Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Mindestlöhne rauf, nicht Mindestsicherung runter!
Von Solidarwerkstatt [1], 24. Januar 2019
Der neue Einkommensbericht des Rechnungshofes zeigt, dass insbesondere die unteren Arbeitnehmergruppen massiv verlieren. Statt bei der Mindestsicherung zu kürzen, müssen daher endlich die Mindestlöhne kräftig angehoben werden!
Bei keiner Gelegenheit versäumen es die türkis-blauen Frontleute, die Kürzungen bei der Mindestsicherung damit zu begründen, dass "sich Arbeiten lohnen müsse". Das kann man freilich auch erreichen, indem man die Mindestlöhne erhöht, statt die Mindestsicherung abzusenken. Doch genau das will die türkis-blaue Regierung nicht. Im Gegenteil: Ihre Politik folgt dem Credo von Industriellenvereinigung und EU-Kommission, die bereits 2012 im "Labour Market Development-Report" [2] forderte, "die gewerkschaftliche Verhandlungsmacht zu schwächen", um "Mindestlöhne zu senken" [3]. Und wie schafft man das? Indem man die sozialen Sicherungen so verschlechtert, dass Menschen bereit sind, jede Arbeit auch zu den schäbigsten Bedingungen und den schlechtesten Löhnen zu akzeptieren. Die Kürzungen bei der Mindestsicherung und die geplante Abschaffung der Notstandshilfe treffen daher nicht nur jene, die arm und/oder arbeitslos sind, sie zielen insgesamt darauf ab, die Konkurrenz am Arbeitsmarkt so zu verschärfen, dass die Löhne und Gehälter nach unten gedrückt werden können.
Diese Entwicklung erleben wir allerdings nicht erst seit türkis-blau, sie geht Hand in Hand mit dem EU-Binnenmarkt, der durch die Deregulierung der Güter-, Dienstleistungs-, Kapital- und Arbeitsmärkte die ArbeitnehmerInnen am ganzen Kontinent in eine gnadenlose Konkurrenz zueinander hetzt. Die jüngst vom Rechnungshof publizierten Zahlen verdeutlichen das:
Selbst das der Industriellenvereinigung nahestehende Institut, Agenda Austria, räumt ein, dass die untere Hälfte der Unselbständigen nur 18,7% der Löhne u. Gehälter bezieht (sh. Heute, 8.1.2019). Viele Beschäftigte kommen nur mehr über die Runden, indem sie zusätzlich zu ihrem kargen Lohneinkommen Mindestsicherung beziehen. 71% der Mindestleistungsbezieher sind solche "Aufstocker", die von ihrer Arbeit nicht leben können. Wesentlicher Grund für diese zum Teil dramatischen Reallohnverluste ist die Zunahme prekärer Beschäftigung und die Ausweitung von Teilzeit und geringfügiger Beschäftigung. Doch auch ein Viertel der Vollzeit-Beschäftigten verdient immer noch weniger als 1.700 Euro brutto, fast zehn Prozent sogar weniger als 1.500 Euro [5]. Kein einziger dieser NiedrigverdienerInnen bekommt einen Cent mehr, wenn die Mindestsicherung gekürzt wird. Im Gegenteil: Schlechte Sozialleistungen dumpen die Löhne weiter nach unten.
Die Solidarwerkstatt fordert daher:
- die Anhebung der Mindestsicherung auf das Niveau der nationalen "Armutsgefährdungsschwelle", 14 Mal im Jahr!
- Anhebung der Mindestlöhne auf zumindest 1.700 Euro brutto monatlich
Erstveröffentlicht bei Solidarwerkstatt
https://www.solidarwerkstatt.at/soziales-bildung/mindestloehne-rauf-nicht-mindestsicherung-runter
Anmerkungen:
[1] www.solidarwerkstatt.at
[2] https://www.solidarwerkstatt.at/arbeit-wirtschaft/qdie-gewerkschaften-werden-fallen-wie-die-berliner-mauerq
[3] Europäische Kommission (2012): Labour Market Developments in Europe 2012, European Economy Nr. 5/2012
[4] Einkommensbericht 2018, Rechnungshof, 21.12.2018
[5] h. AK OÖ, Johann Kalliauer, OTS vom 15.5.2018
Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Reto Thumiger
E-Mail: redaktion.berlin@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de
veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2019
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