Schattenblick →INFOPOOL →GEISTESWISSENSCHAFTEN → FAKTEN

BERICHT/063: Drei neue Harvard-Fellows machen sich auf die Reise (VolkswagenStiftung)


VolkswagenStiftung - 19.05.2009

Drei neue Harvard-Fellows machen sich auf die Reise

Die VolkswagenStiftung schickt drei junge Geisteswissenschaftler
für ein Jahr an das Humanities Center der Harvard University


"Was an Harvard fasziniert, ist die intellektuelle Atmosphäre. Ich freue mich zudem besonders auf den konkreten Kontakt mit bestimmten Wissenschaftlern, denen ich endlich die Fragen stellen kann, die mich schon lange beschäftigen." Dr. Andreas Fischer ist einer von drei Harvard-Fellows, die sich in der nunmehr zweiten Runde des Wettbewerbs um "Fellowships für Postdoktoranden aus den Geisteswissenschaften an der Harvard University" unter 25 Bewerbern durchsetzen konnten. Zwölf Monate lang können jetzt er und seine beiden "Mit-Fellows" am Humanities Center der Harvard University arbeiten und das attraktive akademische Umfeld der amerikanischen Eliteuniversität nutzen. Im Herbst 2009 werden sich die drei auf die Reise machen - mit ganz unterschiedliche Fragestellungen im Gepäck: Die Literaturwissenschaftlerin Dr. Christina Wald wird sich mit früher englischer Prosaliteratur beschäftigen, der Historiker Dr. Andreas Fischer betrachtet die Entwicklungen im Mittelmeerraum im 7. Jahrhundert und der Philosoph Dr. Detlef von Daniels arbeitet über politische Philosophie. Die VolkswagenStiftung stellt für jedes dieser "Harvard-Fellowships" mit einer Laufzeit von einem Jahr rund 100.000 Euro zur Verfügung. Die drei erfolgreichen Bewerber und ihre Projekte stellen wir im Folgenden kurz vor.


Transformationsfiguren in englischer Prosa

Transformation - Verwandlung - und englische Prosa: Wer denkt hier nicht an Harry Potter und den "Vielsaft-Trank"? Mit Verwandlungen aller Art befasst sich aber natürlich nicht erst der populäre Zauberlehrling. Bereits in der frühen fiktionalen englischen Prosaliteratur, die sich im Zeitraum von den 1520er Jahren bis zum frühen siebzehnten Jahrhundert als ernstzunehmende "Gattung" zu etablieren begann, spielt Transformation eine wichtige Rolle. Doch warum werden verschiedene Formen der Verwandlung, beispielsweise die körperliche Verwandlung von Hexen in Katzen wie in William Baldwins "Beware the Cat", aber auch Verkleidungsszenarien wie in der Romanze "Arcadia" von Philip Sidney oder die Idee der Verwandlung durch Einflüsse anderer Kulturen wie in Thomas Lodges "A Margarite of America", in dieser neuen Kunstform so häufig thematisiert? Und welche rhetorischen und erzählerischen Stilmittel kommen zum Einsatz, um derartige Verwandlungen darzustellen? Dr. Christina Wald vom Fachbereich Anglistik der Universität Augsburg wird ihr Fellowship nutzen, um solche Transformationsfiguren zu untersuchen. Ihrer These nach werden diese genutzt, um relevante kulturelle Fragen nach religiöser, geschlechtlicher oder auch nationaler Identität zu behandeln - und um andere Sichtweisen auf die Welt zu vermitteln.

Kontakt
Universität Augsburg
Dr. Christina Wald
E-Mail: Christina.wald@phil.uni-augsburg.de


Die westliche Sicht auf die Ereignisse im Mittelmeerraum im 7. Jahrhundert

Das 7. Jahrhundert n. Chr. ist vor dem Hintergrund der damaligen islamischen Expansion entscheidend für die Entstehung der germanischen Königreiche im Westen und des Byzantinischen Reiches im Osten Europas. Das Interesse der Forschung galt bislang vornehmlich den sozialen und ökonomischen Auswirkungen dieser politischen Entwicklung, die noch heute spürbar sind. Aber wie haben sich die Ereignisse im Mittelmeerraum auf die kulturellen und religiösen Verbindungen und Kontakte ausgewirkt? Und wie haben sie sich aus westlicher Sicht dargestellt? Für die Beantwortung dieser Fragen wird Dr. Andreas Fischer vom Fachbereich der Geschichts- und Kulturwissenschaft der Freien Universität Berlin die lateinische Chronik des sogenannten Fredegar heranziehen, das wichtigste historiografische Werk des 7. Jahrhunderts. Aus der genauen Analyse des Werkes, des Autors und der Quellen will der Historiker Rückschlüsse darauf ziehen, welche Informationen damaligen westlichen Zeitgenossen zugänglich waren, wie diese Informationen aufgenommen wurden und wie sie das zeitgenössische Weltbild beeinflussten.

Kontakt
Freie Universität Berlin
Dr. Andreas Fischer
E-Mail: andreas.fischer@fu-berlin.de


Commonwealth - Modell für eine poststaatliche politische Philosophie?

Der Begriff Commonwealth steht meist für das (britische) "Commonwealth of Nations". Im Wortsinn bedeutet Commonwealth "gemeinsamer Wohlstand" und steht für einen freiwilligen Zusammenschluss unabhängiger Staaten, die gemeinsame Ziele verfolgen. Derartige "suprastaatliche" Institutionen, aber auch substaatliche Organisationen wie private Interessensgruppen beeinflussen in zunehmendem Maße die Fähigkeit einer Nation, ihre ökonomischen oder sozialen Aufgaben wahrzunehmen. Ist unter diesen Bedingungen der Staat überhaupt noch Voraussetzung für die Aufrechterhaltung von politischer Ordnung? Und sind alternative politische Formen denkbar, die nicht auf Staatlichkeit basieren? Dr. Detlef von Daniels vom Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt wird sich in Harvard mit der Entwicklung der politischen Philosophie eines Commonwealth beschäftigen. Er möchte unter anderem mit Hilfe eines Stufenmodells der Rechtsentwicklung zeigen, dass eine politische Philosophie der nicht-staatlichen politischen Ordnung vorstellbar ist - eben: ein Commonwealth.

Kontakt
Universität Erfurt
Dr. Detlef von Daniels
E-Mail: detlef.von_daniels@uni-erfurt.de



Hintergrund Harvard-Fellowships:

Bereits zum zweiten Mal hat die VolkswagenStiftung - in Kooperation mit dem Humanities Center der Harvard University - ihre "Fellowships für Postdoktorandinnen und -doktoranden aus den Geisteswissenschaften am Humanities Center der Harvard University" vergeben. Junge, hochqualifizierte Postdoktoranden aus deutschen Hochschulen erhalten für ein Jahr die Möglichkeit, am Humanities Center ihre Forschungskompetenz und ihr Forschungsprofil auf einem zukunftsweisenden geisteswissenschaftlichen Gebiet international zu stärken und weiter zu entwickeln. Für 2010 und 2011 plant die Stiftung zwei weitere Ausschreibungsrunden ihrer "Fellowships at Harvard".


*


Quelle:
Pressemitteilung vom 19.05.2009
VolkswagenStiftung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Christian Jung
Telefon: 0511 8381 - 380
E-Mail: jung@volkswagenstiftung.de
Internet: www.volkswagenstiftung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2009