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FORSCHUNG/312: In Europa hat Forschung Zukunft (MaxPlanckForschung)


MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft 4/2006

Zur Sache / Forschungspolitik

In Europa hat Forschung Zukunft


Europa ist in Bewegung - und damit auch die Wissenschaft und insbesondere die Forschungsförderung. So entstand in den vergangenen Jahren ein Europäischer Forschungsraum, wurde das sogenannte Drei-Prozent-Ziel formuliert und die Einrichtung eines Europäischen Forschungsrats beschlossen. Der erste Generalsekretär dieses ERC genannten Gremiums ist Ernst-Ludwig Winnacker. In seinem Beitrag beleuchtet er die Hintergründe und beschreibt Hoffnungen und Visionen, die sich mit dem neuen Instrument verknüpfen.


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Das Konzept eines Europäischen Forschungsraums ist wichtig, weil es uns erlaubt oder vielleicht sogar zwingt, uns in Fragen der Forschung nicht mehr nur auf den nationalen Raum zu beschränken. Maßstab ist nicht mehr allein das nationale Umfeld, sondern eben das ehrgeizige Ziel, ganz Europa in Sachen Forschung und Entwicklung an die Weltspitze zu bringen.

Natürlich hat die Wissenschaft immer schon die Internationalität gesucht, sie aber nicht immer gelebt. Denken wir nur an den geringen Anteil von Ausländern unter unseren Hochschullehrern. Wenn die ETH Zürich 60 Prozent Ausländer in ihrer Professorenschaft zählt und gleichzeitig in internationalen Rankings so gut abschneidet, dann liegt der Schluss nicht fern, dass beide Parameter irgendwie zusammenhängen. Wir importieren Rotwein aus Frankreich oder Italien. Warum nutzen wir nicht auch das intellektuelle Potenzial dieser und anderer Länder? Die Max-Planck- Gesellschaft macht uns dies übrigens längst vor. Nicht nur in ihren neuen Instituten in Ostdeutschland - aber dort besonders ausgeprägt - liegt der Ausländeranteil unter den Direktoren bei 40 Prozent. Wie ließe sich die internationale Sichtbarkeit besser demonstrieren?

Der Ausländeranteil ist längst nicht alles, was das Konzept des Europäischen Forschungsraums impliziert. Vermehrt fragen sich auch die Forschungs- und Forschungsförderorganisationen, wie sie denn ihre Kräfte bündeln und gemeinsam Mehrwert erzeugen könnten. Inzwischen hat man etwa erkannt, dass die Verbreiterung der Gutachterbasis vielfach die Qualität der ausgewählten Anträge erhöht und dass eben das, was in der Wissenschaft als Qualität gilt, universal anerkannten Grundsätzen folgt. Beim Blick in einen allzu kleinen Sprengel können solche Einsichten schon einmal verloren gehen.

Das Drei-Prozent-Ziel - also die Absicht, den Anteil von Forschungs- und Entwicklungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt auf diesen Wert zu erhöhen - haben sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union vor Jahren selbst gesetzt. Andere Wettbewerber, wie etwa Japan, haben Derartiges längst erreicht oder überschritten, während Europa selbst mit einem Anteil von 1,9 Prozent von diesem Ziel weit entfernt ist. In Deutschland stehen wir mit 2,5 Prozent noch vergleichsweise gut da. Aber selbst bei uns ist mit einem zeitnahen Zieleinlauf kaum zu rechnen. Eine Steigerung von 2,5 auf drei Prozent bedarf einer nachdrücklichen Erhöhung des Budgets für Forschung und Entwicklung über die nächsten Jahre, wovon allein die Wirtschaft, wenn man bei der gegenwärtigen Aufteilung zwei Drittel/ein Drittel bliebe, fast sieben Milliarden Euro zusätzlich bis 2010 zu tragen hätte.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass dies zu erreichen sein wird, denn die Steigerungsraten liegen derzeit unter einem Prozent des jährlichen Budgets statt bei gut sechs Prozent. Immerhin setzt die Bundesregierung mit den von ihr zugesagten sechs Milliarden Euro zusätzlich in der laufenden Legislaturperiode für die Forschung ein wichtiges Signal. Ähnlich erfreulich sind die Nachrichten aus Brüssel. Nicht nur wird der Etat des 7. Rahmenprogramms gegenüber dem 6. Rahmenprogramm fast verdoppelt. Diese Steigerung betrifft vor allem ein völlig neues Programm, nämlich den Europäischen Forschungsrat.


