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WÄHRUNG/152: Neue europäische Task Force (BMF)


Bundesministerium der Finanzen (BMF) - Newsletter vom 21. Mai 2010

Neue europäische Task Force
Eckpunkte der Bundesregierung zur Stärkung der Eurozone


Am 21. Mai 2010 nimmt die neue Task Force zur Verbesserung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ihre Arbeit auf. Neben Herman van Rompuy, dem Vorsitzenden des Europäischen Rates, setzt sich das Gremium aus Vertretern der Mitgliedstaaten und der Europäischen Zentralbank (EZB) zusammen. Für Deutschland wird Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble an den Beratungen teilnehmen. Die Task Force wurde am 25. März auf Betreiben der Staats- und Regierungschefs der Länder des Eurogebietes eingerichtet. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, die europäische Währungsunion für die Zukunft krisenfest zu machen. Die Bundesregierung hat neun Eckpunkte zur Stärkung der Eurozone entwickelt, die in der neuen Arbeitsgruppe intensiv diskutiert werden. Die Analyse der Bundesregierung

Die Krise in Griechenland hat drei Schwächen der europäischen Währungsunion schonungslos offen gelegt. Erstens, der Stabilitäts- und Wachstumspakt hat - so wie er aktuell konzipiert ist - offenbar nicht als Instrumentarium ausgereicht, um finanzpolitische Fehlentwicklungen zu verhindern. Zweitens ist es durch die bestehende wirtschaftspolitische Überwachung nicht gelungen, strukturpolitisch bedingte Ungleichgewichte und Wettbewerbsschwächen in den EU-Euroländern zu erkennen und entsprechend anzugehen. Und drittens zeigte sich, dass die Währungsunion für den Extremfall staatlicher Liquiditäts- und Solvenzkrisen nicht gerüstet ist.

Mit den kurzfristigen Hilfen für Griechenland und dem Beschluss zur Einrichtung eines europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus hat die EU entschlossen agiert, um die Stabilität der Eurozone zu sichern. Eine Krise wie in Griechenland darf sich in der Währungsunion nicht wiederholen - dies müssen wir in Zukunft von vorneherein verhindern. Unser gemeinsames Ziel muss jetzt sein, die Währungsunion und den Euro auf lange Sicht stark und robust zu machen. Daher besteht dringender Handlungsbedarf, um jetzt die Schwächen in den Verfahren und Institutionen zu verändern, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu reformieren und neue Instrumente zu entwickeln.

Die Kommission hat in ihrer Mitteilung vom 12. Mai 2010 erste Vorschläge zur Stärkung der Eurozone vorgelegt. Aus unserer Sicht gehen die Vorschläge überwiegend in die richtige Richtung. Wir denken aber, dass zum Teil weitergehende Maßnahmen erforderlich sind. Die Arbeitsgruppe unter Leitung des Präsidenten des Europäischen Rates, Herman van Rompuy sollte dem Auftrag folgend alle Vorschläge von Mitgliedstaaten, EZB und Kommission umfassend prüfen und bewerten.

Wir müssen an den drei genannten Schwachstellen ansetzen und ein überzeugendes Gesamtpaket schnüren. Im Mittelpunkt muss dabei der Gedanke der Prävention stehen. Für alle Maßnahmen brauchen wir eine solide Rechtsgrundlage. Bei der Diskussion der Vorschläge sollten wir uns daher keine Scheuklappen aufsetzen und offen die verschiedenen Möglichkeiten besprechen. Wenn wir einen dauerhaft tragfähigen Rahmen für die Währungsunion anstreben, müssen wir auch die Möglichkeit von Vertragsänderungen in unsere Überlegungen mit einbeziehen.


Die neun Eckpunkte der Bundesregierung

Bessere Vorbeugung vor Haushaltskrisen

1. Die Haushaltsüberwachung innerhalb der EU sollte verschärft werden. Dazu sollte die Stellungnahme der Kommission zu den nationalen Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen stärker auf länderspezifische Probleme eingehen. Zusätzlich könnten die Stabilitätsprogramme der Euroländer einer strengeren, unabhängigen Prüfung unterzogen werden. Vorstellbar wäre hierfür die Europäische Zentralbank oder ein beauftragter Kreis unabhängiger Forschungsinstitute.

2. Wir müssen Mittel und Wege finden, um die Haushaltsdisziplin in der Eurozone zu stärken. Bei allen Überlegungen muss aber die Verantwortlichkeit der nationalen Parlamente für den Haushalt respektiert werden. Daher wäre es ein logischer Schritt, wenn unsere nationalen Parlamente stärker in die europäische Finanzpolitik eingebunden werden. So könnten die Euro-Finanzminister in ihren nationalen Parlamenten Rechenschaft ablegen über die Prüfung der Stabilitätsprogramme ihrer Partner in der Eurozone. Damit könnte die nationale Verantwortlichkeit für die Eurozone als Ganzes gestärkt werden.

