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MEMORIAL/048: Italien - 1987 erlitt die IKP eine schwere Wahlniederlage (Gerhard Feldbauer)


1987 erlitt die IKP eine schwere Wahlniederlage

Die Reformisten nutzen sie zur Liquidierung der Partei

von Gerhard Feldbauer, 14. Juni 2012



Am 14. Juni 1987 erlitt die IKP bei den Parlamentswahlen eine schwere Niederlage. Mit 26,6 Prozent sanken ihre Stimmen gegenüber 1976 (33,8) um 7,2 Prozent. Über 2,5 Millionen Wähler hatten sich von ihr abgewandt. Wo lagen die Ursachen für diesen Rückgang?

Im Januar 1979 hatte die IKP die im März 1978 mit der Democrazia Cristiana beschlossene Regierungszusammenarbeit auf Parlamentsebene (Historischer Kompromiss) beendet, da Ministerpräsident Giulio Andreotti das Regierungsabkommen systematisch sabotierte. Andreotti wirkte, wie später bekannt wurde, mit der inneren und äußeren Reaktion, mit der CIA und ihren italienischen Partnern an der Spitze zusammen, die diese Zusammenarbeit durch die Ermordung des DC-Vorsitzenden, Aldo Moro, zu Fall brachten. Zur Ausführung des Anschlages waren die von den Geheimdiensten infiltrierten "Roten Brigaden" benutzt worden. In intriganter Weise wurde die IKP als Urheber für deren linksextremen Terror verantwortlich gemacht.

Unter diesem Vorwand ging der Repressionsapparat mit aller Wucht gegen Linke und die als linksradikal apostrophierte außerparlamentarische Linke vor. Der Jagd auf sie fielen ganze Universitätsfakultäten zum Opfer - in Padua fast der gesamte Lehrkörper für politische Wissenschaften. Der angesehene linke Professor Antonio Negri wurde angeklagt, Chef der Brigate Rosse zu sein und die Ermordung Moros organisiert zu haben. Tausende APO-Linke, viele von ihnen ohne sich eines Vergehens strafbar gemacht zu haben, wurden in die Gefängnisse geworfen, zirka 100.000 Personen von den polizeilichen Ermittlungen erfasst, rund 40.000 angeklagt, etwa 15.000 verurteilt.

Die Regierungsachse verschob sich nach rechts. In der DC erhielten rechte und mit den Faschisten paktierende Kräfte bestimmenden Einfluss. Der zur Führung der faschistischen P2 gehörende Silvio Berlusconi konnte mit deren Hilfe sein Fernsehimperium aufbauen, das zu einem entscheidenden Instrument der Installierung seines faschistoiden Regimes wurde.

In diesem Klima ging der politische Einfluss der IKP spürbar zurück. Etwa ein Drittel ihrer 2,2 Millionen Mitglieder verließen die Partei. Nachdem ihre Stimmen bereits 1979 erstmals seit 1945 mit vier Prozent rückläufig waren, stiegen die Verluste nun im Juni 1987 auf über sieben Prozent an.

Viele Stimmen verlor die IKP an ihrer kämpferischen Basis, die damit auf den wachsenden Einfluss der Reformisten in der Partei reagierte. Diese verfolgten weiterhin einen Kurs des Ausweichens vor den Klassenauseinandersetzungen und der Zugeständnisse. Generalsekretär Enrico Berlinguer hatte die Reformisten gezügelt. Nach seinem plötzlichen Tod im Juni 1984 gewannen sie in der Parteiführung die Oberhand. Der neue Generalsekretär, Alessandro Natta, wollte sich 1986 mit den Sozialisten zu einer neuen linken Partei vereinigen. Der korrupte ISP-Chef Bettino Craxi (1992/93 zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt) lehnte jedoch ab. Unter dem Einfluss der Perestroika und Glasnost-Politik von KPdSU-Generalsekretär Michael Gorbatschow nahm der IKP-Parteitag im März 1989 Kurs auf die Umwandlung in eine sozialdemokratische Linkspartei, die dann auf dem letzten IKP-Parteitag im Januar/Februar 1991 beschlossen und damit die 70 Jahre vorher von Antonio Gramsci und anderen Linken gegründete ruhmreiche Kommunistische Partei liquidiert wurde.


Zu ausführlichen Darlegungen siehe das Buch des Autors:
Wie Italien unter die Räuber fiel. Und wie die Linke nur schwer mit ihnen fertig wurde. Papyrossa, Köln 2012.

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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2012