Eingeschränkte Spielräume

Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) ist aus der Einsicht heraus entstanden, dass Innovationen letztlich nur dann entstehen, wenn ein System auch in die Grundlagenforschung investiert. Das ist innerhalb der großen europäischen Einrichtungen, wie CERN, EMBL, ESO oder ESA, bisher schon geschehen - und sogar innerhalb der Rahmenprogramme, aber vielleicht nicht mit genügend Freiräumen und nicht immer nach den für die Grundlagenforschung wichtigen Auswahlkriterien. Insbesondere war klar geworden, dass die fast 40 Forschungs- und Forschungsförderorganisationen in Europa zusammen zwar an die 20 Milliarden Euro jährlich für Forschung ausgeben, aber dennoch in ihrer Handlungsweise eingeschränkt sind.

Wo liegen die Probleme? Einmal mangelt es in Europa an der Nachwuchsförderung. Die Abbrecherraten sind hoch. Europa produziert mehr promovierte Wissenschaftler als die USA, aber es weist gleichzeitig den höchsten Anteil an denjenigen auf, die entweder niemals in der Forschung arbeiten oder diesen Bereich gar verlassen müssen. Der Anteil von Absolventen in den Natur- und Ingenieurwissenschaften ist in 16 der 25 Mitgliedstaaten seit Jahren stetig gesunken. Und schließlich sind Wissenschaftlerinnen - vor allem auch in Deutschland - unterrepräsentiert.

Zum Zweiten sind viele der kleineren Förderorganisationen nicht in der Lage, ihre besten Forscher wirklich adäquat zu unterstützen. Noch weniger oder seltener gelingt es ihnen, ihre Kräfte zu bündeln und Geld gemeinsam für eine sinnvolle Sache auszugeben. Als einziges positives Beispiel ragen hier die European Young Investigator Awards (EURYI) heraus. In diesem Programm der europäischen Nachwuchsförderung hatten sich seit 2003 zahlreiche Forschungsorganisationen zusammengeschlossen, um jährlich bis zu 25 höchstqualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu unterstützen. EURYI ist eine Erfolgsgeschichte geworden und wird jetzt in eine ERC-Förderung übergeführt.

Es ist drittens auch nicht zu vergessen, dass viele der Förderorganisationen in Europa, ganz anders als Deutsche Forschungsgemeinschaft und Max-Planck-Gesellschaft, vergleichsweise staatsnah sind, sodass sie Gefahr laufen, nichtwissenschaftliche Parameter in ihre Förderentscheidungen einfließen zu lassen.

Schließlich darf man auch nicht übersehen, dass wegen der vielen nationalen Forschungsorganisationen und ihrer national bedingten Abgrenzung der internationale Wettbewerb nur eingeschränkt funktioniert - mit dem Ergebnis der Doppelförderung, des uneffektiven Einsatzes von Großgeräten und damit eines falschen Eindrucks von wissenschaftlicher Exzellenz. Erst jetzt und damit sehr spät hat man begonnen, Erfahrungen in gemeinsamen Peer-Review-Aktivitäten zu sammeln. So soll nun eine europäische Förderorganisation nach Art der Deutschen Forschungsgemeinschaft gegründet werden, also eine Organisation der wissenschaftlichen Selbstverwaltung, in der sich alle Fächer spiegeln und in der es keinen "juste-retour", also keinen regionalen Ausgleich, geben soll. Allein die wissenschaftliche Qualität der Vorhaben soll zählen. Die Kommission hat nicht nur erklärt, sie wolle keinen Einfluss auf die Arbeit des ERC nehmen, sie möchte auch als Wächter dieser Autonomie walten. Bewacht hier nicht der Fuchs die Gänse?, mag hier so mancher fragen.

