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BERICHT/015: Gespräch zur Zusammenarbeit mit China (FTE info)


FTE info - Sonderausgabe EIROforum - Juni 2007
Magazin über europäische Forschung

Jahr der Wissenschaft und der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen China und der Europäischen Union


Seit 1998 ist die Volksrepublik China bei Projekten, die über die Forschungsrahmenprogramme der Europäischen Union finanziert werden, sehr stark vertreten. In den vergangenen Jahren wurde das Forschungsbudget Chinas systematisch um mehr als 10 % erhöht. So hat sich das Land zum wichtigsten außereuropäischen Teilnehmer an europäischen Forschungsprogrammen entwickelt.


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Um für die Forschung größtmöglichen Nutzen aus den Möglichkeiten des 7. Rahmenprogramms zu ziehen, haben die Behörden den Informationsaufwand gegenüber den chinesischen Forschern erheblich erhöht. Der Enthusiasmus reicht sogar so weit, dass im vergangenen Oktober ein "Jahr der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen China und Europa" ausgerufen wurde. Ein lehrreiches Jahr, das mit dem Jahr des Schweins des traditionellen chinesischen Kalenders nichts zu tun hatte!

Es folgt ein Gespräch mit Jun Han und Shiping Ren von der chinesischen Mission in der Europäischen Union in Brüssel.


FTE INFO: Wie wird die wissenschaftliche und technologische Forschung in China finanziert?

HUN HAN, beratender Minister der chinesischen Mission in der EU: Die Entwicklung in Wissenschaft und Technologie in China wird über mehrere große, staatliche Programme finanziert.

Zum einen gibt es große, strategisch ausgerichtete Programme. Für Wissenschaft und Technologie ist das z. B. das staatliche Programm 863, das 1986 von der Regierung ratifiziert wurde. Für die wissenschaftliche Grundlagenforschung gibt es das staatliche Programm 973 aus dem Jahr 1997. Unter den großen staatlichen Programmen ist außerdem noch das Programm Spark (1986) für die Forschung im Agrarbereich zu erwähnen, das sich auch an die Forschung in Wissenschaft und Technologie anlehnt. Daneben gibt es das Torch-Programm, das 1988 für die Entwicklung der Hightech-Industrie im Land gestartet wurde. Insgesamt wird die Finanzierung der Forschung in China über ein Dutzend großer staatlicher Programme dieser Art geregelt. Kurzfristige Prioritäten werden daneben über Fünfjahresprogramme geregelt.

Die Finanzierung der verschiedenen Programme geht vom Staat und seinen wissenschaftlichen Institutionen aus. Sie sind es auch, die die Forschungsverträge mit der Industrie abschließen.

FTE INFO: Welche Mittel stellt China jährlich für die Finanzierung der wissenschaftlichen und technologischen Forschung bereit?

JUN HAN: Derzeit beläuft sich der Forschungsetat auf 1,3% des Bruttoinlands produkts. Im vergangenen Jahr waren das rund 30 Milliarden Euro. Ziel der chinesischen Regierung ist es, bis 2020 einen Forschungsetat von mindestens 2,5 % des BIP bereitzustellen.

FTE INFO: Wie werden chinesische Forschung und Industrie von der Existenz der EU-finanzierten Forschungsarbeiten unterrichtet?

SHIPING REN, zweiter Sekretär der chinesischen Mission in der EU: Partnerschaften mit europäischen Forschern kommen grundsätzlich auf Initiative chinesischer Forscher zustande. Die Regierung begnügt sich damit, positive Voraussetzungen für solche Initiativen zu schaffen. Unter anderem unterstützt sie die Teilnahme an Kongressen, Kolloquien und wissenschaftlichen Symposien in China und weltweit. Darüber hinaus organisiert das Ministerium für Wissenschaft und Technologie in Zusammenarbeit mit der Delegation der Europäischen Union Informationssitzungen über Forschungsmöglichkeiten in Partnerschaft mit der Europäischen Union. Seit dem Sommer 2006 organisieren wir sowohl in Peking als auch in der Provinz Informationsveranstaltungen über das 7. Rahmenprogramm und die darin enthaltenen Möglichkeiten für chinesische Forscher. Manche dieser Seminare ziehen 300 bis 400 Forscher an.

Schon für das 6. Rahmenprogramm haben wir in China etwa 30 Informationstage dieser Art veranstaltet.

FTE INFO: Wie wird sich nach Ihrer Ansicht die Zusammenarbeit zwischen den chinesischen und europäischen Forschern im neuen Rahmenprogramm entwickeln?

