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ARBEIT/115: Aktionsplan für berufliche Mobilität (Sozial Agenda)


Sozial Agenda Nummer 16 - Februar 2008
Magazin der Europäischen Kommission für Beschäftigung und Soziales

Aktionsplan für berufliche Mobilität

Kommission unterstreicht den potenziellen Nutzen einer größeren Mobilität der EU-Arbeitskräfte für Wirtschaft und Bürger


Die Mobilität der Arbeitnehmer ist ein Schlüsselfaktor für eine dynamische Wirtschaft, und mangelnde Mobilität zieht häufig Fachkräftemangel, Engpässe und Arbeitslosigkeit nach sich. Trotzdem stehen die Europäer insgesamt einer größeren Mobilität - sowohl zwischen Arbeitsplätzen als auch zwischen Regionen oder Mitgliedstaaten - nach wie vor äußerst skeptisch gegenüber.

Im Dezember 2007 legte die Europäische Kommission im Rahmen ihrer laufenden Anstrengungen zur Verbesserung der Arbeitskräftemobilität in der EU einen Aktionsplan für berufliche Mobilität 2007-2010 vor. Der Plan schließt sich an den Aktionsplan 2002-2005 an und nutzt die in dieser Initiative und dem Europäischen Jahr der Arbeitskräftemobilität 2006 gewonnen Erfahrungen.

Die EU-Erweiterungen 2004 und 2007 schufen mehr Möglichkeiten für Arbeitsuchende wie für Arbeitgeber. Die meisten der 15 "alten" Mitgliedstaaten der EU haben ihre Beschränkungen für Bürger aus acht der 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten inzwischen aufgehoben oder zumindest eingeschränkt. Auf diese Weise entstand ein großes Arbeitskräftepotenzial, mit dessen Hilfe die Herausforderungen von Überalterung und Globalisierung angenommen werden können.

Allerdings ist in der EU weiterhin eine verhältnismäßig geringe Arbeitskräftemobilität festzustellen: Obwohl es in letzter Zeit Verbesserungen gegeben hat, leben und arbeiten zurzeit nur etwa 2 % der EUBürger im erwerbsfähigen Alter in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem eigenen. Außerdem haben in neun EU-Ländern über 40 % der Arbeitnehmer seit über zehn Jahren nicht mehr die Stelle gewechselt. Zum Vergleich: Die Anzahl der Drittstaatsangehörigen mit Aufenthaltsrecht in der EU betrug im Januar 2006 18,5 Millionen oder fast 4 % der Gesamtbevölkerung der EU.

Die berufliche Mobilität wird durch mehrere Faktoren behindert. In der Vergangenheit führte die Ungewissheit, ob sich der Wechsel des Landes und/oder des Arbeitsplatzes überhaupt lohnt, unter Europäern zu einer gewissen Bindung an die Heimat. Diese Mentalität scheint sich nun aber zu ändern, und neuere Umfragen zeigen, dass die Bedeutung der Mobilität der Arbeitnehmer größere Anerkennung findet. Laut einer Eurobarometer-Umfrage von 2006 glauben 46 % der Befragten, dass Mobilität zwischen Regionen oder Ländern nützlich für die Arbeitsmärkte und für den Einzelnen, und 40 %, dass sie gut für die Wirtschaft ist. Darüber hinaus geben 5,5 % der Bürger aus den 10 ersten EU-Mitgliedstaaten an, dass sie in den nächsten fünf Jahren wahrscheinlich in einen anderen EU-Mitgliedstaat umziehen werden.

Der Aktionsplan 2002-2005 und das Europäische Jahr 2006 deckten mehrere konkrete Hindernisse für die geografische Mobilität auf. Außer durch rechtliche und administrative Barrieren, z. B. der sozialen Sicherheit, wird Mobilität durch praktische Hindernisse in Bereichen wie Wohnraum, Beschäftigung von Ehe- und Lebenspartnern, Übertragbarkeit von Renten sowie durch Sprachbarrieren und die Frage der Anerkennung von Qualifikationen erschwert.

Die vier Hauptziele des Aktionsplans lauten: Verbesserung der bestehenden Rechtsvorschriften und Verwaltungsverfahren, Gewährleistung einer strategischen Unterstützung der Mobilität, Ausbau von EURES und Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Vorteile der Mobilität.