Nun, bislang hat die Kommission und - allen voran - auch der für Forschung zuständige Kommissar Janez Potocnik diesbezüglich Wort gehalten. Es ist der Kommission gelungen, einen wissenschaftlichen Beirat, das Scientific Council, nicht nur zu gründen, sondern auch mit 22 hervorragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu besetzen. Die Zahl 22 ist dabei wichtig, da eine andere Zahl, die 25, suggeriert hätte, jedes Mitgliedsland habe Anspruch auf eine Stimme. Außerdem hat man mit dem Aufbau einer Geschäftsstelle begonnen, die die vom Scientific Council definierten Strategien in die Tat umsetzen soll.

In der Geschäftsstelle wird ebenfalls das Büro eines Generalsekretärs eingerichtet werden. Zum einen repräsentiert er das Scientific Council und damit die Gemeinde europäischer Wissenschaftler in der täglichen Arbeit der Geschäftsstelle. Das ist insofern von Bedeutung, als diese Geschäftsstelle als sogenannte Executive Agency angelegt ist, also als ein Teil der Kommission. Seit Anfang Oktober wird diese Struktur in engem Kontakt mit dem Scientific Council aufgebaut. Trotz besten Willens aller Beteiligten wird es der Geschäftsstelle dennoch nicht leicht fallen, ihre Mechanismen - wo immer nötig - von denen der Kommission abzusetzen und eine originäre Identität als Geschäftsstelle des ERC zu gewinnen.

Im Jahre 2010 übrigens soll eine Evaluation untersuchen, ob die Arbeit der Geschäftsstelle tatsächlich das notwendige und erwartete Ausmaß an Selbstständigkeit erreicht. Im Vorfeld der Gründung des ERC hat es intensive Debatten darüber gegeben, ob man nicht von Anfang an auf eine andere, kommissionsfernere Lösung hätte setzen sollen. Davon wurde letztlich abgesehen, weil dies den Start des ERC verzögert hätte.

Ich sehe es als eine weitere Schlüsselaufgabe des Generalsekretariats an, dafür zu sorgen, dass die Förderinstrumente im Sinne der Scientific Community umgesetzt werden. Es geht dabei um die Organisation eines Peer Review, der diesen Namen wirklich verdient und der nach international anerkannten Regeln zu erfolgen hat. Ob es hier Schwierigkeiten geben wird, ist bislang nicht abzusehen - im Gegenteil habe ich den Eindruck, dass man in Brüssel alles daran setzt, unseren Bedürfnissen entgegenzukommen. Gerade in diesem Punkt baue ich auch auf die Unterstützung der nationalen Forschungs- und Forschungsförderorganisationen.

Das Scientific Council hat inzwischen unter dem Vorsitz von Fotis Kafatos, dem früheren Direktor des EMBL, sowie zweier Vizepräsidenten, Helga Nowotny und Daniel Estève, seine Arbeit aufgenommen und bereits zwei Förderinstrumente konzipiert. Das erste Instrument ist ein Programm für 200 bis 250 Nachwuchsgruppen. Diese ERC Starting Grants werden für fünf Jahre ausgeschrieben, wobei die Begutachtung in zwei Schritten vonstattengeht. In einer ersten Stufe werden kurze Antragsskizzen erwartet, in einer zweiten Stufe dann von den erfolgreichen Kandidatinnen und Kandidaten der ersten Stufe etwas ausführlichere Anträge.

Die Bürokratie soll sich in dem Verfahren so weit als irgend möglich zurücknehmen. Alte Vorurteile gegenüber einer EU- Bürokratie sollten erst gar nicht aufkommen, da der ERC kein Instrument der Kommission ist. Antragsberechtigt sind übrigens alle entsprechend qualifizierten Personen, egal welchen Alters, welcher Nationalität oder derzeitigen Wohnorts - sofern sie in Europa arbeiten wollen und sofern der Abschluss ihrer Promotion nicht länger als acht Jahre zurückliegt. Das Programm ist also extrem offen und könnte dazu beitragen, auch Nichteuropäer nach Europa zu locken oder zumindest doch europäische Absolventen, die ein Postdoktorat im Ausland absolvieren. Man wird sehen.

