Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → WIRTSCHAFT


AGRAR/1672: Öko ohne Ende (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 406 - Januar 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Öko ohne Ende
Noch immer ist keine Einigung bei Kommission, Rat und Parlament möglich

Von Claudia Schievelbein


Es gehe um die Glaubwürdigkeit des Ökolandbaus, hatte EU-Agrarkommissar Phil Hogan schon vor Jahren gesagt und damit klar gemacht, welche Zielsetzung das Projekt einer neuen EU-Öko-Verordnung für ihn hat. Inzwischen gehört diese mit fast drei Jahren zu den am längsten verhandelten Gesetzesgrundlagen der europäischen Gemeinschaft, ein für diesen Dezember angepeilter Schlusspunkt in Form einer Einigung zwischen den drei maßgeblichen Gestaltungskräften EU-Kommission, Parlament und Ministerrat konnte ein weiteres Mal nicht gesetzt werden. Schon seit die Kommission im März 2014 ihren ersten Entwurf einer neuen EU-Öko-Verordnung veröffentlichte, gab es Kritik. Besonders scharf wurde sie immer von den deutschen Bioverbänden formuliert, die sich bis heute für eine totale Ablehnung und die Weiterentwicklung der vorhandenen Verordnung stark machen. Dabei hatte die Kommission selten Zweifel daran gelassen, dass sie eine neue Verordnung will. Auch jetzt nach dem Scheitern der Trilog-Verhandlungen unter der slowakischen Ratspräsidentschaft machte sie deutlich, dass sie nicht zurückziehen werde, sondern nach einer kurzen Verhandlungspause unter der nächsten Präsidentschaft Maltas weitermachen und abschließen wolle. Auch wenn in internen Kreisen von einer gewissen Verhandlungsmüdigkeit gesprochen wird und inzwischen der Berichterstatter des EU-Parlamentes, der Grüne Martin Häusling, seinen Unmut über den wenig konstruktiven Umgang der Bioverbände offen artikuliert und in der tageszeitung von "überzogener Kampfrhetorik" spricht.

Importe wohin

Dabei gibt es durchaus Fortschritte, die im Verhandlungsprozess gemacht wurden und die Fortschritte im Sinne des Ökolandbaus sind. Die eigenständige Ökokontrolle, wie sie gerade Deutschland sehr gewünscht hatte, bliebe erhalten. Eine einheitliche Regelung für über hundert derzeit vorhandene Standards in Sachen Importe ist in greifbarer Nähe und wäre in der Tat eine Verbesserung, sowohl für die Glaubwürdigkeit des Ökolandbaus bei Verbraucherinnen und Verbrauchern als natürlich auch für die Betrugsprävention. Wenn es in den letzten Jahren Falschdeklarationen und Betrugsfälle im Ökolandbau gab, dann meist im Zusammenhang mit Importen. Es wäre aber auch eine Verbesserung für die Ökobauern und -bäuerinnen, die einem zunehmenden Preiskampf durch billigere Importware ausgesetzt sind und in diesem nun zumindest nicht mehr Nachteile durch andere Standards fürchten müssen. Profitiert von der derzeitigen, unübersichtlichen Situation die Standards betreffend haben bislang Handelsunternehmen und Verbände, die ihren Überblick zu ihren Gunsten nutzen konnten. Gleichzeitig waren und sind von ihrer Gunst auch immer schon Ökoerzeuger des Südens abhängig. Wer jetzt um deren Marktzugang bangt, verkennt die wirtschaftliche Realität.

Rückstände reloaded

Aber es gibt durchaus noch Baustellen, die wichtigste ist sicherlich die Frage der Pestizidrückstände, die, das hatte die Kommission mehrmals deutlich gemacht, eine rote Linie für sie darstellt. Parlament und Rat hatten sich dagegen ausgesprochen, dass Bioprodukte, in denen Pestizide oberhalb der Babyfood-Grenzen gefunden werden, konventionell vermarktet werden müssen. Kompromissvorschläge waren bislang vage geblieben. Europa ist hier gespalten. Während eine Reihe von Mitgliedsländern unter dem Druck ihrer Verbandsvertreter, allen voran die Deutschen, strikt gegen jegliche Rückstandsregelungen sind, gibt es Italien, Belgien und Tschechien, wo solche Regelungen seit Jahren üblich sind, und die sich nicht minder vehement dafür einsetzen, diese beizubehalten und EU-weit umzusetzen. Ebenso wenig wie Pestizidgrenzwerte also offensichtlich der Tod des Ökolandbaus sind, wie hierzulande gerne behauptet wird, müssten die Bauern auf ihrem Schaden sitzen bleiben, da die Kommission Offenheit für Kompensationsregelungen geäußert hat. Auch diesen gegenüber verhielten sich allerdings die deutschen ministerialen Verhandlungsführer ablehnend. Man rede von rund einem Prozent verunreinigter Ökoprodukte auf Erzeugerseite, führt Häusling im taz-Interview aus. Jahrelanges Monitoring von staatlicher und Händlerseite zeigt, dass die meisten Verunreinigungen jenseits der Biohöfe passieren, nämlich im Bereich Verarbeitung, Transport oder Lagerung, manchmal aus Unachtsamkeit, manchmal als geplanter Betrug, dem die Kommission mit ihrer Grenzwert-Idee zu Leibe rücken will.

Darum, einen attraktiven Markt zu schützen, muss es auch in der nach wie vor offenen Frage der Ausnahmen für konventionelles Saatgut oder Tiere gehen. Eine ökologische Züchtung kommt nur in Gang, wenn die Ausnahmeerlaubnis, billigere konventionelle Alternativen zu nutzen, zeitlich begrenzt wird. Der Übergang muss endlich auch als Übergang gestaltet werden - nicht wie bisher als Dauerlösung. Dafür ist ebenfalls wichtig, dass die Forderung des Parlamentes nach einer eigenständigen Regelung der Sortenzulassung und Handelbarkeit von Ökosorten Eingang in die neue EU-Öko-Verordnung findet. Auch will das Parlament - entgegen der Haltung der deutschen Ministerial- und Verbandsvertreter - betriebliche Bestandsobergrenzen für Biohöfe einführen. Und ein letzter noch strittiger Punkt betrifft schließlich die Frage, wie viel weiter die Industrialisierung des Öko-Unterglasanbaus noch vorangetrieben werden soll. Das Parlament will zumindest einen Rest von Ökoprinzipien wie Fruchtfolgen und Bodenbindung retten, einzelne Mitgliedsländer - allen voran z. B. Spanien als Haupt-Bio-Unterglas-Exporteur - wünschen sich Lockerungen und die Kommission ist hier, offenbar aufgrund ihres handelspolitischen Wunsches sich den US-amerikanischen Standards anzugleichen, nicht so ökoprinzipientreu wie in anderen Fragen. Es bedarf also noch einiger weiterer Anstrengungen, um am Ende eine vernünftige EU-Ökoverordnung zu bekommen. Sich diesen zu verweigern ist keine wirkliche Option.

*

Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 406 - Januar 2017, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/490 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,45 Euro
Abonnementpreis: 41,40 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 30,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang