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MELDUNG/141: Kirchenhistorikerin erforscht die Grundlagen Europas (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 03.07.2012

Kirchenhistorikerin erforscht die Grundlagen Europas

Katharina Bracht ist neue Professorin für Kirchengeschichte der Universität Jena



Es war eine merkwürdige Figur, von der der babylonische König Nebukadnezar dereinst träumte: ein Kopf aus Gold, Brust und Arme aus Silber, der Bauch aus Kupfer, die Beine aus Eisen mit ehern-tönernen Füßen. Über diese Figur und wie sie von einem großen Stein zermalmt wurde, berichtet das Buch Daniel in der Bibel. "Daniel, der Seher, deutet darin den Traum des Königs so, dass die Figur aus den vier Materialien für vier aufeinanderfolgende Weltreiche steht", erläutert Prof. Dr. Katharina Bracht von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Dem goldenen babylonischen Reich folge das Perserreich, symbolisiert durch die silberne Brust. "Dieses wiederum wird abgelöst vom Reich der Meder, auf das das Reich Alexanders des Großen folgte", erläutert die Theologin, die vor kurzem zur Professorin für Kirchengeschichte ernannt worden ist. Der große Stein, der all dies zermalmte, stehe schließlich für das ewige Reich Gottes.

"Im Staats- und Geschichtsdiskurs um die Grundlagen Europas nimmt die Rezeption des Daniel-Buches bis in die Neuzeit eine zentrale Rolle ein", sagt die 45-Jährige, die einen ihrer Forschungsschwerpunkte auf die Rezeptionsgeschichte dieses biblischen Stoffes legt. Ausgangspunkt ihrer Forschungen ist ein Kommentar zum Daniel-Buch, den der Kirchenschriftsteller Hippolyt von Rom ca. 204 n. Chr. verfasst hat - der älteste vollständig erhaltene Bibelkommentar aus christlicher Feder überhaupt, wie Katharina Bracht betont. Im Rahmen ihrer Habilitation, die sie 2011 in München abschloss, hat sie sich ausgiebig mit diesem Werk auseinandergesetzt und auch den ursprünglich in Griechisch verfassten Text erstmals ins Deutsche übertragen.

Neben der Daniel-Rezeption in der Kirchengeschichte beschäftigt sich die gebürtige Würzburgerin in einem weiteren Forschungsschwerpunkt mit dem Werk des Methodius von Olympus (gest. ca. 311 n. Chr.), "dessen Schriften einen einzigartigen Einblick in die Schriftauslegung, Theologie und Frömmigkeit der kleinasiatischen Christen in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts bieten." Derzeit arbeitet sie, in Kooperation mit Slawisten der Freien Universität Berlin, an der erstmaligen Edition der altslawischen Übersetzung der Schriften des Methodius, die aus dem 10. Jahrhundert stammen.

Diese Werke möchte die Theologin auch den Jenaer Studierenden nahebringen. Den Kontakt zum wissenschaftlichen Nachwuchs, der ihr sehr wichtig ist, empfindet sie an ihrer neuen Universität als ausgesprochen angenehm. "Studierende und Lehrende begegnen sich auf Augenhöhe." Dies sei der Vorteil einer vergleichsweise kleinen Fakultät: Sie erlaube einen engen persönlichen Kontakt zu den Studierenden.

Die berühmten "kurzen Wege" schätzt Katharina Bracht auch an ihrer neuen Heimatstadt Jena, in die sie in Kürze mit ihrer Familie umziehen wird. Derzeit pendelt die Mutter von zwei Töchtern noch zwischen München und der Saale-Stadt. "Der Alltag mit Arbeit und Familie ist in Jena wesentlich zeitsparender zu organisieren als in der Großstadt", sagt sie. Das setze Kräfte für das Wesentliche frei.

Katharina Bracht hat in Münster, München und Berlin studiert und ihr Studium 1994 mit der Ersten Theologischen Prüfung abgeschlossen. Anschließend ging sie mit einem Promotionsstipendium des Evangelischen Studienwerkes Villigst an die Universität Halle-Wittenberg, wo sie 1998 promoviert wurde. Von 1998 bis 2001 absolvierte sie in Bielefeld das Vikariat, das sie mit der Zweiten Theologischen Prüfung abschloss. Danach hat Katharina Bracht für ein Jahr als Pfarrerin gearbeitet, bevor sie 2002 als Juniorprofessorin für Kirchengeschichte an die Humboldt-Uni wechselte. 2009 ging sie an die Uni München und folgte jetzt dem Ruf an die Friedrich-Schiller-Universität.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Dr. Ute Schönfelder, 03.07.2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2012