3. Sinnvoll ist es sicherlich auch, wenn in den nationalen Haushaltsplanungen die Grundsätze des Stabilitäts- und Wachstumspaktes stärker verankert sind. In Deutschland haben wir beispielsweise die Schuldenbremse eingeführt, die sich ganz bewusst am mittelfristigen Haushaltsziel des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ausrichtet. Die Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes wird dadurch innerstaatlich abgesichert. Alle Euro-Mitgliedstaaten sollten sich politisch verpflichten, das Regelwerk des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, insbesondere den präventiven Arm, auch innerstaatlich verbindlich und glaubwürdig zu verankern.

4. Im Defizitverfahren sollten Sanktionen früher und effektiver wirken. Euro-Mitgliedstaaten, die sich nicht an die Vorgaben zum Defizitabbau halten, sollten vorübergehend keine weiteren EU-Strukturmittel bewilligt bekommen. Im Extremfall könnte über die unwiderrufliche Streichung einbehaltener Strukturmittel entschieden werden. Die Zahlung europäischer Mittel wird damit abhängig gemacht von solider Finanzpolitik.

5. Euro-Mitgliedstaaten mit einem besonders hohen Schuldenstand oder wiederholten übermäßigen Defiziten gefährden die Gemeinschaft in besonderer Weise. Sie sollten zusätzliche Konsolidierungsanstrengungen unternehmen und einem beschleunigten Defizitverfahren im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes unterworfen werden. Für die Mitgliedstaaten mit einem Schuldenstand über 60% des BIP in könnten in Zukunft die haushaltspolitischen Mittelfristziele eine verpflichtende Vorgabe darstellen. Des Weiteren könnte vereinbart werden, dass ein Euro-Mitgliedstaat, der innerhalb einer festgelegten Zeitspanne (z.B. von fünf Jahren) wiederholt ein übermäßiges Defizit aufweist, schneller in die nächste Stufe des Verfahrens kommt.

6. Stimmrechte im Rat sollten für solche Euro-Mitgliedstaaten für mindestens ein Jahr suspendiert werden, die in grober Weise gegen die Spielregeln der Währungsunion verstoßen. Dazu gehören insbesondere auch diejenigen, die sich wiederholt nicht an die Empfehlungen zum Abbau übermäßiger Defizite halten und diejenigen, die offizielle Statistiken manipulieren.

Verbesserte wirtschaftspolitische Überwachung und
Koordinierung

7. Wirtschaftliche Fehlentwicklungen in einzelnen Euro-Staaten müssen wir viel frühzeitiger erkennen und klar benennen. Wir müssen Probleme einzelner Mitgliedsstaaten offener und ehrlicher diskutieren. Fehlentwicklungen sollten konsequent Frühwarnungen und spezifische Korrekturempfehlungen der Kommission nach sich ziehen ("blaue Briefe").

8. Die Prüfung der Wettbewerbsfähigkeit ist ein Paradebeispiel für eine Vertiefung der Koordinierung in der Eurozone. Wir brauchen eine verstärkte Koordinierung mit großer Sichtbarkeit und einer Konzentration auf wettbewerbsschwache Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten tragen die primäre Verantwortung für die Einhaltung und Umsetzung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik. Sie sollten an der Überwachung aktiv und engagiert teilnehmen und hierfür ein stringentes, politisch sichtbares Verfahren entwickeln, in dem Verstöße gegen die Grundzüge der Wirtschaftspolitik frühzeitig benannt und klare und verbindliche Empfehlungen ausgesprochen werden. Das Verfahren sollte den Druck auf säumige Mitgliedstaaten schrittweise erhöhen und für den Fall gravierender Verstöße auch Sanktionen vorsehen.

Einsetzung eines festen Krisenbewältigungsrahmens für die Eurozone

9. Der vereinbarte europäische Finanzstabilisierungsrahmen ist ein notwendiger Schritt zur Stabilisierung der aktuellen Lage. Dieses Instrument ist aus gutem Grund zeitlich befristet. Gehen wir über diese ad hoc-Maßnahme hinaus, so muss wesentlicher Bestandteil eines festen Krisenbewältigungsrahmens für die Eurozone ein Verfahren für eine geordnete staatliche Insolvenz sein. Damit werden für Staaten Anreize zu solider Finanzpolitik und für Finanzmarktteilnehmer Anreize zu verantwortungsbewusster Kreditvergabe gesetzt.


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Quelle:
BMF-Newsletter vom 21.05.2010
Herausgegeben vom Referat K (Kommunikation) des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2010