofort die 30 Prozent der unmittelbar an die Kriterien gebundenen Direktzahlungen verlieren, sondern weitere Kürzungen hinnehmen müssten. Genau das aber will der Agrarausschuss des EU-Parlamentes verhindern, indem er die Umweltkriterien ausschließlich auf maximal 30 Prozent der Direktzahlungen bezieht und die Basisprämien davon freihalten will.


Greening nicht beliebig

Der Gipfel-Beschluss verwirft auch ein weiteres Ansinnen des Agrarausschusses, wonach der Betrieb schon als vollständig vom Greening befreit werden sollte, wenn er an irgendeiner so genannten "Agrarumweltmaßnahme" der 2. Säule teilnimmt, z.B. an einer pfluglosen Mulchsaat (mit häufig erhöhtem Herbizid-Einsatz). Die Regierungschefs schreiben, dass die Mitgliedstaaten " bei der Wahl gleichwertiger Ökologisierungsmaßnahmen über eine klar definierte Flexibilität verfügen" sollen. Die Maßnahmen müssen also "gleichwertig" sein - wie es die EU-Kommission in ihrem Konzept-Papier vom Mai 2012 bereits vorgesehen hat. Und die Mitgliedstaaten können nicht irgendwelche langen Menüs an Maßnahmen erfinden, sondern müssen sich eben an einen "klar definierten" Rahmen für diese Flexibilität halten. Diesen Rahmen müssen nun Parlament, Agrarministerrat und Kommission aushandeln.


Kappung freiwillig

Weitgehend durchgesetzt hat sich die Bundesregierung im EU-Rat mit ihrer Ablehnung des Kommissions-Vorschlags, eine EU-weit verbindliche Abstaffelung und Kappung sehr großer Direktzahlungsbeträge je Betrieb einzuführen. Im Beschluss heißt es: "Die Deckelung der Direktzahlungen für große Begünstigte wird von den Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis eingeführt". Die Diskussion wird nun also auf nationaler Ebene weitergehen, besonders auch in Deutschland. Die Agrarminister der ostdeutschen Bundesländer haben schon wieder ihre kategorische Ablehnung öffentlich kundgetan.

Umso wichtiger wird ein von der AbL positiv aufgenommener Vorschlag, der im Agrarausschuss des EU-Parlaments eine Mehrheit gefunden hat: Die Mitgliedstaaten sollen für bis zu SO Hektar je Betrieb einen Aufschlag vorsehen können, für den sie bis zu 30 Prozent "ihrer" Direktzahlungssumme einsetzen können. In Deutschland könnten somit die Zahlungen für die ersten 50 Hektar um rund 30 Prozent angehoben werden, möglicherweise sogar mit besonderer Berücksichtigung einer bäuerlichen Tierhaltung. Die Debatte geht weiter.


Gelder für 2014 - 2020

Nun zu den nackten Zahlen: Der Agrarhaushalt der EU für die Jahre 2014 bis 2020 ist - abgesehen von der 2. Säule (Ländliche Entwicklung) - insgesamt von starken Kürzungen verschont geblieben. Die Staats- und Regierungschefs einigten sich am 7./8. Februar darauf, in diesem siebenjährigen "Mehrjährigen Finanzrahmen" (MFR) Ausgaben von zusammen gut 373 Milliarden Euro für die Rubrik Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung zu ermöglichen (berechnet auf Grundlage der Preise von 2011, also ohne den vorgesehenen jährlichen Inflationsausgleich; die tatsächlichen Zahlungs-Obergrenzen "in jeweiligen Preisen" liegen bei 420 Mrd. Euro). Gegenüber dem Vorschlag der EU-Kommission ist das eine Kürzung von weniger als drei Prozent.

Damit hat die Agrarpolitik in den nächsten Jahren am gesamten EU-Haushaltsrahmen einen Anteil von rund 39 Prozent (heute rund 41 Prozent). Davon wiederum sind 74 Prozent für Direktzahlungen und Marktausgaben vorgesehen. (278 Mrd. Euro zu *Preisen von 2011), während die zweite Säule (Ländliche Entwicklung) mit 85 Mrd. auf 23 Prozent absackt. Aus dieser 2. Säule werden u.a. die Agrarumweltmaßnahmen, Ökoprämien und Investitionsförderungen bezahlt.


Kürzungen in 2. Säule

Die Kürzungen in der 2. Säule fallen dabei in Deutschland besonders groß aus. Das liegt daran, dass stolze 16 Mitgliedstaaten jeweils für sich Sonder-Zuschläge aus dem Topf der 2. Säule herausgehandelt haben, u.a. Italien (1,5 Mrd. Euro) Frankreich und Irland (je 1 Mrd.), Österreich (700 Mio.), Spanien und Portugal (je 500 Mio.). Die Bundeskanzlerin Merkel und Bundesministerin Aigner wollten keinen Zuschlag für Deutschland. Zusammen machen die Zuschläge für die anderen 5,5 Mrd. Euro aus und verringern damit den Topf für alle um 6,5 Prozent. So belaufen sich die Kürzungen zulasten der deutschen Länder-Programme für den Ländlichen Raum zusammen auf rund 15 Prozent; einige Bundesländer rechnen sogar mit über 20 Prozent Minus.

Zum Ausgleich hat der EU-Sondergipfel beschlossen, dass die Mitgliedstaaten jeweils für sich entscheiden können, "ihren" Topf für Direktzahlungen um bis zu 15 Prozent zu kürzen, um mit diesen EU-Geldern die 2. Säule aufzustocken. Mehrere Länder-Agrarministerinnen und Minister sowie die Verbände des ökologischen Landbau haben Bundesministerin Ilse Aigner bereits aufgefordert, diese neue "nationale Modulation" vorzunehmen. Aigner will darüber aber nicht vor der Bundestagswahl entscheiden. Die vollen 15 Prozent der Direktzahlungen umzuschichten brächte für die 2. Säule eine Aufstockung von über 60 Prozent gegenüber der heutigen Finanzausstattung.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 364 - März 2013, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2013