SHIPING REN: Die Vereinbarungen zur Forschungszusammenarbeit zwischen China und der Europäischen Union reichen zurück bis ins Jahr 1998. In diesem Jahr startete das 4. Rahmenprogramm. Damals gelang es den chinesischen Forschern lediglich, an zwei oder drei Projekten des Rahmenprogramms teilzunehmen. Im Laufe der Jahre sind jedoch weitere Teams dazugekommen. Anlässlich des nun endenden 6. Rahmenprogramms konnten nach unseren Berechnungen rund 200 chinesische Forscherteams (nach der europäischen Nomenklatur im Rahmen von 134 Projekten) mit den europäischen Forschern zusammenarbeiten. Die Mehrheit (50 Teams von 200) konzentrierte sich dabei auf Informations- und Kommunikationstechnologien.

Ich denke, beim 7. Rahmenprogramm wird sich diese Zusammenarbeit zum gemeinsamen Nutzen aller Partner noch verstärken - schon allein aufgrund der Tatsache, dass sich das neue Programm über einen längeren Zeitraum erstreckt als seine Vorgänger.

FTE INFO: Welches sind die vorrangigen Forschungsziele Ihres Landes für die kommenden Jahre?

SHIPING REN: Wir haben praktisch dieselben Prioritäten wie Europa. Das ist der Grund, warum Partnerschaften zwischen chinesischen und europäischen Forschern Vorteile für beide Seiten bringen ("Win-Win-Situation"). Vor allem sei in diesem Zusammenhang auf die Forschungsprogramme im Bereich Energie verwiesen, wie auch auf den Umweltschutz, die Biotechnologien, den Bereich Gesundheit, die Entwicklung neuer Werkstoffe, auf die Bereiche Informatik, Nahrungsmittel und landwirtschaftliche Produkte sowie Verkehr und auch auf die Weltraumforschung.

FTE INFO: Im Energiebereich beteiligt sich China an den Arbeiten am Kernfusionsreaktor ITER. Stellt das eine Priorität dar?

JUN HAN: China arbeitet beim ITER-Projekt effizient mit der Europäischen Union zusammen. Ein großes Land wie China benötigt in der Tat große Mengen Energie für seine Entwicklung. Energieeinsparung gehört zwar zu unseren Prioritäten, die Entwicklung neuer Energien stellt jedoch eine weitere Priorität dar. ITER verspricht ein enormes Potenzial für die Lösung der Energieprobleme der ganzen Welt. Deshalb interessiert uns dieses große internationale Projekt im Dienst der gesamten Menschheit. Trotzdem beschränken wir uns im Bereich Energie, für den es einen chinesisch-europäischen Lenkungsausschuss und eine enge bilaterale Zusammenarbeit gibt, nicht allein auf dieses Projekt. Beim letzten Treffen des Lenkungsausschusses im vergangenen Jahr in Shanghai wurde auch viel über saubere Kohle, Kernspaltung und Wasserstoff gesprochen.

FTE INFO: Im Bereich Raumfahrt scheint China seine Kompetenzen jedoch alleine weiterentwickeln zu wollen, z. B. im bemannten Weltraumflug. Der Flug des ersten Chinesen im Weltraum, Yang Liwei, ist ein Hinweis darauf.

JUN HAN: Ich kann Sie nicht daran hindern, die Dinge aus diesem Blickwinkel zu sehen. Aber ich muss auch daran erinnern, dass wir beispielsweise im Rahmen der Mission zur Beobachtung der Sonne, Double Star, eng mit der europäischen Weltraumbehörde ESA zusammenarbeiten. Zudem ist China der wichtigste außereuropäische Teilnehmer am europäischen Satellitennavigationsprogramm Galileo. Mein Land hat 70 Millionen Euro zur ersten Phase beigesteuert. In diesem Zusammenhang wurden bereits elf Partnerschaftsprojekte unterzeichnet, und zwei weitere sind in Vorbereitung. Was Galileo angeht, ist die erste Phase unserer Ansicht nach geregelt. Derzeit arbeiten wir für die Fortsetzung des Programms an neuen Möglichkeiten der Zusammenarbeit und hoffen, dass wir optimale Voraussetzungen für die Umsetzung industrieller Zusammenarbeit erhalten. Galileo ist ein perfektes Beispiel für die gelungene Zusammenarbeit auf dem Gebiet Wissenschaft und Technologie zwischen der Europäischen Union und China. Für uns ist es auch das längste je in Angriff genommene Projekt. Bei Galileo hält die Partnerschaft über einen sehr langen Zeitraum von mindestens zwanzig bis dreißig Jahre an.

