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AUSSENHANDEL/205: Zustimmungsfrist zu EPAs endet 2013 - EU-Ultimatum für AKP Staaten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Oktober 2011

Handel: Zustimmungsfrist zu EPAs endet 2013 - EU-Ultimatum für AKP Staaten

von Servaas van den Bosch


Windhuk, 6. Oktober (IPS) - Die Zeit läuft: Bis zum 31. Dezember 2013 sollen die vor fast zehn Jahren begonnen Verhandlungen über die umstrittenen Wirtschaftspartnerschaften (EPAs) zwischen der Europäischen Union und den so genannten AKP-Staaten in Afrika, der Karibik und der Pazifik-Region abgeschlossen sein. Andernfalls droht den Ländern der Verlust der Handelspräferenzen, die ihnen der lukrative EU-Markt bislang einräumt. Mit ihrem Ultimatum vom 30. September setzt die Europäische Kommission Nachzügler wie Namibia und Botswana unter Druck.

"Diese Entscheidung der EU kommt nicht unerwartet", meinte der unabhängige namibische Handelsexperte Wallie Roux. Sie ziele auf Länder wie Namibia, die sich nur widerwillig an den EPA-Verhandlungen beteiligten. "Vielleicht versucht die EU, ihren letzten Trumpf auszuspielen, um die Verhandlungen über dieses schlecht konzipierte Modell zukünftiger Handelsbeziehungen überhaupt zeitlich in den Griff zu bekommen", sagte er IPS.

Besonders in afrikanischen Ländern sind die EPAs unpopulär. Sie kritisieren, die darin vorgegebenen Handelsbedingungen seien unfair und schränkten den Spielraum ihrer eigenen Handels- und Wirtschaftspolitik ein.

Roux betonte, es sei wohl kein Zufall, dass die EU ihr Ultimatum zu einer Zeit stelle, in der Ländern mit mittleren Einkommen wie Botswana und Namibia der Verlust der Zollvorteile droht, die das Allgemeine Präferenzsystem (GSP) der EU armen Entwicklungsländern einräumt. "Das Ultimatum könnte der Versuch der EU sein, diejenigen AKP-Länder in die Zange zu nehmen, die bislang nicht sicher sind, wie ihre künftigen Handelsbeziehungen aussehen sollen, oder die es, wie Namibia, gewagt haben, sich mit der EU anzulegen", erklärte er.

In einer Presseerklärung begründete die EU am 30. September ihr Vorgehen. "In den vergangenen vier Jahren hatten die Länder genügend Zeit, um die EPAs zu ratifizieren oder weiter darüber zu verhandeln. Es ist an der Zeit, diesen Prozess zu Ende zu bringen."

Kritisch kommentierten Isabelle Ramdoo und San Bilal vom unabhängigen 'European Centre for Development Policy Management' (ECDP) das EU-Ultimatum. "Oberflächlich betrachtet mag diese Fristsetzung vernünftig sein, doch viele Länder wollen sich noch Klarheit über bestimmte umstrittene Regelungen der EPAs verschaffen. Viele von ihnen befinden sich derzeit auch in Verhandlungen über regionale Integrationsprozesse und sind noch nicht so weit, mit dritten Parteien Handelsverträge über Vergünstigungen abzuschließen."


"EPAs gefährden die regionale Wirtschaftsintegration"

Die nächsten Monate dürften schwierig werden, warnen die beiden Wirtschaftsexperten. "Die Furcht, Vergünstigungen des EU-Marktes zu verlieren, könnte einige Länder zur Unterschrift, Ratifizierung und Durchführung der EPAs zwingen, obwohl diese ihren Ansprüchen und Interessen in Bezug auf Inhalt, Zeitplan und geographischer Abstimmung nicht genügen. Andere könnten einfach aus den Verhandlungen aussteigen. Wenn es auf regionaler Basis zu keiner gemeinsamen Position kommt, könnten die EPAs die Bemühungen um die Integration der regionalen Wirtschaft ernsthaft gefährden."

Besonders kompliziert werde es für einen Abgleich der Interessen der Entwicklungsgemeinschaft Südliches Afrika (SADC) mit dem EPA-Konzept, betonte der Wirtschaftforscher Paul Kruger vom 'Trade Law Centre of Southern Africa'. "Die Südafrikaner haben kein Interims-EPA-Abkommen geschlossen. Was also, wenn sie sich weigern, eine Wirtschaftspartnerschaft mit der EU in nur 18 Monaten auszuhandeln? Dann müsste sich Namibia entweder auf die Seite seines wichtigen Handelspartners Südafrikas schlagen und würde Märkte verlieren oder sich den südafrikanischen Nachbarn Botswana, Lesotho und Swasiland anschließen, die bereits EPAs unterzeichnet haben."

Kruger rechnet damit, dass die Europäer zumindest von den Parlamenten der einzelnen AKP-Staaten die Ratifizierung der EPAs vor 2014 erwarten, damit deren Handelspräferenzen mit den Regeln der Welthandelsorganisation kompatibel werden. "Doch mit SADC muss über eine EPA komplett neu verhandelt werden", gab er zu bedenken.

Gleichzeitig warnte er davor, das Potential des Süd-Süd-Handels als Alternativen zum EU-Markt zu überschätzen. So etwa gebe es bislang kein einziges Handelsabkommen zwischen China und einem afrikanischen Land, stellter er fest. "Länder wie Namibia haben erfahren, wie schwierig es ist, sich mit Rindfleisch und Traubenexporten angesichts der Konkurrenz auf aufstrebenden Märkten zu behaupten."

Der Analyst betonte: "Die EU ist für südafrikanische Länder weiterhin der wichtigste Handelspartner. Deren Interesse an einem zoll- und quotenfreien Zugang zur EU ist zu groß, um jetzt einfach aus den Verhandlungen auszusteigen."

Die EU hatte das Modell einzelner Wirtschaftspartnerschaften entwickelt, weil ihre bisherigen Zoll- und Handelsvergünstigungen für ehemalige afrikanische, karibischen und pazifische Kolonien (AKP) gegen die Freihandelsregeln der Welthandelsorganisation (WTO) verstoßen. (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://ec.europa.eu/trade/
http://www.ecdpm.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53468
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105337

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2011