Gesetzgebung

Rechtsvorschriften können eine entscheidende Rolle für die Förderung der Arbeitnehmermobilität spielen. Das EURecht im Bereich der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit z. B. soll sicherstellen, dass Bürger, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat arbeiten, ihren Sozialschutz nicht verlieren. Allerdings können neue Formen der Mobilität (kürzere Zeiträume, wechselnder Beschäftigungsstatus usw.) die Anwendung dieser Vorschriften schwieriger gestalten. So hätte zum Beispiel ein Arbeitnehmer, der häufig im Rahmen kurzfristiger Verträge in verschiedenen Mitgliedstaaten tätig ist, möglicherweise mit einer Reihe unterschiedlicher Systeme der sozialen Sicherheit zu tun. Daher prüft die Kommission zurzeit, ob eine Anpassung der Gemeinschaftsvorschriften in diesem Bereich notwendig ist, und sieht für 2008 einen Konsultationsprozess vor, um zu einer Entscheidung zu gelangen.

Die Straffung der Verwaltungsverfahren und der Verwaltungszusammenarbeit muss vorangetrieben werden. In diesem Zusammenhang erwartet die Kommission, dass der Austausch administrativer Daten zwischen den nationalen für die Koordinierung im Bereich der sozialen Sicherheit zuständigen Trägern auf ausschließlich elektronische Übermittlung umgestellt sein wird. Damit werden eine Konsultierung und ein Informationsaustausch online möglich sowie auch die Einführung einer elektronischen Europäischen Krankenversicherungskarte, wodurch sich der Zeitaufwand für die Bearbeitung der Sozialversicherungsansprüche von EU-Wanderarbeitnehmern erheblich verringern lässt.

Zur Förderung der Arbeitskräftemobilität könnte außerdem ein neuer Vorschlag zur Verbesserung der Übertragbarkeit von Zusatzrentenansprüchen beitragen. Üblicherweise könnte eine "mobilere Karriere" geringere Rentenansprüche bedeuten. Dieser Vorschlag zielt darauf ab, die Rentenansprüche von Arbeitnehmern zu sichern, auch wenn sie die Stelle wechseln oder in einen anderen Mitgliedstaat umziehen.


Politikunterstützung

Den Mitgliedstaaten kommt eine wichtige Rolle dabei zu, die Vorteile der geografischen und der Arbeitsplatzmobilität greifbar zu machen. Nationale Beschäftigungsstrategien und Systeme des lebenslangen Lernens, die unter anderem berufliche Fähigkeiten sowie auch sprachliche und interkulturelle Kompetenzen fördern, können viel zu mehr Mobilität beitragen.

Den EU-Mitgliedstaaten wird nahegelegt, den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) anzuwenden und den Europass weiterzuentwickeln. Der EQR, der ab 2010 für Qualifikationssysteme und ab 2012 für individuelle Qualifikationen gilt, soll als Referenz dienen, um Verständnis und Auslegung der einzelnen Qualifikationen der Mitgliedstaaten zu erleichtern. In ähnlicher Weise dient der Europass (http://europass. cedefop.eu.int/) seit Anfang 2005 als Online-Portal, das Arbeitgebern und Arbeitsuchenden gestattet, ihre eigenen Kompetenzen und Qualifikationen zu vergleichen.

Ein guter Informationsaustausch ist wichtig, und die praktischen Hindernisse, die der Mobilität entgegenstehen, sollte man in Gesprächen mit den Sozialpartnern, lokalen und regionalen staatlichen Stellen, Lern- und Ausbildungszentren sowie der Zivilgesellschaft angehen. Die Kommission plant eine Bestandsaufnahme bestehender Mobilitätsprogramme, damit die Mitgliedstaaten voneinander lernen können, und wird außerdem der Möglichkeit nachgehen, europäische Mobilitätsprogramme in der Art der Programme "Leonardo da Vinci" und "Marie Curie" zu entwickeln.


EURES

Die Dienstleistungen von EURES sollen mithilfe des Aktionsplans beträchtlich ausbaut werden. Das Netz "European Employment Services" (EURES) wurde 1993 von der Europäischen Kommission zusammen mit nationalen öffentlichen Arbeitsvermittlungsstellen eingerichtet, um die Mobilität der Arbeitnehmer und ihrer Familien zu erleichtern. EURES verbindet ein Netz von 750 hoch qualifizierten Beratern mit einem umfangreichen Internetportal, das den Zugang zu mehr als einer Million Stellenangeboten ermöglicht. Die Kommission beabsichtigt, die Erhebung von Informationen, insbesondere über Mobilitätsströme und Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, beträchtlich ausbauen. Dazu sollen die Verbindungen mit anderen Netzen und Informationslieferanten verstärkt und grenzübergreifende Kooperationssysteme und Partnerschaften von Mitgliedstaaten aufgebaut werden. Die EURES-Dienstleistungen sollen erweitert werden, um den Bedürfnissen spezifischer Arbeitnehmerkategorien (z. B. Frauen, Forscher, junge Arbeitnehmer, ältere Arbeitnehmer, Selbständige, Saisonarbeiter und Langzeitarbeitslose) zu entsprechen. Außerdem wird EURES, wo dies angebracht ist, sein Dienstleistungsangebot allmählich für Arbeitskräfte aus Drittländern, insbesondere den Beitrittsländern, öffnen. Zunächst sollen Informationen über die Vorschriften und Verfahren für den Eintritt in den EU-Arbeitsmarkt und Daten über den Bedarf an bestimmten Arbeitnehmerkategorien auf den einzelnen Arbeitsmärkten angeboten werden.