Als zweites Förderinstrument ist ein Programm für bereits etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vorgesehen, das aber erst von 2008 an ausgeschrieben wird. Einzelheiten hierzu werden gerade erarbeitet. Im ersten Jahr, also 2007, stehen dem ERC übrigens 300 Millionen Euro, im zweiten dann 600 Millionen, im dritten 900 Millionen Euro zur Verfügung. Schließlich soll ein stationäres Gleichgewicht von etwas über einer Milliarde Euro pro Jahr erreicht werden. Entscheidend bei der Auswahl der genannten Werkzeuge war die Frage nach dem Mehrwert, den ein europäisches Instrument schaffen kann. Nicht nur ist der ERC in der Höhe seiner Mittel begrenzt. Wem nur gut eine Milliarde Euro pro Jahr zur Verfügung steht, der muss sich nach seiner möglichen Wirkung und Sichtbarkeit gegenüber den 20 Milliarden Euro der nationalen Förderorganisationen fragen. Ein ERC darf auch die große Chance nicht verspielen, Dinge zu fördern, die im Sinne einer richtig verstandenen Subsidiarität auf nationaler Ebene oder durch die nationalen Förderorganisationen nicht gefördert werden oder gefördert werden können.


Eine Chance für Deutschland

"More of the same", das wäre wirklich ein Unglück. Mit seiner Förderung früher Selbstständigkeit geht der ERC eine echte Schwäche Europas an, die uns im Vergleich etwa zu den USA seit Langem benachteiligt. Ähnliches gilt für die Förderung der allerbesten Wissenschaftler des Kontinents, die in der Regel in Europa nicht adäquat gefördert werden. Ausnahmen wie die Max-Planck-Gesellschaft bestätigen nur die Regel.

Wird der ERC die Forschungs- und Forschungsförderlandschaft in Deutschland, in Europa verändern? Diese Frage beschäftigt derzeit viele von uns. Ich meine, er wird dies ganz grundlegend tun. Auf den ersten Blick erweitert der Europäische Forschungsrat zunächst einmal nur das Angebot an Stellen für selbstständige Nachwuchswissenschaftlerinnen und - wissenschaftler. Da es solche Angebote hierzulande vielfach gibt, wie das Emmy-Noether-Verfahren der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder die Max-Planck-Nachwuchsgruppen, werden deutsche Kandidatinnen und Kandidaten dasjenige Verfahren wählen, das am besten und am schnellsten reagiert. Die entscheidende Frage jedoch lautet: Wie viele der vom ERC am Ende geförderten Kandidatinnen und Kandidaten werden sich schließlich für einen Arbeitsplatz in Deutschland entscheiden? Und für welchen? Diejenigen Institutionen, die dabei eher schlecht abschneiden, müssen sich fragen, warum das so ist. Liegt es an Strukturschwächen im jeweiligen Umfeld, an der mangelnden kritischen Masse an Wissenschaftlern auf einem bestimmten Arbeitsgebiet? Liegt es an den vergleichsweise geringen Zukunftsperspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs, insbesondere für Wissenschaftlerinnen? An gesetzlichen Auflagen, wie dem Stammzellgesetz oder den Gesetzen zur Grünen Gentechnik? Da kommt vieles zusammen. Allerdings gibt es andernorts in Europa solche und andere Mängel ebenfalls.

Was für Deutschland spricht, ist die Dynamik der Veränderungen. Diese hat zum Teil schon vor der Exzellenzinitiative eingesetzt. Ich denke etwa an die steigende Anzahl gemeinsamer Berufungen zwischen Universitäts- und Max-Planck-Instituten oder an die International Max Planck Research Schools, seit Jahren schon eine Erfolgsgeschichte. Bei der Exzellenzinitiative selbst setzten sich am Ende diejenigen durch, die international bereits bekannt waren. Weiterhin war wichtig, dass vor Ort keine institutionellen Barrieren existierten. Die überwiegend aus ausländischen Kolleginnen und Kollegen zusammengesetzten Gutachtergruppen hätten hierfür wenig Verständnis gezeigt. So wurde die Beteiligung der außeruniversitären Forschung zu einer Conditio sine qua non. Die Universitäten allein hätten auf dieser internationalen Ebene kaum erfolgreich sein können.