FTE INFO: Ist die Zusammenarbeit zwischen China und der Europäischen Union auf dem Gebiet der Gesundheit ebenso intensiv wie bei den Technologien?

SHIPING REN: Ich möchte diese Frage mit einem Beispiel beantworten: Als wir mit der SARS-Epidemie (Schweres akutes respiratorisches Syndrom) konfrontiert wurden, haben wir unsere europäischen Partner um Hilfe gebeten. Im Rahmen des 6. Rahmenprogramms wurden umgehend ein Dutzend auf das Thema SARS ausgerichtete Forschungsprojekte eingerichtet und mit 9 Millionen Euro finanziert. Neun dieser Projekte waren erfolgreich - ein schönes Ergebnis. Im Rahmen des 7. Rahmenprogramms werden wir uns vor allem an Projekten zur traditionellen chinesischen Medizin beteiligen. Sie soll natürlich nicht die moderne wissenschaftliche Medizin ersetzen, aber wir meinen, dass sie in bestimmten Fällen interessante Alternativen bieten kann. Auch hier handelt es sich um Partnerschaften mit wechselseitigem Nutzen für jede medizinische Tradition!


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Eine beeindruckende Hitliste der "nationalen" wissenschaftlichen Errungenschaften im Jahr 2006

Am 21. Januar dieses Jahres wurde von den Behörden in Peking eine Liste der zehn wichtigsten wissenschaftlichen und technischen Fortschritte des Jahres 2006 in China veröffentlicht. Diese "Top 10" wurden von einem Gremium aus 565 Mitgliedern der chinesischen Akademie der Wissenschaften und der chinesischen Akademie der Ingenieurwissenschaften aufgestellt. Die beeindruckende Liste umspannt mehrere Disziplinen:

Inbetriebnahme eines Ipv6-Netzwerks der neuen Generation;
Entdeckung des landesweit größten Erdgasvorkommens (Puguang, Provinz Sichuan);
Entwicklung des ersten modernen supraleitenden Tokamak-Reaktors (East);
Resonanzbildung in einer chemischen Reaktion auf Quantenebene;
Schaffung eines "grünen Gürtels" von 436 km Länge in der Taklamakan-Wüste. Hierbei handelt es sich um den längsten grünen Gürtel in einer Sandwüste. Ein Beispiel dafür, wie man Sand mit biologischen Mitteln eindämmen kann.
eine "umfassende" Meeresforschungsfahrt (297 Tage auf See) des Schiffs "Ocean 1";
Fortschritte bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen Hepatitis B;
Schlüsselergebnisse bei Experimenten mit dem Elektron-Positron-Collider in Peking;
Teleportation eines Doppelteilchens (eines mit positiver Ladung, das andere mit negativer Ladung).
Start eines Fernerkundungssatelliten.


Entwicklung des Budgets für die wissenschaftliche
und technologische Forschung in China
Jahr
1999
2000
2001
2002
2003
2004
Anteil des BIP
0,76 %
0,90 %
0,95 %
1,07 %
1,13 %
1,23 %

(Quelle: Ministerium für Wissenschaft und Technologie / Volksrepublik China)


Weitere Informationen
www.most.gov.cn


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

> Galileo aus der Sicht des Künstlers, "ein perfektes Beispiel für die gelungene Zusammenarbeit auf dem Gebiet Wissenschaft und Technologie zwischen der Europäischen Union und China."

> Der Fusionsreaktor ITER wird in Cadarache (Frankreich) gebaut. Sechs chinesische Forscher nehmen an diesem Projekt teil, das nachhaltige Energie liefern soll.

> Shanghai, 6 340 km², 18 670 000 Einwohner im Jahr 2006, Satellitenfoto.


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Quelle:
FTE info - Sonderausgabe EIROforum, Juni 2007, Seite 25-27
Magazin über europäische Forschung
Copyright: Europäische Gemeinschaften, 2006
Herausgeber: Referat Information und Kommunikation der
GD Forschung der Europäischen Kommission
Chefredakteur: Michel Claessens
Redaktion: ML DG 1201, Boîte postale 2201, L-1022 Luxembourg
Telefon: 0032-2/295 99 71, Fax: 0032-2/295 82 20
E-Mail: rtd-info@ec.europa.eu
Internet: http://ec.europa.eu./research/rtdinfo/index_de.html

FTE info wird auch auch auf Englisch, Französisch und
Spanisch herausgegeben. Die Zeitschrift kann kostenlos
über die folgende Website abonniert werden:
http://ec.europa.eu./research/mail-forms/rtd-adr_de.cfm


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2007