Verstärkte Sensibilisierung der Öffentlichkeit

Die Verbesserung der Rechtsvorschriften und die Politikunterstützung haben aber nur dann einen Nutzen, wenn die Bürger Europas sich der zahlreichen Vorteile der Mobilität bewusst sind. Der Aktionsplan zeichnet daher Maßnahmen vor, um die Menschen noch besser über ihre Freizügigkeitsrechte zu informieren und die Vorteile der Mobilität für die berufliche Laufbahn zu verdeutlichen. Jährliche "European Job Days" sollen die Öffentlichkeit stärker sensibilisieren und den Austausch von Informationen fördern. Außerdem wird die Initiative "Europäische Partnerschaft für berufliche Mobilität" ins Leben gerufen, ein Netz einschlägiger Akteure, die sich in der Entwicklung der beruflichen Mobilität in der EU engagieren.

Es gibt eindeutige Anzeichen für eine Verbesserung der Lage - vor allem unter jungen Leuten. Der Eurobarometer-Umfrage 2006 ist zu entnehmen, dass eine eindeutige Mehrheit der jungen Arbeitnehmer - über 70 % - sich heute darüber im Klaren sind, dass in ihrer beruflichen Laufbahn Mobilität in der einen oder anderen Form erforderlich sein wird. Eines der größten Mobilitätshindernisse ist die persönliche Einstellung. Da junge Leute aber in ihrer Planung immer flexibler und internationaler werden, gibt es gute Gründe, um optimistisch in Bezug auf eine "mobilere" Zukunft der EU zu sein.


Erweiterung des Horizonts

Ramune Klevaityte lebt in Siauliai, einer der größten Städte Litauens, und ist Dozentin an der Universität Siauliai, die einen Anstieg der Studentenzahlen um 110 % in nur neun Jahren erlebte und damit die am schnellsten wachsende Hochschule des Landes ist. Ramune, 32, gehörte zu den 610 wissenschaftlichen Mitarbeitern aus ganz Litauen, die am Projekt MOKOM ("Aufbau wissenschaftlicher Forschungskompetenz") teilnahmen, das von der EU über den Europäischen Sozialfonds mitfinanziert wurde. Diese Gelegenheit bedeutete ihr viel und hatte großen Einfluss auf ihre Arbeitsweise.

"Die Teilnahme an MOKOM gab mir die Gelegenheit, viele Forscherkollegen sowohl aus anderen Hochschulen und Universitäten als auch aus dem Privatsektor zu treffen. Eines der Hauptmerkmale des Kurses war, dass der Schwerpunkt auf der Innovation und den praktischen Anwendungen der Forschung lag. Dies half mir, eine bessere Dozentin und eine bessere Forscherin zu werden."

Das MOKOM-Projekt ist Teil einer nationalen Maßnahme zur Verbesserung von Innovation und Forschungskapazitäten und zum Aufbau eines Pools guter ausgebildeter, international orientierter Wissenschaftler, der den andauernden "Brain-Drain" Litauens zumindest zum Teil wettmachen soll. Sein Schwerpunkt lag u. a. auf Sprachkursen für Wissenschaftler (Englisch, Französisch, Deutsch), der Teilnahme an internationalen Projekten, dem Schreiben und Veröffentlichen von wissenschaftlichen Beiträgen und der Verbesserung von Computerkenntnissen.

"Ein Teil des MOKOM-Projekts betraf die Verwaltung innovativer Forschungsprojekte", erläutert Ramune. "Dieser Projektabschnitt eröffnete mir neue Perspektiven. Ich bin nun an einem neuen Projekt beteiligt, das die Vermittlung von Innovationsfertigkeiten betrifft und von der Technischen Gediminas-Universität Vilnius koordiniert wird."

"Projekte wie MOKOM sind wichtig, weil sie zur Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen Fachleuten aus unterschiedlichen Einrichtungen und allgemein zur Erweiterung des Horizonts beitragen."

http://www.mokom.lt/

(auf Litauisch)


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Quelle:
Sozial Agenda Nummer 16 - Februar 2008, S. 21-23
Magazin der Europäischen Kommission für Beschäftigung und Soziales
Europäische Kommission
GD Beschäftigung, Soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit
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Fax: 0032-2/296 23 93
E-Mail: empl-info@ec.europa.eu
Internet: http://ec.europa.eu/employment_social/social_agenda/


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2008