Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau - 17.09.2015
Mobile Männer
Forschungsteam untersucht Verwandtschaftsverhältnisse in der Steinzeit am Beispiel einer Fundstelle in Israel
In der Steinzeit zogen Männer zu ihren Frauen: Neue Auswertungen einer mehr als 9.000 Jahre alten Ausgrabungsstätte im Bergland westlich von Nazareth in Israel legen nahe, dass Kinder in der Jungsteinzeit hier in der Gemeinschaft ihrer Mütter lebten, während Männer von außen zur Gruppe hinzukamen und sie möglicherweise auch wieder verließen. Dies lässt auf gleichberechtigte Beziehungen unter den Geschlechtern schließen - vermutlich waren es keine klassischen Familienverbindungen, sondern Verhältnisse auf Zeit. Zu diesem Ergebnis kommen Forscherinnen und Forscher der Universität Freiburg und der Danube Private University Krems/Österreich. Im Projekt SIGN (Segregation and Construction of Social Identities at the Transition from Foraging to Farming) haben sie Zähne und Schädel der prähistorischen Menschen von Kfar HaHoresh ausgewertet. Dr. Marion Benz hat SIGN während ihrer Assistenz am Institut für Vorderasiatische Archäologie der Universität Freiburg initiiert. Das Eliteprogramm für Postdoktorandinnen und Postdoktoranden der Baden-Württemberg Stiftung sowie die beteiligten Universitäten haben das Projekt gefördert.
Als Menschen vor mehr als 12.000 Jahren im Nahen Osten sesshaft wurden mit
Ackerbau und Tierhaltung begannen und in immer größeren Siedlungen lebten,
mussten sie neue Sozialformen entwickeln. Die Forscherinnen und Forscher
untersuchten am Beispiel der Ausgrabungsstätte Kfar HaHoresh, wie diese
Gemeinschaften strukturiert waren, indem sie verwandtschaftliche
Beziehungen rekonstruierten. Durch das trockene Klima des Nahen Ostens
wird das Erbgut prähistorischer Individuen schneller als in kühleren
Regionen zersetzt, sodass es bislang kaum gelungen ist, genetische
Verwandtschaftsbeziehungen über einen DNA-Abgleich festzustellen. Der
Anthropologe Prof. Dr. Kurt W. Alt von der Danube Private University hat
mit Kollegen schon in den 1990er Jahren ein Verfahren entwickelt, mit dem
biologische Verwandtschaft durch einen Ähnlichkeitsvergleich von
anatomischen Varianten an Zähnen und Schädel nachvollzogen werden kann.
Die Forscher nahmen für jedes Individuum mehr als 1.000 Merkmale auf und
verglichen sie mit denen anderer steinzeitlicher Populationen aus der
Region. Prof. Dr. Werner Vach vom Department für Medizinische Biometrie
und Medizinische Informatik der Universität Freiburg berechnete die
Statistiken, die für diese Auswertungen grundlegend sind. Die Ergebnisse
zeigen, dass verschiedene biologische Merkmale bei Frauen und Kindern in
einigen seltenen Ausprägungen übereinstimmen, während die Männer keine
auffälligen Gemeinsamkeiten in anatomischen Merkmalen mit den beiden
anderen Gruppen aufweisen. Auf dieser Grundlage zogen die Forscher ihre
Schlussfolgerungen zur Struktur der jungzeitlichen Gemeinschaft.
"Aufgrund der Besonderheiten der Fundstelle darf man diese Ergebnisse aber nicht verallgemeinern", sagt Benz. Es gibt in Kfar HaHoresh nur wenige Siedlungsspuren, aber viele Gräber. Deshalb geht Ausgrabungsleiter Nigel Goring-Morris von der Hebrew University of Jerusalem/Israel davon aus, dass es sich um einen Kultplatz handelt, der für Bestattungsrituale aufgesucht wurde. Die Bevölkerungsstruktur jedoch deute nicht unbedingt auf einen Ritualplatz hin, sagt Alt: "Es wäre spannend, durch weitere Verfahren zur geographischen Herkunft und zum Mobilitätsverhalten der Individuen die Ergebnisse der Verwandtschaftsanalyse zu ergänzen und gegebenenfalls zu präzisieren. Auch die Weiterentwicklung der molekulargenetischen Methodik lässt für die Zukunft hoffen."
Originalpublikation:
Alt K.W., Benz M., Vach W., Simmons T.L., Goring-Morris A.N.:
Insights into the social structure of the PPNB site of Kfar HaHoresh,
Israel, based on dental remains.
PlosOne 16. Sept. 2015
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution69
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau,
Rudolf-Werner Dreier, 17.09.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2015
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