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BINNENMARKT/166: Wie lange klingelt der Postmann noch? (idw)


Technische Universität Chemnitz - 06.11.2007

Wie lange klingelt der Postmann noch?

Deutschland plant die Aufhebung des Briefmonopols zum 1. Januar 2008 - dabei sollte es auch bleiben, obwohl die meisten EU-Länder voraussichtlich erst 2011 nachziehen, empfiehlt TU-Professor Dr. Ludwig Gramlich


135 Milliarden Briefe, Karten und Pakete werden pro Jahr nach Angaben der Kommission der Europäischen Union (EU) europaweit verschickt. Günstiger, schneller und effektiver sollen die Postdienste werden - das sind die Ziele der EU bei der Aufhebung der nationalen Briefmonopole. "Zum 1. Januar 2009 läuft die bisherige Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft aus. Würde es keine Nachfolgeregelung geben, so würde allgemeines Wettbewerbs- und Kartellrecht gelten", erklärt Prof. Dr. Ludwig Gramlich, Inhaber der Professur für Öffentliches Recht und Öffentliches Wirtschaftsrecht an der TU Chemnitz. Für diesen Zeitpunkt hat die EU-Kommission die Aufhebung des Briefmonopols vorgeschlagen, Deutschland wollte bereits ein Jahr früher - zum 1. Januar 2008 - seinen Postmarkt für den Wettbewerb öffnen. Das Europäische Parlament jedoch hat die Planung kürzlich abgelehnt und stattdessen für die europaweite Liberalisierung der Postmärkte das Jahr 2011 vorgesehen. Ein endgültiger Beschluss zum neuen EU-Rechtsakt muss nun bis Jahresende 2008 von Parlament und Ministerrat der EU getroffen werden. Deutschland jedoch wird wohl bei seinem Vorhaben bleiben - ab dem 1. Januar 2008 wird es keine Sonderstellung der Deutschen Post AG mehr geben. "Das ist zumindest die Aussage beider Partner in der Großen Koalition. Schon 2001 ist jedoch das Postgesetz so geändert worden, dass das Ende des Briefmonopols von 2002 auf 2007 verschoben wurde - so etwas könnte auch ein zweites Mal passieren", schätzt Prof. Gramlich ein.

"Ein Festhalten am 1. Januar 2008 ist verfassungsrechtlich vielleicht nicht zwingend, aber es ist nahe liegend. Denn das Bundesverfassungsgericht hat die erste Verlängerung des Monopols ausdrücklich nur für eine begrenzte Übergangszeit gebilligt", erläutert Prof. Gramlich, der auch juristisches Mitglied im Wissenschaftlichen Arbeitskreis für Regulierungsfragen bei der Bundesnetzagentur ist. Neben den Argumenten des Bundesverfassungsgerichts sieht Gramlich weitere Gründe für eine baldige Liberalisierung des Postmarktes: Es gebe keinen prinzipiellen Unterschied zur Liberalisierung im Telekomsektor, und das durch das Monopol entstehende Verbot der Briefbeförderung für alle anderen Anbieter außer der Deutschen Post AG sei eine nur ausnahmsweise hinnehmbare Einschränkung der Berufsfreiheit dieser anderen privaten Anbieter. Zudem hätten andere Länder - wie Großbritannien, Finnland und Schweden - bereits vorgemacht, dass der Markt der Briefbeförderung geöffnet werden kann, ohne dass der Postsektor oder sogar die Volkswirtschaft Schaden nimmt - "im Gegenteil!", ist Prof. Gramlich überzeugt. "Das Ziel des Monopols kann auch auf andere Arten erreicht werden, die sich besser eignen und weniger restriktiv sind. Etwa durch die Gewährleistung eines Universaldienstes", so Gramlich.

Einen solchen Universaldienst hat die EU bereits 1997 festgeschrieben. Denn: Die privaten Postdienste könnten sich auf Massensendungen konzentrieren und die normalen und weniger lukrativen Briefe oder auch abgelegene und gering besiedelte Gegenden vernachlässigen. Deshalb müssen alle EU-Mitgliedsstaaten durch die Einführung eines Universaldienstes sicherstellen, dass auch ohne Monopol alle üblichen Postsendungen flächendeckend sechs Mal pro Woche abgeholt und ausgeliefert werden. Die finanzielle Sicherung dieses Universaldienstes, wenn das Briefmonopol wegfällt, kann jeder EU-Mitgliedstaat auf eine von drei Arten lösen: entweder durch eine Finanzierung von Defiziten aus Steuergeldern, durch die Ausschreibung einzelner schlecht bedienter Leistungen oder über einen Fonds, in den möglichst alle Postdienstleister einzahlen müssen. In diesem Fall kann ein Unternehmen, das Universaldienstleistungen erbringt, sich einen Teil seiner Kosten von anderen, leistungsunwilligen Konkurrenten zurückholen. Gramlich befürwortet vor allem die Möglichkeit einer Finanzierung durch Steuergelder. Doch er warnt auch vor einer solchen Lösung: "Dadurch macht sich der Staat erpressbar: Die Deutsche Post AG wird dann an keiner Ausschreibung teilnehmen, die sich nicht lohnt, und kein Porto anbieten, das sich für sie nicht rechnet. Bevor der Staat Steuergelder einsetzt, um die Grundversorgung mit Postdienstleistungen für jedermann im gesamten Bundesgebiet zu sichern, muss die Deutsche Post AG die Karten auf den Tisch legen und nachweisen, dass ihre Preise sowohl erschwinglich als auch gerechtfertigt sind." Auf jeden Fall lasse sich aber auch nach einer Aufhebung des Briefmonopols sicherstellen, dass der Postmann regelmäßig klingelt - nur für welches Unternehmen er arbeitet, ist dann nicht mehr so klar.

Stichwort: Briefmonopol

Das Briefmonopol ist das Vorrecht des Staates zur Beförderung der Post. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Briefmonopol sind in Deutschland durch Artikel 87f des Grundgesetzes gegeben: Eine flächendeckende, angemessene und ausreichende Versorgung mit Postdienstleistungen wird hier zugesichert. In einem weiteren Artikel des Grundgesetzes (Artikel 143b) wurden den Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost - und damit der heutigen Deutschen Post AG - die Monopol-Rechte für die Ausübung der Tätigkeit für eine Übergangszeit zugesprochen. Diese Übergangszeit wurde aber nicht genauer bezeichnet und ist deshalb nicht zeitlich begrenzt, weshalb juristisch gesehen das Briefmonopol nicht Ende 2007 enden muss. Durch eine Richtlinie der Europäischen Union von 1997 wurde der Postmarkt europaweit bereits schrittweise geöffnet: Produkte, die mehr als 350 Gramm wiegen und mindestens fünfmal soviel kosten wie ein Standardbrief, fallen seit 1998 nicht mehr unter das Monopol. 2003 wurde alles freigegeben, was mehr als 100 Gramm wiegt, 2006 sank die Grenze weiter auf 50 Gramm; die jeweilige Preisgrenze wurde auf das Drei- und dann auf das Zweieinhalbfache des Standardpreises gesenkt.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Technische Universität Chemnitz, Katharina Thehos, 06.11.2007
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2007