Engagement zahlt sich aus

Es ist nicht unbekannt geblieben, dass die Max-Planck- Gesellschaft diesbezüglich besonders erfolgreich war. Bereits in der ersten Antragsrunde waren rund 20 Max-Planck-Institute als Kooperationspartner an den 17 Exzellenzclustern, den 18 Graduiertenschulen und den drei Spitzenuniversitäten beteiligt. Im Grunde ist dies sehr erfreulich. Man muss in Deutschland zwischen den wissenschaftlichen Institutionen mehr und besser zusammenwachsen - aber natürlich nicht so, dass nach unten hin nivelliert wird, sondern so, dass die jetzt noch weniger Erfolgreichen auch an die Spitze gelangen. Das Engagement wird sich für die Max-Planck-Gesellschaft auszahlen. Einmal erhöht es den Wettbewerb (was immer gut ist!), zum anderen trägt man dazu bei, dass Deutschland insgesamt sichtbarer wird, was wiederum allen zugute kommt. Die Max-Planck-Gesellschaft ist ein Kleinod in unserer Forschungslandschaft. Ihre Alleinstellungsmerkmale wie beispielsweise die Möglichkeit, schnell auf neue Arbeitsgebiete zu reagieren oder die Langfristigkeit ihrer Förderung, wird sie so schnell nicht verlieren. Und, vergessen wir bei alldem nicht: Unsere Universitäten, auch die Siegeruniversitäten im Exzellenzwettbewerb, sind und bleiben weithin unterfinanziert. Es bedarf noch einiger weiterer Runden dieses Wettbewerbs, bis wenigstens eine Handvoll unserer Hochschulen finanziell so gut ausgestattet ist, dass sie die entsprechende internationale Sichtbarkeit in der Weltspitze erreichen kann.

Gedanken dieser Art machen sich auch die nationalen Förderorganisationen. Was wird wohl aus ihnen, wenn der ERC Erfolg hat, was ihm andererseits alle wünschen? Schon lange vor seiner Gründung gab es ein schwergewichtiges Argument gegen den ERC: die Angst, dass die Geldmenge für die Forschung insgesamt konstant bleibe, und dass das Geld für den ERC am Ende nur den anderen, also den nationalen Förderorganisationen, weggenommen werde.

In Frankreich hat man diese Sorge vor der sogenannten Attribution allerdings weggesteckt und in einer Art Vorwärtsstrategie das Gegenteil getan. Hier wurde erst einmal eine neue, nationale Förderorganisation gegründet (die Agence National de la Recherche), um die französischen Kolleginnen und Kollegen besser auf den europäischen Wettbewerb vorzubereiten.

Ich selbst denke auch, dass die Politik gut beraten wäre, den Wettbewerb um Fördermittel - kaum aufgenommen - nicht gleich wieder zu beenden. Monopole, auch in der Forschungsförderung, bedeuten stets einen Nachteil, der Wettbewerb dagegen ist ein Los, das immer zieht. England und die USA machen es uns vielfach vor - Länder, in denen private Stiftungen in Konkurrenz zur öffentlichen Forschung stehen.

In das europäische Forschungssystem ist noch sehr viel mehr Bewegung geraten als hier beschrieben. In Deutschland beispielsweise gewinnt der Gedanke an eine Nationale Akademie der Wissenschaften an Fahrt, weil eben die unabhängige Meinung von Gelehrten wieder gefragt ist. Österreich gründet gerade eine neue Forschungsorganisation, eine Art Graduiertenuniversität, das Institute for Science and Technology - Austria.

Wie hat es doch Andrej Sacharow einmal ausgedrückt: "Die Zukunft kann wunderbar sein, oder überhaupt nicht stattfinden. Das hängt ganz von uns ab." Das alte Europa beweist derzeit jedenfalls, wie jung es ist, insbesondere natürlich über die Gründung des ERC. Nun gilt es, die neue junge Institution mit Leben zu erfüllen.


Der Biochemiker Ernst-Ludwig Winnacker war bis zum Jahresende 2006 Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Seit Januar 2007 ist er Generalsekretär des Europäischen Forschungsrats.


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Quelle:
MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftmagazin der Max-Planck-
Gesellschaft
Ausgabe 4/2006, S. 14-18
Herausgeber: Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2007